Mobilität: Wissenschaft

Hybridelektrisches Fliegen: Fraun­hofer-Betriebs­stätte in Cottbus

Hybridelektrisches Fliegen: Fraunhofer-Institute gründen neue Betriebsstätte in Cottbus
Modell eines hybridelektrischen Flugzeugs
© Rolls-Royce Deutschland

[Fraunhofer IWU] – Mehrere Fraunhofer-Institute und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg arbeiten unter Federführung von Rolls-Royce Deutschland und weiteren Partnern wie der Forschungseinrichtung ACCESS an Technologien für hybridelektrisches Fliegen. Gefördert durch das Land Brandenburg sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz forschen die Partner an einem völlig neuen Antriebssystem für Mittelstreckenflugzeuge bis 35 Passagiere.

Die Clean-Sky-Programme der Europäischen Union und darin enthaltene Clean Aviation-Perspektiven sind eine wichtige Richtschnur für die Branche, die durch den Luftverkehr verursachten Stickoxid- und Lärmemissionen deutlich zu reduzieren. Eine vielver­sprech­ende Technologie dafür ist hybridelektrisches Fliegen: Eine Gasturbine erzeugt elektrische Energie, mit der ein Zwischen­batterie­speicher geladen wird; für den Antrieb bezieht das Flugzeug seine elektrische Energie aus diesem Speicher. Größere sowie langsamer drehende Rotoren erzeugen weniger Lärm am Boden und verursachen einen deutlich kleineren Lärmteppich als Flugzeuge mit konventionellem Antrieb. Der modulare Aufbau des vorge­schlagenen Konzepts ermöglicht darüber hinaus, zukünftig auch alternative Treibstoffe oder völlig neue Stromquellen einzusetzen.

Hybridelektrisches Fliegen: Fraunhofer-Institute gründen neue Betriebsstätte in Cottbus

Beim hybrid­elek­trischen Fliegen erzeugt eine Gas­turbine elek­trische Energie, mit der ein Zwischen­batterie­speicher geladen wird. Für den Antrieb bezieht das Flug­zeug seine elek­trische Energie aus diesem Speicher.
© Rolls-Royce Deutschland

Bis Mitte 2026 wollen die Partner Fertigungs­technologien für die Herstellung von Antriebs­komponenten für hybridelektrisches Fliegen entwickeln, vorhandene Technologien qualifizieren und proto­typische Komponenten herstellen. Dabei liegt der Fokus auf einer beschleunigten Entwicklung und Bereit­stellung von Prototypen. In einem von hoher Wettbewerbsintensität geprägten Sektor sollen die Entwicklungszeiten erheblich verkürzt werden. Beispielhaft dafür steht das Vorhaben, die Durchlaufzeiten vom fertigen Design eines Funktionsprototypen bis zur Übergabe an den Auftraggeber von derzeit mehreren Monaten auf wenige Wochen zu verkürzen. In weiteren Projekten entstehen hochflexible Produk­tions­konzepte, ohne die eine effiziente Serien­fertigung nicht möglich wäre. Für Cottbus und die Lausitz eröffnen diese Projekte die Perspektive attraktiver Arbeitsplätze von der Entwicklung modernster Antriebs­systeme (nicht nur in der Luft­fahrt) bis zur industriellen Produktion.

Jedes der beteiligten Fraunhofer-Institute bringt seine spezifischen Kompe­tenzen ein, um dem Flug­zeug­bauer Lösungen für eine spätere Serien­ent­wick­lung verfügbar zu machen. Zahlreiche geplante Produk­tion­stechnolo­gien wie additive Fertigung (3D-Druck) und Umformung, wurden bisher noch nicht im Flug­zeug­bau angewandt; sie für diese Branche mit ihren besonders strengen Anfor­derungen an Qualität, Zuver­lässig­keit und Haltbarkeit zu qualifi­zieren ist eine Heraus­forderung, der sich die Institute nun stellen. Die hohe Inter­diszi­plinari­tät der For­schungs­vor­haben erfor­dert, die Kompetenzen mehrerer Institute zu nutzen und technische Frage­stellungen synerge­tisch zu diskutieren. Eine der wichtigsten Komponenten, an deren Entwicklung mehrere Institute beteiligt sind, ist die Brenn­kammer der Gasturbine.

