[Uni Bayreuth] – Die Effizienz und Zuverlässigkeit von Elektrolyseanlagen zu steigern, ist das Ziel eines neuen internationalen Verbundprojekts am Zentrum für Energietechnik (ZET) der Universität Bayreuth. Gemeinsam mit einem deutschen Industriepartner und vier kanadischen Partnern aus Industrie und Wissenschaft werden neuartige Modelle sowie Hard- und Softwareanwendungen zur Kostensenkung bei der Produktion von grünem Wasserstoff entwickelt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben für drei Jahre, die Universität Bayreuth erhält insgesamt rund 250.000 Euro.
Grüner Wasserstoff hat in zukünftigen Energiesystemen eine Schlüsselfunktion bei der Dekarbonisierung und der Kopplung aller Sektoren. Die Europäische Union hat sich daher das Ziel gesetzt, bis 2030 in den eigenen Mitgliedsländern zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren und weitere zehn Millionen Tonnen zu importieren. Dies kann nur gelingen, wenn dafür effiziente, zuverlässige und wettbewerbsfähige Technologien zur Verfügung stehen.
Besonders geeignet zur Produktion von grünem Wasserstoff im großen Maßstab sind Elektrolyseanlagen, deren Funktionsweise auf der Protonen-Austausch-Membran (PEM) basiert. Diese PEM-Elektrolyseanlagen werden bereits im Megawatt-Maßstab kommerziell eingesetzt. Sie bieten schnelle Reaktionszeiten und können sehr flexibel betrieben werden. Dadurch kann die stark fluktuierende Stromerzeugung aus nachhaltigen Energiequellen wie Sonne oder Wind direkt mit PEM-Elektrolyseanlagen gekoppelt werden. Diese große Dynamik kann jedoch dazu führen, dass die zu Stacks zusammengefassten Elektrolysezellen vorzeitig altern. Infolgedessen verringern sich auch die Lebensdauer und die Leistung der Anlage insgesamt. Bisher ist es nicht möglich, diese Prozesse im industriellen Maßstab abhängig von der Betriebsweise vorherzusagen: Die an der Elektrolyse beteiligten Vorgänge sind komplex und die Langzeit-Betriebserfahrungen gering.
Genau hier setzt das vom BMBF geförderte deutsch-kanadischen Verbundprojekt „Modellentwicklung zur Steigerung der Effizienz von Elektrolyseanlagen“ (kurz: „Hyer“) an. Gemeinsam wollen die Forschungspartner ein digitales techno-ökonomisches Modell einer PEM-Elektrolyseanlage entwickeln, die mit erneuerbaren Energiesystemen gekoppelt ist und sich durch eine dynamische Betriebsweise auszeichnet. In Verbindung mit Hard- und Softwareanwendungen wird dieses Modell es ermöglichen, Alterungsvorgänge und die Verringerung der Leistungsfähigkeit mit hoher Genauigkeit vorherzusagen. Dadurch können Betriebsstrategien unter Berücksichtigung der Lebensdauer optimiert werden. Das angestrebte Modell wird dazu auch den digitalen Zwilling eines Stacks umfassen, der die nachteiligen Folgen einer dynamischen Betriebsweise für die Elektrolysezellen präzise abbildet.
An der Entwicklung des digitalen Zwillings werden Forschende des Institute for Integrated Energy Systems an der University of Victoria und des National Research Council Canada (NRC) mit Methoden der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens arbeiten. Die zur Modellierung notwendigen experimentellen Daten werden vom Hydrogen Research Institute der Université du Québec à Trois-Rivières bereitgestellt, das in Zusammenarbeit mit dem NRC neuartige Stacks herstellt, analysiert und charakterisiert. Diese Stacks werden in einem speziell für das Projekt „Hyer“ entwickelten Prüfstand bei der Segula Technologies GmbH in Rüsselsheim getestet und beschleunigt gealtert. Für die elektrochemische Charakterisierung der Stacks wird das in Toronto ansässige Start-up Pulsenics Inc. die erforderlichen technischen Lösungen liefern.
Unter der der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Dieter Brüggemann, Direktor des ZET, übernimmt das Team der Universität Bayreuth die techno-ökonomische Simulation und Optimierung der PEM-Elektrolyseanlage. „Unser Ziel ist es, einen guten Kompromiss zwischen einer langen Lebensdauer und einer hohen Flexibilität der Elektrolyseanlage zu finden. Von dem Modell werden beispielsweise auch Projektentwickler und Anlagenbetreiber profitieren, da es durch datengestützte Regelungs- und Betriebsstrategien einen vorhersehbaren kostenoptimierten Anlagenbetrieb ermöglicht“ sagt Brüggemann und betont die starke internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit im neuen Verbundprojekt: „Die langjährige deutsch-kanadische Partnerschaft in Wissenschaft, Technologie und Innovation hat mit der aktuellen Energiekrise noch mehr an Bedeutung gewonnen. Beide Länder ergänzen sich optimal in ihren Zielsetzungen, den Klimawandel zu begrenzen, was nicht zuletzt an der Gründung der deutsch-kanadischen Wasserstoffallianz sichtbar wird. Im Projekt bringen die Partner ihre Expertisen auf verschiedensten Fachgebieten ein – von der Materialforschung bis hin zur Simulation von Energiesystemen mit neuesten Methoden. Dadurch können Lösungen entwickelt werden, die ohne diesen Austausch nicht möglich wären.“
Matthias Welzl, der als Koordinator für Wasserstoffforschung und -technologien das Projekt am ZET wesentlich vorbereitet hat, übernimmt die Koordination der deutschen Projektpartner. Er ergänzt: „Seit über einem Jahr arbeiten wir gemeinsam intensiv an der Ausgestaltung des Projekts. Dabei entwickelte sich insbesondere mit den beiden Projektverantwortlichen unserer Industriepartner, Mariam Awara und Dr. Ing. Stephan Wagner, ein enger Kontakt.“
Mariam Awara ist COO und Mitgründerin des kanadischen Start-up Pulsenics Inc., dessen elektrochemisches Monitoring- und Regelungssystem Grundlage für die Umsetzung des Projekts ist. Für die erfolgreiche Gründung von Pulsenics Inc. wurde sie 2022 in der Kategorie „Manufacturing & Industry“ auf der „Forbes 30 Under 30“-Liste ausgezeichnet. Stephan Wagner wird als Projektingenieur und Experte für Wasserstofftechnologien die Arbeiten bei der Segula Technologies GmbH leiten. Welzl beschreibt die weiteren Planungen: „Demnächst werden wir nach Kanada reisen, um auch die anderen Partner persönlich kennenzulernen und die Projektarbeit mit einem Kickoff-Workshop offiziell zu starten.“