Politik: Standpunkt

Plattform „Klimaschutz im Verkehr“ – Aufforderung zu wirksamem Handeln

Plattform Klimaschutz im Verkehr

Persönliches Statement und verkehrspolitische Einordnung von Andreas Kossak, Hamburg* | Plattform „Klimaschutz im Verkehr“

Die Zukunft der Mobilität vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Digitalisierung sind in den vergangenen Jahren zunehmend in den Focus der öffentlichen und der politischen Diskussion gerückt. Im Mittelpunkt stehen dabei in Deutschland aktuell insbesondere die Etablierung einer „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und dessen Umgang insbesondere mit der Arbeitsgruppe „Klimaschutz im Verkehr“ der Plattform [1]. Bemerkenswert sind dabei vor allem die Zusammensetzung der betreffenden Arbeitgruppe, Art und Ausmaß der Einflussnahme des Bundesverkehrsministers auf deren Arbeit sowie dessen drastische öffentliche Kommentierung von Vorschlägen oder Ergebnissen, die nicht mit seinen Vorstellungen bzw. seinem Verständnis von der Materie übereinstimmen.

Die betreffende Arbeitsgruppe besteht im Wesentlichen aus Vertretern von hinsichtlich von relevanten Interessenverbänden. Dabei wird ausdrücklich betont, dass die Mitglieder in diesem Zusammenhang „ehrenamtlich und unbezahlt“ tätig sind. Das spricht nicht gegen den jeweils spezifischen Sachverstand und das Engagement der Beteiligten. Es impliziert jedoch nahezu zwangsläufig ein ausgeprägtes Maß der Verbundenheit/Verpflichtung gegenüber den Zielen und Programmen der eigenen Klientel sowie eine mehr oder minder starke Konkurrenz mit den Positionen, Zielen und Programmen anderer Interessenverbände. Erwartungsgemäß wurde vor diesem Hintergrund von „tiefen Differenzen zwischen den Mitgliedern aus Industrie, Gewerkschaften, Umwelt- und Verkehrsverbänden“ berichtet [2]. Das steht zwar durchaus in Einklang mit den Grundprinzipien der Demokratie, ist aber nicht unbedingt eine geeignete Vorraussetzung für die Erzielung fachlich-sachlich gebotener Ergebnisse bei der Auseinandersetzung mit einer höchst komplexen Materie.

Letzteres gilt umso mehr, wenn der Auftraggeber intensiv mit vielfach eher sachfremden Positionen / Argumenten in die Arbeit der Gruppe eingreift. Die wirkungsvolle und sachgerechte Organisation des Verkehrswesens sowie die Erzielung der gebotenen Ergebnisse hinsichtlich des Klimaschutzes erfordern zwingend auch tief greifende gesetzgeberische Eingriffe und klar definierte anspruchsvolle Ziel-Vorgaben. Das ist nicht mit dem regelmäßig vom Bundesverkehrsminister öffentlich verkündeten Credo in Einklang zu bringen, er halte nichts von Reglementierungen, sein Politikstil basiere auf „Anreizen“, auf „erlauben, ermöglichen und erreichen“ [3]. Damit werden viele der realistisch potentiell in dem betreffenden Zusammenhang Ausschlag gebenden Lösungsoptionen praktisch von vornherein ausgeschlossen.

Ein drastisches Beispiel für die Fragwürdigkeit von Positionen des Bundesverkehrsministers ist seine Einordnung des Vorschlages der Arbeitsgruppe hinsichtlich genereller Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Bundesautobahnen; diese seien nach seiner Überzeugung „gegen den gesunden Menschenverstand“ [3, 4, 5]. In dem Zusammenhang führt er gern an: „in anderen Ländern wird ganz anders über Mobilität diskutiert. Da höre ich nichts von Einschränkungen und Verboten“ [6]. Sein Credo dazu: „Mit Botschaften der Reglementierung und der Bevormundung werden wir niemanden mitnehmen können.“

