Technologie

Uni Rostock startet Messkampagne mit klimaneutralem Wasserstoff

Uni Rostock: Motorenforscher starten Messkampagne mit klimaneutralem Wasserstoff
Mitarbeitende des Lehrstuhls für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren der Universität Rostock sowie von den Firmen APEX und der FVTR GmbH
Bild: Julia Tetzke

[Universität Rostock] – „Wasserstoff und daraus erzeugte synthetische Kraftstoffe werden ein zentraler Baustein der maritimen Energiewende sein“, davon ist Professor Bert Buchholz von der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik der Uni Rostock fest überzeugt.

Am Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren (LKV) wurde gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Technische Thermodynamik (LTT) von Prof. Karsten Müller und dem Verbundprojektpartner FVTR GmbH, eine Ausgründung der Uni Rostock, eine flexible Wasserstoff-Infrastruktur aufgebaut. Vier der zehn Motorenprüfstände werden inzwischen mit Wasserstoff betrieben. An weiteren Prüfständen wird für den Einsatz weiterer klimaneutraler Energieträger für die Schifffahrt geforscht. Neben dem synthetischen Flüssigerdgas LNG und auf Abfallbiomasse basierenden Kraftstoffen stehen dabei auch Methanol und Ammoniak im Fokus. Klassische Schiffskraftstoffe wie Marinediesel spielen in der Forschung kaum noch eine Rolle.

In den nächsten Tagen startet am Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungs­motoren eine groß angelegte und von der Industrie begleitete Messkampagne. „Wir untersuchen Wasserstoffzumischungen an Dual-Fuel-Motoren für Schiffsantriebe. Dabei wird im Gasbetrieb ein Teil des fossilen Erdgases durch klimaneutralen Wasserstoff ersetzt“, erläutert Doktorand Karsten Schleef. Für diese Aktion wird von der Firma APEX Group aus Laage „eine große Ladung Wasserstoff“, wie Karsten Schleef es nennt, in einem speziellen Wasserstofftrailer angeliefert. Den brauchen die Wissenschaftler, um die Brennverfahren der Zukunft zu erforschen und so die Schiffsmotoren klimaneutral betreiben zu können.

Bislang haben die Rostocker Motorenforscher konventionell hergestellten Wasserstoff aus Flaschenbündeln genutzt, die überregional angeliefert werden mussten. Der Vorteil für die Forschung mit Wasserstoff von APEX: der regional erzeugte grüne Wasserstoff – mit kurzen Transportwegen und einer Wertschöpfung in der Region – verringert nun bereits bei der Forschung Treibhausgas­emissionen.

Wasserstoff – ein attraktiver Energieträger
In der Kampagne soll herausgefunden werden, wie das Emissions­­verhalten bei großen Marine­motoren durch eine Wasserstoff­­beimischung beeinflusst wird. „Kleinere Motoren für Binnenschiffe und Hafenverkehre können aufgrund der geringeren Verbräuche schon bald mit reinem Wasserstoff betrieben und damit vollständig klimaneutral werden“, sagt Schleef. In den aktuellen Forschungsprojekten haben die Motorenforscher zusätzlich die Wechselwirkungen des Wasserstoffs mit Werkstoffen, Filtermaterialien und Schmierölen im Blick.

Bei der FVTR GmbH konnten in der Vergangenheit bereits umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Wasserstoff­motoren­forschung gesammelt werden: Bereits seit 2021 werden an einem Forschungsmotor unterschiedliche Brennverfahren mit Wasserstoff für den Nutzfahrzeugbereich erprobt. „Wasserstoff ist ein attraktiver Energieträger, weil er regenerativ hergestellt werden kann und das Potenzial hat, die Verkehrswende entscheidend voranzutreiben“, erklärt Martin Drescher, Geschäftsführer der FVTR GmbH. „Mit grünem Wasserstoff gehen wir nun den nächsten wichtigen Schritt in Richtung CO2-freie Mobilität.“

In der Region Rostock gibt es inzwischen ein starkes Forschungsumfeld für Wasserstoff­anwendungen, an dem auch Professor Wilko Flügge vom Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP mit dem Anwendungszentrum Wasserstoff beteiligt ist. So entsteht an insgesamt drei Standorten die Wasserstoff­forschungsfabrik MV, wobei sich das Fraunhofer IGP um die Erforschung und Nutzung grüner Energieträger für die maritime Industrie kümmern wird.

Denn anspruchsvolle Ziele für eine klimaneutrale Schifffahrt stellen die Branche enorm unter Druck. Für große Handelsschiffe gilt seit diesem Jahr der sogenannte Carbon Intensity Indicator: Für jedes Schiff werden die CO2-Emissionen erfasst, auf die transportierten Mengen bezogen und bewertet. Bis 2030 wird der Bezugswert für eine positive Bewertung schrittweise um vierzig Prozent reduziert, wodurch auch bestehende Schiffe zur Treibhausgasreduzierung gezwungen werden.

Uni Rostock: Motorenforscher starten Messkampagne mit klimaneutralem Wasserstoff

Der wissenschaftliche Mitarbeiter Manuel Glauner forscht am Einzylinder-Industriemotor, um Baumaschinen und Hafen- und Verteilerverkehre mit Wasserstoffantrieb zukünftig klimaneutral zu machen.
Bild: Julia Tetzke

Der Weg zum klimaneutralen Schiffsantrieb
Mit den Forschungsarbeiten an der Uni Rostock und der FVTR GmbH sollen die Grundlagen geschaffen werden, um zukünftige Emissions- und Klimaziele in der internationalen Schifffahrt zu erfüllen. Professor Bert Buchholz, der an dem in Warnemünde entstehenden Anwendungszentrum Wasserstoff wissenschaftlich beteiligt ist, formuliert die Aufgabe für das aktuelle Projekt so: „Methan ist in Form von LNG heute der sauberste Schiffskraftstoff. Die bei der Nutzung des fossilen LNG entstehenden Treibhaus­gas­emissionen müssen aber schnell und deutlich gesenkt werden, um mit synthetischem Methan und Wasserstoffzumischungen eine Brücke zum klimaneutralen Schiffsantrieb zu bauen.“

Doktorand Karsten Schleef ergänzt: „Wir wollen in den kommenden Monaten zwei neue Motorkonzepte erforschen, die Großmotoren für Kreuzfahrtschiffe und Fähren deutlich klimafreundlicher machen könnten.“ Bei diesen Verfahren werde das Brenngas direkt in den Zylinder eingedüst, wie es in der Fachsprache heißt. Das biete nicht nur Vorteile bei der steigenden Zumischung von Wasserstoff, sondern auch hinsichtlich der Treibhausgasemissionen und Wirkungsgrade. (Text: Wolfgang Thiel)