Technologie

Spannfeld verbessert Flow-Line-Fertigung von CFK-Großbauteilen

Symbolbild: Herrm | pixabay

[Fraunhofer IFAM] Automatisierungslösungen für den Flugzeugbau: Zukunftsweisendes mobiles Spannfeld für flexible Aufnahme, Ausrichtung und Transport von Bauteilen entlastet Fertigungsprozesse erheblich

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Verbundprojekts »UniFix« entwickelten die Expertinnen und Experten für Automatisierung und Produktionstechnik des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Stade gemeinsam mit Kooperationspartnern sowie Airbus Operations GmbH (Stade) als assoziiertem Projektpartner u.a. ein einzig­artiges mobiles Spannfeld, das diverse Großbauteile, wie Flugzeug-Seitenleitwerke und -Landeklappen, in unterschiedlichsten Typen bis zu acht Metern Länge flexibel auf­neh­men, formgebend exakt und nachhaltig ausrichten sowie transportieren kann. (Video)

Fokussiert auf Bearbeitungsprozesse im Produktionsablauf ist dieses Spannfeld in der Lage, eine Bearbeitungsanlage von zeitaufwendigen, nicht­wert­schöpfenden Neben­tätigkeiten erheblich zu entlasten, indem es im Vorfeld mit den optimal und exakt aus­ge­richteten Großbauteilen verschiedene Prozessstationen passiert, an denen vorbereitende Arbeiten parallel und simultan erfolgen können.

Ein Meilenstein, denn in der zunehmend zu automatisierenden Fertigung, Bearbeitung und Montage von Großbauteilen aus gewichtsparenden carbon­faserverstärkten Kunststoffen (CFK) steht derzeit in der Flugzeug­produktion der Übergang von einer manuell getakteten Fertigung hin zu einer Flow-Line-Production bevor. Wie auch in anderen Branchen, z.B. dem Automobilbau, ermöglicht diese flussorientierte Fertigung, die Durchlaufzeiten zu reduzieren und damit die Produktivität, Effizienz und Wirt­schaft­lichkeit, somit die Konkurrenz­fähigkeit im internationalen Markt, zu steigern.

Die Vorteile der fließenden Fertigung liegen vor allem in Reduktion von manuellen Hand­lingsoperationen und Nebenzeiten. Dazu kommen Effizienzs­teigerungen durch Speziali­sierung der einzelnen Anlagen, verringerte Durch­lauf­zeiten aufgrund harmonisierter Takt­zeiten sowie eine damit einhergehende Reduktion von Puffer­beständen und schnellere Reaktion auf Prozess­abweichungen.

Herausforderungen bei der Herstellung von CFK-Großstrukturen
Sowohl das Seitenleitwerk als auch die Landeklappen eines Flugzeugs werden aus großen flächigen Schalenelementen zusammengefügt, welche durch Rippen versteift sind. Vor dem Fügen der Schalenelemente ist es nötig, sie durch automatisiertes Fräsen auf die erforderliche exakte Endkontur zu bringen. Dieser Bearbeitungsprozess stellt heute einen Engpass in der Produktion dar. Zudem ist er äußerst risikobehaftet, da Fehler auf hoher Wertschöpfungsstufe zu hohen Kosten durch Ausschuss oder Korrektur des Bauteils führen können.

Flow-Line-Production
„Um den Prozess – bei gleichzeitiger Risikominimierung – deutlich zu beschleunigen, haben wir uns im Projekt ,UniFix‘ dazu entschieden, die mechanische Bearbeitung bei der Herstellung von Seitenleitwerken bzw. Landeklappen eines Passagier­flugzeugs als Flow-Line-Production zu realisieren“, erklärt Projektleiter Christoph Brillinger vom Fraunhofer IFAM in Stade. „Dies ermöglicht uns, zeitintensive Nebentätigkeiten in der Bearbeitungs­anlage zu vermeiden und sie somit signifikant zu entlasten. Zugleich werden wir den höchsten Präzisions­anforderungen im Flugzeugbau an allen Stationen gerecht, was insbesondere im Hinblick auf die Größe und die herstellungsbedingten Unikat-Eigen­schaf­ten der CFK-Bauteile eine ganz besondere Herausforderung darstellt“, betont Brillinger und ergänzt: „Wir haben in Stade einen übergreifenden Referenzierungs­prozess entwickelt, der es ermöglicht, Vermessungs­vorgänge bezüglich des optimal im Spannfeld positionier­ten Bauteils unabhängig von der Bearbeitungs­station durchzuführen. An der Bearbeitungs­station selbst ist dann nur noch eine aus wenigen Messpunkten bestehende Schnellreferenzierung nötig.“