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen als langjähriges Vollmitglied eines ständigen Komitees des weltweit eng vernetzten „Transportation Research Board“ der nationalen Akademien der Wissenschaften der USA, kann der Verfasser dieses Beitrages die betreffende Position alles andere als nachvollziehen. Insbesondere seit Beginn der weltweiten Anstrengungen um eine Reduzierung der Zahl der schweren Unfälle im Straßenverkehr in den 1990er Jahren unter dem Logo „Vision Zero“ (auch: „Null Tote im Straßenverkehr“, „Sustainable and Safe“, „Jeder Tote im Straßenverkehr ist einer zu viel“ etc.) zählen drastische Geschwindigkeitsbegrenzungen, vor allem auf Fernstraßen und im Stadtverkehr, zu den wirkungsvollsten Instrumenten in dem betreffenden Zusammenhang [7]. Gerade erst hat die EU Ergebnisse von Untersuchungen veröffentlicht, nach denen bereits eine Reduzierung der mittleren Fahrgeschwindigkeit im Straßenverkehr um lediglich 1 km/h nachweislich eine beträchtliche Anzahl von Leben rettet.

Im März 2019 hat die Arbeitsgruppe „Klimaschutz im Verkehr“ ihren ersten Zwischenbericht vorgelegt. Die darin enthaltene Liste von Vorschlägen und Empfehlungen ist umfangreich. Sie sind zwar grundsätzlich durchaus richtig, jedoch alles andere als neu. Dementsprechend enttäuscht war die öffentliche Reaktion; es handele sich fast durchweg um Ideen, die „in Sonntagsreden der Verkehrspolitiker (seit Jahrzehnten) zwar immer wieder vorkamen, aber in der Praxis nicht umgesetzt wurden“ [8]. Dazu gehört natürlich auch der „Dauerbrenner“: „Die Schiene müsse … eine größere Rolle beim Transport von Gütern spielen“. Dementsprechend war das überwiegend gezogene Fazit: „Das Ergebnis ist äußerst dürftig“.

Besonders bemerkenswert ist, dass einige der potentiell wirkungsvollsten, aber auch politisch brisantesten Maßnahmen von der Arbeitsgruppe gar nicht angesprochen worden sind. Das mag an den Vorgaben bzw. Eingriffen des Auftraggebers liegen, ggf. aber auch an der Klientel-orientierten Zurückhaltung der Mitglieder. Schwerpunkte diesbezüglich sind beispielsweise:

  • Die realistische Einordnung der Zukunft der Digitalisierung, der „künstlichen Intelligenz“ und des autonomen Fahrens.
  • Eine drastische Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs.
  • Die umfassende Einführung belastungsabhängiger Straßenbenutzungsgebühren.
  • Die Nutznießer-Mitfinanzierung von Infrastruktur und Betrieb (Straße und ÖPNV).

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* Autor: Dr.-Ing. Andreas Kossak, Kossak Forschung und Beratung, Hamburg, E-Mail: drkossak [at] aol.com


Literatur und Quellen
[1]   www.bmvi.de
[2]  Holdinghausen, H.: Denkverbote für Experten; taz, 20.01 2019
[3]  Pausch, R.: Der Straßenkrieger; Zeit online, 6. 03. 2019
[4]  Balser, M.: Ich geb’ Gas; Süddeutsche.de, 5. 03. 2019
[5]  Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur: Was soll die Gängelung? Ein Tempolimit ist unrealistisch; Interview 27.01.2019
[6]  NN: Umweltministerin Schulze kontert Kritik von Scheuer; Tagesspiegel, 16.03.2019
[7]  Kossak, A.: Aktueller Bericht | Aufruf zu Vision Zero: „Vision und Anleitung für Null Tote im Straßenverkehr“; Straßenverkehrstechnik 3 / 2018 + Straße und Autobahn 3 / 2018
[8]  Wille, J.: Umsteuern in der Verkehrspolitik? Nicht mit Andreas Scheuer; Frankfurter Rundschau, 27.03.2019