Mobilität: Wissenschaft

Mikromobilität: Ziehen Städter E-Bikes den Elektro-Rollern vor?

Mikromobilität
Königstraße Nürnberg. Bild: Markus Spiske | Unsplash

[ITF] Deutscher Wissenschaftler gewinnt „Young Researcher of the Year“-Award für bahnbrechende Studie zur Nutzung von der Mikromobilität zugerechneten Fahrzeugen.

Mit einer Pionierarbeit zur Frage, warum Menschen geteilte Elektro-Roller, Fahrräder oder E-Bikes nutzen, hat Daniel Jan Reck den „Young Researcher of the Year Award“ 2021 des International Transport Forum (ITF) gewonnen.

Reck, der aus Hamburg stammt, studierte am Karlsruher Institut für Technologie sowie an der Universität Cambridge und schließt zurzeit seine Doktorarbeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich in der Schweiz ab. Die Auszeichnung nahm Reck am 28. Mai in einer Online-Zeremonie aus den Händen von ITF-Generalsekretär Young Tae Kim zum Abschluss des Weltgipfels der Verkehrsminister entgegen.

Seit 2008 vergibt das ITF den Titel „Young Researcher of the Year“ an Nachwuchswissenschaftler unter 35 Jahren für Arbeiten mit hoher Relevanz für verkehrspolitische Fragen. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Die meisten Untersuchungen beschäftigen sich mit nur einer Form der Mikromobilität, etwa Elektro-Rollern oder E-Bikes. In der preisgekrönten Arbeit analysieren Reck und seine Ko-Autoren den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Arten von geteilten „Mikro-Fahrzeugen“: Warum entscheiden sich Menschen, einen Elektro-Roller, ein Leihfahrrad oder ein E-Bike zu nutzen statt der jeweiligen Alternativen?

Mithilfe einer neuentwickelten Methodik und auf Basis des bisher umfangreichsten Datensatzes für geteilte Mikromobilität entwickelt die Studie das erste umfassende Modell für Nutzerentscheidungen zugunsten oder gegen vier unterschiedliche Mikromobilitäts-Optionen: Elektro-Roller, frei parkende Leihfahrräder, stationäre Leihfahrräder und E-Bikes.

Studie Mikromobilität

©: Autoren

Die Ergebnisse zeigen, dass Nutzerentscheidungen wesentlich von der zurückzulegenden Entfernung und der Tageszeit abhängen. Sie werden aber auch davon beeinflusst, ob die Mikro-Fahrzeuge frei stehend oder an Stationen geparkt werden. Pendler etwa bevorzugen Fahrzeuge, die an Stationen gebunden sind.

Diese Erkenntnis ist verkehrspolitisch relevant, denn die Schaffung von Stationen für derzeit frei parkende Roller und Räder könnte die Attraktivität von Mikromobilität als Alternative zum Auto für Pendler erhöhen.

Die Studie zeigt ebenfalls einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der Dichte der verfügbaren Fahrzeuge und dem Nutzungsverhalten. Um überhaupt Nutzer zu gewinnen, ist eine minimale Dichte nötig. Es gibt jedoch einen Plateau-Effekt: Eine höhere Fahrzeugdichte führt ab einem gewissen Punkt nicht mehr zu einer proportionalen Steigerung der Nutzerzahlen.

Betreiber können diese Erkenntnis zum optimalen Flotteneinsatz nutzen, während städtische Behörden daraus empirisch fundierte Regeln für die Anzahl zuzulassender Mikro-Fahrzeuge ableiten können, etwa für Ausschreibungen.

Aus Anlass der Preisverleihung sagte ITF-Generalsekretär Young Tae Kim: „Mikromobilät etabliert sich rasant als beliebter ‚Reichweiten-Turbo‘ für innerstädtische Strecken. Sie ist eine ausgezeichnete Option für den ‚letzten Kilometer‘ und kann sogar eine Alternative zum Auto sein. Allerdings wissen wir noch wenig darüber, welche Angebote genau die größten Vorteile für den Übergang zu nachhaltiger urbaner Mobilität bieten. Die Arbeit von Daniel Reck eröffnet mit ihrer innovativen Methodik und Datensammlung neue Wege, um diese Wissenslücke zu schließen. Sie wirft zudem ein Schlaglicht auf bisher unbekannte Faktoren, die das Nutzerverhalten beeinflussen. Sie kann so Betreibern und Behörden dabei helfen, Dienste anzubieten, die die Bürger wertschätzen und welche die städtische Mobilität zudem grüner machen.“

Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Deutschland, erklärte: „Bei den Diskussionen über ,Mobility as a Service‘ beim diesjährigen ITF-Summit wurde die Bedeutung von Daten sowohl für die Bereitstellung wie für die Planung von Mobilitätsdienstleistungen immer wieder hervorgehoben. Wir sind darum sehr froh, dass Daniel Reck den ,Young Researcher of the Year‘-Award für eine Studie gewonnen hat, die genau diesen Punkt aufgreift und zeigt, wie wichtig Mobilitätsdaten für die Verkehrsplanung sind.“


Die preisgekrönte Studie “Explaining shared micromobility usage, competition and mode choice by modelling empirical data from Zurich, Switzerland” von Daniel J. Reck, He Haitao, Sergio Guidon and Kay W. Axhausen steht hier zum kostenfreien Download bereit.