Mobilität: Wissenschaft

Reisen: Bequem­lichkeit steht vor Umwelt­bewusstsein

Reisen: Bequemlichkeit steht vor Umweltbewusstsein
Bild: Tekhnika | pixabay

[Frankfurt UAS] – Bequemlichkeit steht beim Reisen vor Umweltbewusstsein. Das zeigte eine Befragung der Frankfurt UAS und des IFAK zum Reiseverhalten der Deutschen.

Für jüngere Menschen spielt umweltbewusstes Reisen in der Reiseplanung und -organisation nur eine untergeordnete Rolle. Erst ab dem mittleren bis älteren Lebens­abschnitt kommen auch Umweltaspekte zum Tragen. Bequemlichkeit ist für alle Reisenden ein sehr wichtiger Aspekt. Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommen das Institute for Aviation and Tourism (IAT) der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) und das Markt- und Meinungsforschungsinstitut IFAK in Taunusstein. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage unter 1.001 Personen haben sie untersucht, wie die Deutschen in den letzten Jahren gereist sind. Im Mittelpunkt standen drei zentrale Fragen: Wer hat welche Verkehrsmittel genutzt? Welche Überlegungen spielten bei der Planung bzw. Buchung der Reise eine Rolle? Und wie hoch ist die Bereitschaft zur CO2-Kompensation? Durchgeführt wurde die Befragung im Zeitraum vom 1. bis 25. August 2023.

Privater PKW weiterhin beliebtestes Hauptverkehrsmittel für Reisen
Um zum Urlaubsort zu gelangen, ist nach wie vor der private PKW (44 %) das beliebteste Hauptverkehrsmittel, gefolgt vom Flugzeug (40 %) und mit deutlichem Abstand der Bahn (9 %). „Tatsächlich gelangen Reisende jedoch mit durchschnittlich 2,4 Verkehrsmitteln zum Reiseziel, denn häufig nutzen sie weitere Transportmittel wie etwa die des öffentlichen Nahverkehrs oder das Taxi“, erläutert Prof. Dr. Kerstin Wegener, Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit besonderem Schwerpunkt Tourismusmanagement sowie Direktoriumsmitglied des IAT.

Bequemlichkeit wichtigstes Kriterium bei Urlaubsplanung
Wer reist, möchte es einfach und bequem haben, möglichst mit wenigen Umstiegen – für vier von fünf Befragten (82 %) ist dies bei der Planung oder Buchung eine sehr wichtige oder wichtige Überlegung. Alters- oder Geschlechts­unterschiede spielen dabei fast keine Rolle. Für drei von vier Befragten (77 %) spielt zudem die Unabhängigkeit der Fort­bewegung am Urlaubsort eine wichtige Rolle. Beides zusammengenommen könnte erklären, warum der eigene PKW nach wie vor das beliebteste Hauptverkehrsmittel zum Urlaubsort ist. Trotz wirtschaftlicher Sorgen und Inflation stehen in der Reihenfolge der Kriterien die Kosten bei 69 % der Befragten lediglich an dritter Stelle. Umweltbewusstes Reisen – wie die Anreise mit klimaschonenden Verkehrsmitteln (37 %), umweltschonende Aktivitäten am Urlaubsziel (52 %) oder die Unterkunft mit Ökosiegel oder ökologischer Zertifizierung (26 %) – spielen eine geringere Rolle, wobei gerade die Reisenden ab 50 Jahren ein größeres Gewicht auf diese Kriterien legen.

Geringe Bereitschaft für freiwillige CO2-Kompensation
Da viele Fluggesellschaften und auch Reiseveranstalter den Reisenden mittlerweile anbieten, ihren ökologischen Fußabdruck durch eine freiwillige Zahlung kompensieren zu lassen, haben das IAT und IFAK danach gefragt, ob die Befragten dieses Angebot auch nutzen würden. Aber weder in den Einstellungen noch im tatsächlichen Verhalten der Reisenden findet sich eine Mehrheit, die diesem Angebot nachkommen will. So gab nur rund ein Viertel der Befragten (26 %) in der Untersuchung an, dass sie eventuell freiwillig bei ihrer letzten Reise einen solchen Betrag gezahlt hätten.

Die größte Kompensationsbereitschaft findet sich in der mittleren Altersgruppe der 30 bis 39-jährigen (36 %) und unter den umweltbewusst Reisenden (40 %). Die größte Ablehnung der freiwilligen Kompensation findet sich hingegen unter den 20 bis 29-jährigen (71 %) sowie unter den 40 bis 49-jährigen (70 %) Befragten, die geringste Ablehnung hingegen bei den älteren Reisenden ab 60 Jahren. „Es scheint somit, dass trotz der vielfältig beschrie­benen Wichtigkeit des Klimawandels unter den Jüngeren am Ende das Portemonnaie den Ausschlag gibt, während bei den vergleichsweise wohlhabenderen Älteren das Thema der Nachhaltigkeit eine größere Resonanz erfährt“, fasst Dr. Christian Holst, Geschäftsführer des IAT, zusammen.

Vier Reisetypen
Um über die Summe der Einzelbeschreibungen hinauszugehen, hat die Forschungsgruppe vier anfassbare Reisetypen gebildet. Dazu wurden aus den Antworten statistische Gruppen gebildet, die innerhalb der Gruppe möglichst ähnlich und zwischen den Gruppen möglichst verschieden sein sollten. Fast vier Fünftel (78 %) der Befragten konnten so einer der vier Gruppen zugeordnet werden, die restlichen 22 % stellen eine Residualkategorie dar.

