Mobilität: Wissenschaft

Tirol: Mit gezielter Datenerhebung und -analyse den ÖV verbessern

Tirol: Mit gezielter Datenerhebung und -analyse den ÖV verbessern
Im Projekt sollen fahrzeug- und sogar verkehrs­unter­nehmens­über­greifende Fahr­gast­ströme erfasst werden. Quelle: VVT

[Fraunhofer Austria] – In einem soeben gestarteten Forschungs­projekt unter der Leitung von Fraunhofer Austria werden in den nächsten zwei Jahren in Tirol Methoden zur Ermittlung von Fahr­gast­strömen erprobt.

Soll die Mobilitätswende gelingen und will man das Klima schützen, so muss ein exzellentes Angebot an öffent­lichem Personen­nah­verkehr (ÖPNV) zur Verfügung stehen, das ideal an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst ist. Wie aber lässt sich der Bedarf an Mobilität messen, in Zahlen fassen und in optimierte Fahrpläne und Linien­führungen über­tragen? Das sind die Fragen, die im soeben gestarte­ten For­schungs­projekt „Nach­hal­tig­keit durch öffentlichen Verkehr: Vermeiden, verlagern, verbessern“, kurz: „Övvvi“, geklärt werden sollen. In dem von der Forschungs­för­derungs­gesell­schaft FFG geförderten Projekt arbeiten Fraunhofer Austria und TU Graz als wissen­schaft­liche Partner, Verkehrs­verbund Tirol und Ötztaler Verkehrs­gesell­schaft als potenzielle Anwender, sowie Invenium, SonoBeacon und Tech Meets Legal mit ihrer technischen Expertise eng zusammen.

Aktuelle Angebote im öffent­lichen Verkehr basieren vieler­orts auf veralteten Anfor­derungs­analysen und werden den heutigen Mobili­täts­bedürf­nissen nicht mehr gerecht. Dadurch verfügt der ÖPNV – zumindest abseits von Innen­städten – über eine niedrige Akzeptanz, was sich in einem hohen Aufkommen des motori­sierten Indivi­dual­verkehrs wider­spiegelt. Nur wenn die öffent­lichen Verkehrs­mittel als attrak­tive Alter­native zum eigenen Auto wahr­genommen werden, können sie sich als umwelt­ver­träg­liches Verkehrs­system der Zukunft etablieren. Um das ÖPNV-Angebot optimal auf die Bedürfnisse der Bevölkerung abstimmen zu können, müssen sowohl die Nutzung der bestehenden öffent­lichen Verkehrs­mittel als auch der allge­meine Mobilitäts­bedarf, der derzeit noch nicht von diesen abgedeckt wird, ermittelt werden. Die dadurch bereit­gestellte Datenbasis muss genau und aktuell genug sein, um den ÖPNV nachhaltig und bedarfs­orientiert zu gestalten.

„Die besondere Herausforderung in unserem Projekt besteht darin, dass wir nicht einfach die Anzahl von Fahrgästen in einzelnen Bussen, sondern fahrzeug- und sogar verkehrs­unter­nehmens­über­greifende Fahrgast­ströme erfassen wollen“, erklärt Projektleiter Michael Rader von Fraunhofer Austria. Konkret bedeutet das: Um festzustellen, ob Personen derzeit einen großen Umweg oder lange Wartezeiten beim Umsteigen in Kauf nehmen müssen, um mit dem ÖPNV an ihr Ziel zu gelangen, müssen Fahrgäste nach dem Umsteigen wiedererkannt werden – eine Tatsache, die auch daten­schutz­recht­liche Aus­wirkungen hat, die vom Projekt­konsortium mit großer Sorgfalt berück­sichtigt werden. Daten müssen in abstrakte Informationen, sogenannte Identifi­katoren, umgewandelt werden, damit der Schutz der Persön­lich­keits­rechte der Fahrgäste sicher­gestellt ist. „Mit der Erhebung von Fahrgast­strömen nicht nur im Fahrzeug, sondern über dieses hinweg, können wir als Verkehrs­verbund noch kunden­orientier­ter planen. Besonders spannend bei diesem Projekt ist die Kombination unter­schied­licher Technologien unter Einhaltung des Datenschutzes“, sagt Matthias Triendl, Bereichs­leiter Digitali­sierung beim Verkehrs­verbund Tirol.

Als Basis zur Fahrgaststrom­erfassung infrage kommende Techno­logien, die im Rahmen des Projekts hinsichtlich ihrer Eignung untersucht werden, sind Kamera­systeme, WiFi und Mobilfunk. „Der Mobilfunk spielt hier eine besondere Rolle, denn er bietet als einzige der drei Technologien die Möglichkeit, Personen­ströme auch außerhalb der öffent­lichen Verkehrs­mittel zu erfassen, sodass wir Angebot und Nachfrage aufeinander abstimmen können“, erklärt Michael Cik, Gründer von Invenium sowie stell­vertretender Instituts­leiter an der TU Graz.

Um vorhandene Expertise möglichst umfassend für das Projekt nutzen zu können, wurde mit SonoBeacon auch ein deutscher Partner mit ins Boot geholt, der sich auf die Erfassung von Fahrgast­strömen speziali­siert hat. „Wir können mit WiFi schon heute Fahrgast­ströme recht zuverlässig erfassen, sehen für die Verbesserung des ÖPNV aber großes Potenzial in der Kombi­nation von Wifi mit anderen Technologien“, so Thoralf Nehls, Geschäfts­führer von SonoBeacon. So soll der erste wichtige Schritt zur Attrakti­vierung des ÖPNV bewältigt werden. In weiterer Folge sollen die im Projekt erhobenen Daten ausgewertet und mit zusätzlichen Infor­mationen verknüpft werden, sodass konkrete Handlungs­empfehlungen zur ÖPNV-Optimierung abgeleitet werden können.

„Wir sind bei der Ötztaler Verkehrs­gesell­schaft stetig darum bemüht, unser Angebot für die Tirolerinnen und Tiroler sowie unsere Gäste noch weiter zu verbessern. Im Projekt Övvvi wollen wir gemeinsam mit den Projekt­partnern Mittel und Wege finden, die es ermög­lichen, den Bedarf der Bevölkerung genau und schnell zu erheben, sodass wir ent­sprech­end darauf reagieren können. Darüber hinaus wird durch ein Aufzeichnen der Fahrgast­ströme auch die Auslastung der bestehen­den Bus­ver­bindungen für die uns beauf­tragen­den Gemeinden sichtbar, sodass sie fundierte Entscheidungen über einen weiteren Ausbau treffen können“, so Franz Sailer, Geschäftsführer der Ötztaler Verkehrs­gesellschaft.

Das Projekt in Tirol fügt sich in den strategischen Fraunhofer Austria-Forschungs­schwer­punkt „Shared Logistics“ ein, welcher sich mit der geteilten Nutzung von Ressourcen befasst.