Infrastruktur

Analyse internationaler Bevölkerungsschutz-Apps

smarter Bevölkerungsschutz-App
Foto: TU Darmstadt

Ergebnisse einer Längsschnittstudie (März 2016 und Februar 2017)

Sind im Krisen- und Katastrophenfall spezielle Bevölkerungsschutz-Apps sinnvoll? Mehr als die Hälfte der in Deutschland lebenden Personen beiderlei Geschlechts besitzt inzwischen ein Smartphone, von denen 52 % an das Internet angeschlossen sind. Unter Jugendlichen (13-19 Jahre) besteht sogar nahezu Vollversorgung. In allen anderen Altersklassen zeigt sich eine steigende Tendenz zur Smartphone-Nutzung. Am häufigsten wird das Smartphone zur sozialen Kommunikation (Austausch über soziale Netzwerke, Interaktion mit Angehörigen und Freunden) genutzt, gefolgt von der Recherche mittels bzw. Nutzung von Suchmaschinen.

Angesichts dieser Entwicklung ist es naheliegend, Smartphones auch als Instrumente in die Bewältigung von Krisen und Katastrophen einzubeziehen. Entsprechend wurden in den letzten Jahren zahlreiche Apps für Smartphones entwickelt, die die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), nichtstaatliche Akteure der Krisenbewältigung bei ihrer Risiko- und Krisenkommunikation und/oder die Bevölkerung in der persönlichen Notfallvorsorge und zur Stärkung ihrer Selbsthilfekompetenzen unterstützen sollen.

Im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojektes „smarter“, das die Möglichkeiten des Aufbaus einer dezentralen ad-hoc-Kommunikationsinfrastruktur bei Ausfall von Mobilfunknetzen erforscht und dabei auch basale Notfallfunktionen per App entwickelt und evaluiert, wurde eine Analyse mit zwei Messzeitpunkten (März 2016 und Februar 2017) international am Markt befindlicher Bevölkerungsschutz-Apps vorgenommen. Die die Analyse anleitenden Fragestellungen waren unter anderem:

  • Wer sind die Anbieter der Apps?
  • Für welche Szenarien sind die Apps gestaltet?
  • Welche Funktionen sind in den verfügbaren Apps implementiert?
  • Welche Funktionen treten in welchen Kombinationen miteinander auf?
  • Wie verändern sich die Funktionsumfänge der Apps über die Dauer von zwei Jahren?
  • Welche Erfahrungen wurden mit der Nutzung von Bevölkerungsschutz-Apps in Übungen und Reallagen gewonnen?
Kernaussagen für smarter-Bevölkerungsschutz-App

Die sich aus der Analyse ergebenden Konsequenzen bzw. relevanten Kernaussagen für das Projekt smarter sollen im Folgenden stichpunktartig aufgeführt werden:

Mit Blick auf die Analyse zeigt sich, dass die Mehrzahl der untersuchten Apps multiszenarisch aufgebaut ist, jedoch für die Auswahl der Szenarien regions- oder landesspezifische Schadenslagen berücksichtigt werden. Eine für Deutschland angepasste App würde die Bevölkerung somit z.B. vor Bränden, Stürmen, Starkregen, Fluten oder extremen Winterwetterereignissen warnen. Ein Vorteil multiszenarischer Apps liegt in der Installation nur einer App für verschiedenste Warnmeldungen, womit für den Nutzer umgangen werden kann, dass er für jedes potentielle Szenario eine App installieren muss. Gleichzeitig sollte ein System die Flexibilität besitzen, auch kurzfristig unvorhergesehene Krisen- oder Katastrophenereignisse einbinden zu können.

Aus den oben genannten Bedürfnissen lässt sich nur eingeschränkt auf die Erwartungen der Nutzer an den Funktionsumfang einer App schließen, denn es gilt aufgrund sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse zu berücksichtigen, dass sich Bedürfnisse und Bedarfe Betroffener lageabhängig verändern. Hinzu kommt, dass Anbieter derartiger Apps überwiegend Behörden sind und daher ggf. abweichende, aus der Gefahrenabwehr stammende Annahmen zu den Nutzerbedarfen besitzen.

Eine App sollte mindestens die Grundbedürfnisse nach Information und Kommunikation befriedigen. Das heißt, dass ein Nutzer mindestens in der Lage sein sollte, aktuelle und gesicherte Informationen (ggf. integriert in Kartensysteme; bestenfalls aus vertrauenswürdigen offiziellen Quellen) zu erhalten und diese über Kurznachrichtendienste oder Soziale Medien weiter verbreiten zu können.

Weiterhin empfiehlt es sich auf der Grundlage sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse zu ersten Reaktionen und Bedarfen Betroffener im Krisen- und Katastrophenfall eine Funktion wie das Versenden einer „I’m safe Notification“ in eine App zu integrieren, da sie das Bedürfnis nach Kenntnis des Status von Freunden und Verwandten befriedigt.

Ferner sind Funktionen zur Notfallvorbereitung via Checklisten oder mit Verhaltenshinweisen als Quasi-Standard anzusehen. Damit werden nicht nur Handlungsalternativen aufgezeigt, sondern auch die Selbsthilfekompetenz gesteigert. Die Herausforderung liegt jedoch darin, sowohl die Aufmerksamkeit der Nutzer auf diese Informationen zu lenken, als auch diese zielgruppengerecht aufzubereiten.


– Die komplette Studie ist als PDF-Download verfügbar
Erfolgreicher Feldversuch: Das Smartphone als Lebensretter