Fragen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Lang-LKW an Ingo Hodea, Leiter Stückgut- und Systemlogistik | Straßenverkehrsrecht beim DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V. in Berlin
Welche Vorteile hat der Lang-LKW für die Logistik?
Ökologische und ökonomische Vorteile gleichermaßen. Mit 40 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht ist er nicht schwerer als ein konventioneller Gliederzug, bietet mit einer maximalen Gesamtlänge von 25,25 Metern jedoch ein um bis zu 50 Prozent größeres Ladevolumen. Da zwei Lang-LKW drei reguläre Lastzüge ersetzen können, würde sein konsequenter Einsatz die Anzahl der Touren zwischen den Logistikknotenpunkten von Industrie, Handel und Speditionen deutlich reduzieren. Auch die Umwelt profitiert. Denn neben der Verkehrsdichte sinken gleichzeitig die vom Verkehr ausgehenden Umweltbelastungen wie CO2- und Schadstoffemissionen um bis zu 25 Prozent. Der Lang-LKW ist hochgradig effizient und mit reichlich Sicherheitstechnik ausgestattet. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass Deutschland mit Tschechien und den Niederlanden derzeit auch über die Zulassung der modularen Lang-LKW-Einheiten im grenzüberschreitenden Verkehr verhandelt.
Führt der zunehmende Einsatz des Lang-LKW zur Güterverlagerung auf die Straße?
Eindeutig nein. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat in einem Gutachten nachgewiesen, dass der Lang-LKW keine Bedrohung für die Schiene ist. Er steht eigentlich gar nicht im Wettbewerb zur Bahn, sondern vor allem im intramodalen Wettbewerb zu konventionellen LKW-Einheiten. Dies liegt vor allem an der Güterstruktur, auf die er zielt – also kleinteilige oder Volumen-Güter. Deshalb sind die längeren LKW-Einheiten grundsätzlich auch für die klassischen Sammelgut- oder Teilladungspartien in Systemverkehren auf mittleren Destinationen zwischen zwei Logistikstandorten oder -Hubs mit regionalen Verteilzentren prädestiniert. Der Lang-LKW könnte sogar die Konnektivität beider Verkehrsträger stärken, indem er verstärkt im Vor- und Nachlauf zu den Umschlagsanlagen des Kombinierten Verkehrs eingesetzt wird.
Warum sind dann nicht mehr Lang-LKW in der Stückgutlogistik im Einsatz?
Jährlich werden in Deutschland insgesamt 37,4 Mio. Tonnen als Stückgutsendungen transportiert. Die Sendungen, deren Einzelgewicht von 30 kg bis 2,5 Tonnen variiert, werden natürlich nicht einzeln transportiert, sondern zu Sammelguttransporten zusammengefasst. Auch dies hat gleichzeitig Wirtschaftlichkeits- und Umweltvorteile. Diese Einzelsendungen haben verschiedene Versender und Empfänger aus unterschiedlichen Branchen, darunter Chemiehandelsunternehmen, Werkstätten oder Baumärkte. Unter den Gütern sind deshalb immer wieder Handelswaren oder Vorprodukte wie Lacke, Farben, Desinfektions- oder Pflanzenschutzmittel, die als Gefahrgut gekennzeichnet sind.
Beförderungsverbot selbst für kleinere Mengen gefährlicher Güter
Für Lang-LKW gilt allerdings ein generelles Beförderungsverbot selbst für kleinere Mengen gefährlicher Güter, obwohl diese stets sicher verpackt sein müssen. Während der Transport von Gefahrgütern in UN-geprüften Gebinden und Verpackungen in konventionellen Sattel- und Gliederzügen gemäß internationaler Vorschriften (ADR) in unbegrenzten Mengen sicherheitstechnisch völlig unbedenklich ist, verbietet die geltende Rechtslage deren Transport in Lang-LKW. Der Einsatz der langen Einheiten in Sammelgut-Systemnetzen fällt damit aus. Sicherheitstechnisch ist das nicht nachvollziehbar, denn das zulässige Gesamtgewicht beider Fahrzeugarten überschreitet 40 Tonnen nicht. Das Beförderungsverbot für kennzeichnungspflichtige Gefahrgutmengen muss dringend gelockert und auf die Beförderung in Tanks und in loser Schüttung begrenzt werden, da ansonsten das Potential des Lang-LKW verpuffen würde.
Wie verhält es sich mit dem sogenannten ‚Lang-Sattel‘?
Es gibt fünf Lang-LKW-Typen, vier davon sind Gliederzüge, also modulare Einheiten. Beim ‚Typ 1‘ handelt es sich um eine Kombination aus Zugmaschine und einen lediglich um 1,38 m verlängerten Sattelauflieger, insgesamt also 17,88 m. Seine Anschaffung kostet nur unwesentlich mehr, dafür entspricht der zusätzliche Laderaumgewinn zwei Palettenstellplätzen. In den Depotverkehren der Stückgutlogistik ist der ‚Lang-Sattel‘ aufgrund seiner einfacheren Manövrierbarkeit sehr beliebt. Sein Einsatz ist leider auf Deutschland begrenzt, denn auf EU-Ebene gibt es für ihn keine zulassungsrechtliche Grundlage. Darum läuft der ‚Lang-Sattel‘ derzeit nur als Prototyp eines neuen Nutzfahrzeugkonzepts, für den eine Testphase bis Ende 2023 befristet wurde. Da sich das ‚Typ 1‘-Konzept vor allem im Teilladungsverkehr bewährt hat, sollte der Testlauf unbedingt bis 2030 verlängert werden. Am besten wäre natürlich der Regelbetrieb.
Wie kann der Einsatz von Lang-LKW entbürokratisiert werden?
Lang-LKW dürfen längst nicht jede Straße befahren. Insbesondere innerstädtische Routen sind für ihn gesperrt. Die freigegebenen Strecken sind auf Positivlisten als Anlage zur Lang-LKW-Ausnahmeverordnung (LKWÜberlStVAusnV) vermerkt. Hiervon ist sein Einsatz für ausgewählte Logistikstandorte abhängig. Fehlen Streckenteile auf einer bestimmten Relation über mehrere Bundesländer hinweg, muss die Aufnahme in die Positivliste heute bei allen zuständigen Landesverkehrsministerien beantragt werden. Wesentlich praktikabler wäre eine Bundeszentralstelle für die Beantragung, Prüfung und Genehmigung sämtlicher neuer Streckenabschnitte in Deutschland. Hierfür würde sich vor allem die neu gegründete Autobahn GmbH des Bundes anbieten.