Luxemburg boomt – immer mehr Menschen zieht es zum Arbeiten in das Großherzogtum. Täglich pendeln sie mit Autos oder öffentlichen Verkehrsmitteln aus den Nachbarländern in das Land. Dabei ist die Verkehrsinfrastruktur längst an ihre Grenzen gestoßen.
An der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) beschäftigt sich das Team um Professorin Dr. Karina Pallagst, die den Lehrstuhl für Internationale Planungssysteme innehat, mit der Verkehrssituation in der Großregion: Es hat den Zustand des grenzüberschreitenden öffentlichen Nahverkehrs und der Verkehrsinfrastruktur untersucht und überprüft, welche Pläne es gibt, um den Pendlerverkehr in den Griff zu bekommen. Am effektivsten seien bilaterale Abkommen zwischen den Ländern und langfristige Kooperationen.
Verstopfte Straßen, lange Staus auf den Autobahnen, überfüllte Züge – immer mehr Menschen arbeiten in Luxemburg: Zwischen 2000 und 2014 ist die Anzahl der Beschäftigten im Großherzogtum um 55 % gestiegen. „Die meisten Arbeitnehmer pendeln dazu täglich. Sie kommen aus den Nachbarländern, aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland, vor allem aber aus dem strukturschwachen Lothringen und der Wallonie in Belgien“, sagt Professorin Pallagst. „Es gibt rund 219.000 Menschen, die täglich in Luxemburg zur Arbeit fahren. 76 % davon stammen aus den Nachbarländern.“
Die Autobahnen sind dabei bereits an ihre Belastungsgrenzen gestoßen. Auch beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sieht es nicht besser aus. „Es gibt zwar neue Konzepte, etwa das Auto an der Grenze abzustellen und mit dem Bus weiterzufahren, aber vieles wird nur langsam von den Pendlern angenommen oder aus Kostengründen nicht direkt in die Praxis umgesetzt“, sagt Doktorandin Beate Caesar.
Die Forscherin hat sich genauso wie Masterstudent Daniel Baum1 näher mit der Verkehrssituation in der Grenzregion befasst. „Auf politischer Ebene gibt es viele Absprachen und es sind auch eine Reihe von Verkehrsprojekten geplant“, fährt Caesar fort. Allerdings seien die einzelnen Verkehrsverbünde der Nachbarstaaten nach wie vor schlecht miteinander verbunden, da die Verkehrsplanung noch immer national ausgerichtet ist. „Für Pendler ist es häufig schwierig, die Verbindungsangebote zu überblicken. Es gibt zum Beispiel sehr unterschiedliche Tarifsysteme“, sagt sie. Luxemburg subventioniert den ÖPNV sehr stark. „Dadurch sind die Preise hier deutlich günstiger als bei den Nachbarn“, fährt sie fort. Dies macht es für Kooperationen schwer, da strukturschwache Regionen wie etwa Lothringen wenige Gelder dafür investieren.
Caesar und Baum haben zudem festgestellt, dass für eine schnelle Umsetzbarkeit der Absprachen in der Großregion oft zu viele Akteure an einem Tisch sitzen. „Umsetzen lassen sich solche grenzüberschreitenden Projekte am besten auf bilateraler Ebene, das heißt zwischen zwei Ländern“, sagt die Forscherin. Dies mache eine Zusammenarbeit einfacher. Hinzu kommt, dass bei der Abstimmung von mehreren Ländern, wie in der Großregion zum Beispiel Luxemburg, Frankreich, Belgien und Deutschland (Rheinland-Pfalz und Saarland), auch oftmals unterschiedlich aktuelle Dokumente zur Verkehrsplanung vorliegen. „Sie basieren auf Bedürfnissen und Daten, welche zu unterschiedlichen Zeiten erhoben wurden und haben unterschiedliche Planungshorizonte, sodass es schwer ist, auf deren Basis gemeinsame Konzepte zu erarbeiten. Das kostet wieder Zeit“, so Caesar weiter.
Dennoch kam sie bei einer Befragung für ihre Promotion zu dem Ergebnis, dass viele Pendler die Verkehrsinfrastruktur in der Großregion als gut einschätzten und zufrieden mit dem Angebot seien. Die Raumplanerin hat sich in ihrer Arbeit auch mit der deutsch-polnischen Grenzregion zwischen dem Land Brandenburg und der polnischen Woiwodschaft Lubuskie befasst. „Hier ist die Infrastruktur noch nicht in dem Maße vorhanden wie in der Großregion“, so Caesar. Einen gut vernetzten ÖPNV gebe es zum Beispiel nur punktuell und auch Straßenanbindungen über die Grenzflüsse Oder und Neiße seien nicht überall vorhanden.
Pallagst und Caesar mahnen für die Großregion an, eine Verkehrsplanung langfristig anzugehen und konkrete Umsetzungsstrategien für einen effizienten grenzüberschreitenden Pendlerverkehr zu entwickeln. Auch schon bestehende Informationsangebote über ÖPNV-Verbindungen im Internet müssten beispielsweise ausgebaut und langfristig gepflegt werden.
Wichtige Impulse für die Grenzraumforschung liefert dabei das neue „Center for Border Studies“ der Universität der Großregion, an dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TUK forschen und in dessen Lenkungsgruppe Professorin Pallagst berufen ist. Es soll in den kommenden Jahren dazu beitragen, die beteiligten Akteure solcher Projekte besser miteinander zu vernetzen und die Kommunikation untereinander sicherzustellen.Das Center for Border Studies oder Zentrum für Grenzraumforschung ist ein neues Projekt der Universität der Großregion, an der auch die TUK beteiligt ist. Es wird mit über zwei Millionen Euro vom EU-Programm INTERREG VA der Großregion gefördert und dadurch mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert. Es soll die Grenzraumforschung in der Großregion fördern und international sichtbarer machen.
- Daniel Baum hat für seine Masterarbeit „Analyse des grenzüberschreitenden ÖPNV in der Großregion Saar-Lor-Lux+ vor dem Hintergrund des zunehmenden Pendlerverkehrs nach Luxemburg“ im Dezember den renommierten Reinhard Baumeister–Preis erhalten. Der Preis wird alle zwei Jahre vom Regionalverband Mittlerer Oberrhein für herausragende Arbeiten im Bereich der Regionalplanung verliehen und ist mit 1.000 Euro dotiert. Namensgeber des Preises ist Reinhard Baumeister (1833 – 1917), der als Begründer des wissenschaftlichen Städtebaus in Deutschland gilt.