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Bionic Learning Network: Teilautonom fliegen, laufen und rollen

Bionic Learning Network
BionicFlyingFox: Teilautonomes Fliegen mit Motion-Tracking-System. ©_Festo

Im Bionic Learning Network entwirft Festo, eine Unternehmensgruppe der Steuerungs- und Automatisierungstechnik, seit Jahren im Verbund mit Hochschulen, Instituten und Entwicklerfirmen Forschungsträger, deren technische Grundprinzipien aus der Natur abgeleitet sind.

BionicFlyingFox: Teilautonomes Fliegen mit Motion-Tracking-System

Für den BionicFlyingFox haben die Entwickler den Flughund (englisch: flying fox) unter die Lupe genommen. Er zählt zur Ordnung der Fledertiere – die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können. Ein besonderes Kennzeichen ist seine feine und elastische Flughaut, die sich von den verlängerten Mittelhand- und Fingerknochen bis zu den Fußgelenken erstreckt. Beim Fliegen steuern die Tiere mit ihren Fingern gezielt die Wölbung der Flugmembran und können sich so aerodynamisch und wendig durch die Luft bewegen. Dadurch erzielen sie einen maximalen Auftrieb, auch bei langsamen Flugmanövern.

Bei einer Spannweite von 228 cm und einer Körperlänge von 87 cm wiegt der künstliche Flughund lediglich 580 g. Seine Flügelkinematik ist wie beim natürlichen Flughund ebenfalls in Arm- und Handschwinge gegliedert und mit einer elastischen Haut bespannt, die sich von den Flügeln bis zu den Füßen fortsetzt. Dadurch ist seine Flügelfläche vergleichsweise groß und erlaubt eine geringe Flächenbelastung. Wie beim biologischen Vorbild liegen alle Gelenkpunkte auf einer Ebene, sodass der BionicFlyingFox seine Flügel einzeln ansteuern und zusammenfalten kann.

Die Flughaut des Modells ist hauchdünn, ultraleicht und gleichzeitig robust. Sie besteht aus zwei luftdichten Folien und einem Elastan-Gestrick, die an circa 45.000 Punkten miteinander verschweißt sind. Aufgrund ihrer Elastizität bleibt sie auch beim Einziehen der Schwingen nahezu faltenfrei. Die Wabenstruktur des Gestricks verhindert, dass kleine Risse in der Flughaut sich weiter vergrößern. Damit kann der BionicFlyingFox selbst bei leichten Beschädigungen des Gewebes weiterfliegen.

Teilautonomes Fliegen im abgesteckten Raum

Damit der BionicFlyingFox sich in einem definierten Luftraum teilautonom bewegen kann, kommuniziert er mit einem so genannten Motion-Tracking-System. Die Installation erfasst permanent seine Position. Gleichzeitig plant das System die Flugbahnen und liefert die dazu nötigen Steuerbefehle. Start und Landung führt der Mensch manuell aus. Im Flug übernimmt ein Autopilot.
Wichtiger Bestandteil des Motion-Tracking-Systems sind zwei Infrarotkameras, die auf einer Schwenk-Neige-Einheit (engl. pan-tilt unit) sitzen. Dadurch lassen sie sich so drehen und kippen, dass sie den gesamten Flug des BionicFlyingFox vom Boden aus verfolgen können. Die Kameras erkennen den Flughund dabei anhand von vier aktiven Infrarotmarkern, die an den Beinen und den Flügelspitzen angebracht sind.

Die Bilder der Kameras gehen an einen zentralen Leitrechner. Er wertet die Daten aus und koordiniert den Flug wie ein Fluglotse von außen. Dazu liegen auf dem Rechner vorprogrammierte Pfade, die dem BionicFlyingFox bei seinen Manövern die Flugbahn vorgeben. Die nötigen Flügelbewegungen, um die Sollbahnen optimal umzusetzen, berechnet der künstliche Flughund mithilfe seiner On-Board-Elektronik und komplexer Verhaltensmuster selbst.

Die dafür notwendigen Regelalgorithmen erhält der Flughund vom Leitrechner, wo sie maschinell erlernt und permanent verbessert werden. Dadurch kann der BionicFlyingFox sein Verhalten während der Flüge optimieren und so die vorgegebenen Bahnen von Runde zu Runde präziser nachfliegen. Die Steuerung erfolgt dabei über die Bewegung der Beine und der damit veränderbaren Flügelfläche. (Link zum VIDEO – längere Ladezeit!)

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BionicWheelBot: Einzigartige Bewegungsformen nach dem Vorbild der Radlerspinne. ©_Festo

BionicWheelBot: Laufen und Rollen wie die Radlerspinne

Neue Antriebskonzepte und verblüffende Bewegungsformen spielen seit jeher eine wichtige Rolle im Bionic Learning Network. Mit dem BionicWheelBot ist dabei ein Laufroboter mit ganz speziellen Eigenschaften entstanden, der von der Radlerspinne inspiriert ist. Die Radlerspinne (Cebrennus rechenbergi) lebt in der Wüste Erg Chebbi am Rande der Sahara. Dort hat sie Prof. Ingo Rechenberg, Bionik-Professor an der TU Berlin, im Jahr 2008 entdeckt. Die Radlerspinne kann wie andere Spinnen laufen. Sie kann sich aber auch mit einem kombinierten Ablauf aus Flug- und Bodenrolle fortbewegen.

Damit passt sie sich optimal an ihre Umgebung an: Auf ebenem Untergrund ist sie im so genannten Rollmodus doppelt so schnell wie beim Laufen. Wo es uneben ist, sind dagegen einzelne Schritte von Vorteil. So kann sie sich in der Wüste – wo beide Geländeformen zu finden sind – sicher und effizient bewegen.

Seit er die Spinne entdeckt hat, befasst sich Prof. Rechenberg mit dem technischen Übertrag ihrer Bewegungsmuster. Die Studien zum Verhalten der Spinne führten zur Konstruktion verschiedener Roboter, die sich auf schwierigem Gelände fortbewegen können. Für den BionicWheelBot hat der Berliner Wissenschaftler die Kinematik und das Antriebskonzept nun gemeinsam mit dem Bionic-Team von Festo weiterentwickelt.

Transformation beim Wechsel vom Lauf- in den Rollmodus

Um ins Rollen zu kommen, formt der BionicWheelBot links und rechts von seinem Körper jeweils drei Beine zu einem Rad. Zwei beim Laufen eingeklappten Beine fahren nun aus, stoßen die zusammengekugelte Spinne vom Boden ab und schieben sie während des Rollens permanent an. So verhindern sie, dass der BionicWheelBot stecken bleibt und sorgen dafür, dass er sich auch in unwegsamem Gelände fortbewegen kann. Im Rollmodus ist die künstliche Spinne – wie ihr natürliches Vorbild – wesentlich schneller als beim Laufen. Dabei kann der Roboter sogar Steigungen bis zu fünf Prozent bergauf bewältigen. (Link zum VIDEO – längere Ladezeit!)


Weitere Informationen zum Bionic Learning Network:
Webseite und Info-Papier BionicFlyingFox
Webseite und Info-Papier BionicWheelBot


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