Die Stationen der Flow-Line
Bevor die neu entwickelte, vielseitig konfigurierbare, mobile Aufspannvorrichtung die CFK-Großbauteile zur Bearbeitungsanlage transportiert, passiert sie noch zwei Prozess­stationen:

  • In der ersten Station wird das vom Projektpartner FFT Produktionssysteme GmbH & Co. KG (Fulda) eigens entwickelte Spannfeld, das zehn verschiedene Landeklappen- bzw. Seitenleitwerk-Schalenelemente mit Längen von bis zu acht Metern aufnehmen kann, in einer automatisierten Routine für die Aufnahme des betreffenden Bauteils konfiguriert. Danach überprüft ein neuartiges Multikamerasystem (,Kamera-Arena‘) des Projektpartners Hexagon AICON ETALON GmbH (Braunschweig) die Form­haltig­keit. So wird sichergestellt, dass das konfigurierte Spannfeld das CFK-Bauteil optimal in die nötige Sollform für die folgende präzise Bearbeitung positioniert. Schließlich folgt das Einlegen, die Positionierung und Aufspannung sowie die Sicherung des Bauteils.
  • Für den Transport zur zweiten Station ist das Spannfeld samt Bauteil mit zwei fahrerlosen Transportsystemen (Automated Guided Vehicle; AGV) verbunden. Diese neu entwickelten AGV-Systeme des Projektpartners Stäubli WFT GmbH (Sulzbach-Rosenberg) sind in der Lage, sich virtuell zu koppeln – d.h., sie tauschen Daten aus, um sich synchron bewegen zu können, ohne dabei mechanisch miteinander verbunden zu sein. So können sie im Synchronbetrieb große Lasten durch mehrere Fahrzeuge koordiniert transportieren.

Die erste Station der Flow-Line: Das neu entwickelte, durch virtuell gekoppelte AGV-Systeme mobile Spannfeld transportiert das exakt positionierte CFK-Seitenleitwerk-Schalenelement in die Kamera-Arena, wo die Formhaltigkeit des Spannfelds überprüft wird
© Fraunhofer IFAM

Das Fraunhofer IFAM in Stade ent­wickel­te die zweite Station, an der das eingespannte CFK-Bauteil hoch­genau und automatisiert mittels Laser-Linien-Scanner vermessen wird. Diese Vermessung ist unumgänglich, da das Bauteil herstellungsbedingt eine hohe Formvarianz – und damit einen Unikat-Charakter – aufweist. Anhand der Messdaten lassen sich die Soll-Bearbei­tungs­bahnen und die Soll-Lage der Bohrungspositionen für das Bauteil ermitteln. Das Bauteil ist nun für die Bearbeitung vorbereitet und kann von dem mobilen Spannfeld in die Bearbei­tungs­anlage gefahren werden.

  • Die dritte Station ist die Bearbeitungsanlage. Da die herkömmlichen Nebentätigkeiten der Bearbeitungsanlage bereits an den ersten beiden Stationen erfolgt sind, ist hier nur noch eine Schnell-Referenzierung – bestehend aus der Messung weniger Referenz­punkte – nötig, bevor umgehend die eigentliche Bearbeitungsaufgabe ausgeführt werden kann.

Ausblick
Die im Forschungsprojekt ,UniFix‘ gewonnen Erkenntnisse und entwickelten Technologien lassen sich nicht nur für die Flugzeugproduktion weiter vorantreiben und implementieren, sondern ebenso effizienzsteigernd in die Produktionsprozesse anderer Branchen – wie Windenergieanlagen-, Schienenfahrzeug-, Nutzfahrzeug-, Automobil- oder Schiffbau – übertragen.