  1. Budgetorientiert und unabhängig Reisende
    Der Typ des budgetorientierten, unabhängig Reisenden legt großen Wert auf kostengünstige Aufenthalte, was sich in sehr niedrigen Urlaubskosten widerspiegelt (durchschnittlich 910 Euro pro Person). Mit einem Viertel der Befragten stellt er den relativ größten Teil der Reisenden dar. Selbstorganisierte, bequeme Anreisen mit wenigen Umstiegen und die Unabhängigkeit bei der Fortbewegung am Urlaubsziel sind ihm wichtig, weshalb auch das eigene Auto häufig als Hauptverkehrsmittel bei Reisen genutzt wird. Flugreisen und der Wunsch, exotische Länder zu sehen, sind eher selten.
  2. Reisende mit hohem Umweltbewusstsein
    „Umweltbewusst Reisende“ zeichnen sich durch ein ausgeprägtes Nachhaltig­keits­denken aus. Mit knapp einem Viertel (24 %) stellen sie die zweitgrößte Gruppe dar. Diesem Reisetypen sind umweltfreundliche Aspekte wie Unterkünfte mit Ökosiegeln, klimafreundliche Anreise­möglichkeiten und umweltschonende Aktivitäten am Urlaubsziel wichtig. Dies ist auch die Gruppe mit der höchsten Bereit­schaft, ihren ökologischen Fußabdruck zu kompensieren. Gleichzeitig schätzen die Reisenden mit hohem Umweltbewusstsein die Möglichkeit, exotische Länder zu erkunden und soziale Kontakte mit der lokalen Bevölkerung zu knüpfen. Sie sind diejenigen, die – nach den Flugreisenden – am wenigsten das Auto als Haupt­verkehrs­mittel nutzen und, damit einhergehend, der größte Anteil an Befragten, die gar kein Auto im Haushalt haben. Gleichzeitig sind sie aber auch die Gruppe mit dem zweithöchsten Anteil, die das Flugzeug als Haupt­verkehrs­mittel nutzen. Sie sind etwas häufiger in den Altersgruppen der 40 bis 69-jährigen zu finden.
  3. Komfortbewusste Flugreisende
    „Exotik“ und „Bequemlichkeit“ sind die beiden Begriffe, mit denen sich diese Gruppe am besten beschreiben lässt. Fast jede*r Fünfte (19 %) der Befragten lässt sich dieser Gruppe zuordnen. Befragte dieser Gruppe zeichnen sich durch einen starken Wunsch aus, exotische Länder zu erkunden, wobei sie ihre Reisen meist über Reiseveranstalter organisieren lassen. Sie legen großen Wert auf eine bequeme Anreise mit wenigen Umstiegen und sind bereit, dafür auch hohe Reisekosten in Kauf zu nehmen: mit durchschnittlich 1.700 Euro pro Person geben sie von allen Gruppen am meisten Geld für den Urlaub aus. Rund zwei Drittel (68 %) der Reisenden dieser Gruppe nutzen das Flugzeug als Hauptverkehrsmittel. Umweltschonende Aspekte wie eine klima­freund­liche Anreise, Unterkünfte mit Ökosiegeln oder CO2-Kompensation spielen für diese Gruppe nur eine sehr unter­geordnete Rolle – wiederum zwei Drittel dieser Gruppe (68 %) würden eine CO2-Kompensation nicht zahlen. Sozio­demo­grafisch finden sich hier tendenziell höhere Anteile von 4-Personen-Haushalten, einem höheren Netto­einkommen und einem höheren Bildungsabschluss.
  4. Unabhängige, zahlungsbereite Autoreisende
    Mit einer starken Vorliebe für das Auto als Hauptverkehrsmittel bei Urlaubsreisen setzen die Mitglieder dieser Gruppe auf Bequemlichkeit, minimale Umstiege und die Unabhängigkeit bei der Fortbewegung am Urlaubsort. Ebenso legen sie großen Wert auf die Möglichkeit, soziale Kontakte mit der lokalen Bevölkerung zu knüpfen. Kostenbewusstsein spielt in dieser Gruppe keine Rolle, und sie ist bereit, höhere Urlaubskosten zu tragen. Mit durchschnittlich 1.520 Euro pro Person geben die Personen, die diesem Reisetyp zuzuordnen sind, deutlich mehr als der Durchschnitt für ihre Urlaubsreise aus. Demografisch gesehen verfügen sie mit über die höchsten Haushalts-Nettoeinkommen, die höchsten Bildungsabschlüsse und gehören der ältesten Altersgruppe an.
  5. Sonstige
    In diese Gruppe (22 % aller Reisenden) fallen diejenigen, die statistisch nicht klar einer der oben beschriebenen Gruppen zugeordnet werden konnten. Diese Gruppe besteht aus Reisenden, die wenig auffällige Präferenzen und Interessen in den abgefragten Aspekten gezeigt haben. Sie bewerten die meisten Faktoren mit geringer Wichtigkeit und zeigen wenig ausgeprägte Vorlieben. Das bedeutet nicht zwangs­läufig, dass sie keine hätten, sie wurden möglicherweise nur nicht in der Umfrage abgedeckt.

Steckbrief zur Umfrage: Repräsentative Bevölkerungsumfrage (1.001 Befragte), Grundgesamtheit deutschsprechende, telefonisch erreichbare Wohnbevölkerung ab 14 Jahren, telefonische Befragung (Dual-Frame-Design: 64 % Festnetz, 36 % Mobil), Befragungszeitraum: 01.08. bis 25.08.2023