Das Fraunhofer-Institut für Werkzeug­maschi­nen und Umform­technik IWU hat sich über viele Jahre einen Namen in der Entwicklung modernster Her­stellungs­ver­fahren und Produk­tions­systeme gemacht. Auf Seiten der Forschungs­partner übernimmt es die Koordinierung. Das Fraunhofer IWU ist insbeson­dere mit seiner Expertise in der Umform­technik sowie der Hochleis­tungs­zer­spanung und deren digitalen Prozessabbildung gefragt. Bei der Brennkammern-Gehäuse­ferti­gung bringt es sein Knowhow in der Massiv­umformung sowie der flexiblen Blech­teil­ferti­gung ein.

Weiterer Schwerpunkt ist die für einen effizienteren Betrieb bzw. höheres Drehmoment verant­wort­liche Anordnung oder Geometrie der Draht-Wicklungen (Spulen) elektrischer Antriebe. Insbesondere unter­stützt das Fraunhofer IWU die für einen erfolg­reichen Projekt­ab­schluss unab­dingbare, durch­gängige digitale Darstellung über den gesamten Entwick­lungs­zyklus bis hin zur Serien­fertigung.

Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahl­technik IWS setzt auf die laser­basierte additive Fertigung. Mittels Direct Energy Deposition (DED) wird punktuell Metall aufge­schmolzen und anschlie­ßend verschweißt; eine Düse bringt das Material nur dort auf, wo es gebraucht wird. So lassen sich Bauteile von bis zehn Metern Länge in Form und Größe frei bedrucken. Für die Her­stellung der Brenn­kammer fiel die Wahl auf das Verfahren Laser Powder Bed Fusion (PBF-LB). Dabei schmilzt ein Laser Metall­pulver Schicht für Schicht auf ein Bauteil auf. Material­sparend werden erforder­liche Kühl­löcher beim Drucken von vorne­herein ausgespart.

Ein besonders innovatives metallisches 3D-Druck­verfahren der israeli­schen Firma Tritone Techno­logies Ltd. wird am Fraun­hofer-Institut für Fertigungs­technik und Angewandte Material­forschung IFAM weiter­entwickelt: MoldJet© führt zwei Ferti­gungs­ver­fahren zusammen, die im Wechsel zur lagen­weisen Bauteil­ferti­gung arbeiten. Dabei wird in einer Lage zunächst die Form als Negativ zur Bauteil­geo­metrie aus einem wachs­artigen Polymer mit so genannten Inkjet-Druck­köpfen hergestellt. Diese gedruckte Lage Form­material wird dann über eine Schlitz­düse und eine Rakel mit Metall­pulver­paste befüllt. Durch den lagen­weisen Aufbau ist die Fertigung von komplexen Bauteilen mit Hinter­schnei­dungen oder auch innen­lie­genden Kanälen ohne Verwendung von Stütz­strukturen möglich.

Keine Gasturbine kommt ohne gegossene Bauteile wie Turbi­nen­schaufeln oder Gehäuse aus. ACCESS e.V. ist für die Entwicklung dieser Guss­kompo­nenten verantwortlich. Am 2021 gegründeten Standort in Cottbus entstehen neueste additive Verfahren zur Beschle­uni­gung der aus vielen Prozess­schritten bestehen­den Fein­guss­route. Hierdurch können zukünftig Fein­guss­teile werkzeuglos in kürzerer Zeit, mit geringeren Investi­tions­kosten und mit höherer Designfreiheit entwickelt werden.

Das Center for Hybrid Electric Systems (chesco) der Branden­burgischen Technischen Universität Cottbus-Senften­berg (BTU) übernimmt Entwick­lungs­umfänge und koordiniert zukünftig Aufträge der von Rolls-Royce Deutschland beispiels­weise an die Fraunhofer-Institute erteilten Forschungs- und Entwick­lungs­projekte. Gleich­zeitig wird chesco den Kompetenz­aufbau für eine spätere Serien­fertigung von Passagierflugzeuge für hybridelektrisches Fliegen in der branden­burgischen Lausitz sicherstellen.

Fraunhofer IWU, IFAM und IWS: neue Betriebs­stätte Cottbus
Die neue Betriebsstätte am Siemens-Halske-Ring befindet sich auf dem Campus der BTU und damit in unmittelbarer Nähe zu BTU und chesco. Auch die operative Abstimmung mit den bereits in Cottbus ansässigen Fraunhofer-Instituten profitiert von der neuen Präsenz der drei Institute in der branden­burgischen Lausitz.