[OFFIS] – In einer dreitägigen Testkampagne wurden innerhalb des Projektes „SmartKai“ erste Systemtests erfolgreich durchgeführt. Wissenschaftler*innen konnten neue Erkenntnisse für die weitere Forschung und Entwicklung des innovativen Assistenzsystems gewinnen.
In Häfen und Schleusen behindern schlecht einsehbare oder hydrodynamisch schwer einzuschätzende Bereiche oft den reibungslosen Ablauf von Schiffsmanövern. Teilweise schnell wechselnde Umweltbedingungen erschweren es selbst ortkundigem Personal, wichtige navigatorische Entscheidungen für das Schiff und seine Besatzung zu treffen. Zudem schwanken vor allem in tideabhängigen Häfen wie Cuxhaven die Wassertiefen mit den Gezeiten. In diesen Häfen kann nur mit entsprechenden Wasserständen sicher manövriert werden. Ein erhöhtes Verkehrsaufkommen birgt hierbei zusätzlich ein Gefahrenrisiko, das in Schäden an den Schiffen und der Hafeninfrastruktur resultieren kann.
Ziel des SmartKai-Projektes ist die Entwicklung eines digitalen Assistenzsystems, um diesen Risiken und Gefahren entgegenzuwirken. Ein neuartiges, lasergestütztes Sensorsystem wird dazu an Hafeneinfahrten, Schleusen oder Kaianlagen installiert. Über eine Schnittstelle liefert das Assistenzsystem ein konsistentes Lagebild. Lotsen- und Schiffspersonal können das System effizient über ein Tablet, das sog. Pilot Portable Unit, direkt auf der Schiffsbrücke nutzen und so das Schiff auf engstem Raum sicher manövrieren. Durch die Erhöhung der Sicherheit bei punktgenauen Anlege- und Ablegemanövern sowie beim Passieren von engen Einfahrten und Schleusen werden Schäden an Schiffen und Hafeninfrastruktur zukünftig vermieden.
Das Informatikinstitut OFFIS entwickelt in diesem Forschungsprojekt das innovative System und führt die Testkampagnen durch. Dabei werden die Regularien der International Maritime Organization (IMO) berücksichtigt sowie die praxisnahen Anforderungen der aktiv berufstätigen Lots*innen. Wichtige Prüfkriterien für ein digitales maritimes Assistenzsystem sind unter anderem seine Genauigkeit, Integrität, Verfügbarkeit sowie Zuverlässigkeit, um Lotsen- und Schiffspersonal zukünftig bei Manövern zu unterstützen.
Bislang wurden insgesamt über 20 Szenarien abgeleitet und entwickelt, die im Rahmen des ersten erfolgreichen Feldtests aufgezeichnet wurden. Der Projektpartner Sick AG, ein international führender Sensorenhersteller, hat eine sogenannte LIDAR-Sensorik konzipiert und in Wilhelmshaven am Hannoverkai installiert. Getestet wurde auf dem OFFIS-Forschungsboot „Josephine“ und zugleich auf dem Vermessungsschiff „Argus“ aus der Flotte der Hafeninfrastrukturgesellschaft Niedersachsen Ports (NPorts). NPorts ist als Verbundkoordinator im „SmartKai“-Projekt und besonders daran interessiert, zukünftig Schäden an der Hafeninfrastruktur zu vermeiden. Der Oldenburger Softwareentwickler Humatects GmbH setzt als weiterer Projektpartner die Benutzeroberfläche für das Lotsen- und Brückenpersonal um.
Das Testsystem und die Datenaufzeichnung liefen in der dreitägigen Kampagne zuverlässig. Damit sind nach übereinstimmender Meinung der Projektbeteiligten die Voraussetzungen vorhanden, das System winter- und sturmfest über die kommenden sechs Monate am Hannoverkai zu belassen. So können weitere Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit des Systems unter rauen winterlichen Bedingungen gewonnen werden.
Die Projektlaufzeit beträgt insgesamt drei Jahre und endet im November 2022. Während der kommenden sechs Monate werden, aufbauend auf den Aufzeichnungen der ersten Testkampagne, die Grundfunktionen des Assistenzsystems entwickelt. Außerdem wird an einer spezifisch für diese maritimen Anforderungen ausgelegten neuartigen LIDAR-Sensorik gearbeitet. Bereits für das kommende Jahr wird ein erster Testlauf in Cuxhaven angestrebt, wo insbesondere hydrodynamische und meteorologische Gegebenheiten in die Konzeptionierung neuer Testszenarien involviert werden.
Das Projekt „SmartKai“ ist ein anwendungsorientiertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt gemäß der Förderrichtlinie Innovative Hafentechnologien (IHATEC) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).