Mobilität: Wissenschaft

Lichtwaggon – modernes Lichtdesign soll U-Bahn attraktiver machen

Lichtwaggon Abendanwendung
© Anna Wawrzyniak

[Andres+Partner] Eine Studie untersucht, wie sich die Verweildauer bestmöglich nutzen lässt, um Stadtmenschen mit melanopisch wirksamem Licht zu versorgen und so in ihrem Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen. Ein „Lichtwaggon“ soll Wohlbefinden und Produktivität steigern.

Um als moderne Mobilitätslösungen in der Stadt zu funktionieren und zur Entlastung fahrzeugverstopfter Innenstädte beizutragen, muss die U-Bahn vor allem eines: eine praktikable und attraktive Alternative zum PKW darstellen. Zwei Lichtdesignerinnen von Andres + Partner zeigen mit ihren detaillierten Konzepten, wie bedürfnisorientiertes Lichtdesign die Aufenthaltsqualität und damit die Akzeptanz des unterirdisch fahrenden öffentlichen Verkehrsmittels steigern kann.

Zeitgemäße Lichtlösungen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen, können nicht nur Beleuchtungsdefizite ausgleichen. Sie versorgen Reisende in den Waggons mit gesundem Licht, das Wohlbefinden und Produktivität steigert, und machen U-Bahn-Stationen zu attraktiven urbanen Räumen, die das Stadtbild bereichern. Und für eine U-Bahn, in der man sich wohlfühlt, lässt man den nerven- und zeitraubenden Stop-and-go-Verkehr gerne hinter sich.

Durch die zunehmende Urbanisierung wird der ÖPNV immer wichtiger. Mehr und mehr Menschen ziehen in die Stadt und sind darauf angewiesen, zeitnah von A nach B zu gelangen. Mit dem PKW ist das gerade zu Stoßzeiten kaum noch möglich. Hinzu kommt, dass immer mehr Städte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren aus den Innenstädten verbannen, um hohen Schadstoffbelastungen entgegenzuwirken.

Die U-Bahn präsentiert sich hier als sinnvolle Ausweichmöglichkeit, da sie oftmals unterirdisch fährt und damit unabhängig von der Verkehrs- und Wettersituation auf den Straßen funktioniert. Ein Ausbau ist auch in dicht bebauten Bezirken möglich, denn zusätzliche Bebauungsfläche wird nicht benötigt. Allerdings bringt die Nutzung der unterirdischen Stadtbahn einen entscheidenden Nachteil mit sich: Menschen, die sich ohnehin einen Großteil des Tages in Innenräumen aufhalten, verbringen noch mehr Zeit fernab des dringend benötigten Tageslichts. Und ein übermäßiges Tageslichtdefizit wirkt sich negativ auf den zirkadianen Rhythmus und damit auf die Gesundheit der Menschen aus. Auch viele Stationen punkten nicht mit optimalen Tageslichteinträgen und wirken mit ihrer zweckmäßigen Beleuchtung und Gestaltung nicht besonders anziehend. Die Lichtdesignerinnen Anna Wawrzyniak und Meggy Rentsch sind diesen Herausforderungen mit zielorientierten Lichtkonzepten begegnet und zeigen damit: Die U-Bahn kann mehr.

Gesundes Licht im U-Bahn-Waggon
Europäische Berufstätige verbringen im Durchschnitt etwa 20 – 60 Minuten pro Tag in öffentlichen Verkehrsmitteln. Anna Wawrzyniak hat in einer Studie untersucht, wie sich diese verhältnismäßig kurze Verweildauer bestmöglich nutzen lässt, um Stadtmenschen bedürfnisorientiert mit melanopisch wirksamem Licht zu versorgen und so in ihrem Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen. Zeitpunkt und Dauer der Lichtexposition, Einfallswinkel und Leuchtdichteverteilung wurden bei der Untersuchung ebenso berücksichtigt wie die Lichtintensität und die spektrale Komposition.

In enger Zusammenarbeit mit der Hamburger Hochbahn wurden die Resultate anschließend simulativ auf einen Waggon der aktuellen DT5-Flotte angewendet. Das Ergebnis: Ein „Lichtwaggon“, der Berufspendlern zu bestimmten Tageszeitabschnitten eine aktivierende Lichtdusche auf freiwilliger Basis bietet, die sich positiv auf Produktivität und Wohlbefinden auswirkt. Schichtarbeiter mit abweichendem Schlaf-Wach-Rhythmus und andere Reisende können auf andere Wagons ausweichen.

Lichtwaggon Designprinzip

Designprinzip des Lichtwaggons: Aufwachlicht am Morgen, Erholungslicht am Abend, Lichtkunst am Wochenende.
Andres+Partner

Aufwachlicht am Morgen, Erholungslicht am Abend, Lichtkunst am Wochenende
Zwischen 06:00 und 9:00 Uhr am Morgen regt helles, neutralweißes Licht den Organismus an und hilft den Fahrgästen so, einen aktiven Wachzustand zu erreichen. Während der Feierabendzeit zwischen 16:00 und 19:00 Uhr schafft eine Mischung aus rotem und gedimmtem warmweißem Licht eine sanft stimulierende Lichtsituation, die entspannend, aber nicht ermüdend wirkt. Mit vier Personen auf 1 m˛ bietet der „Lichtwaggon“ ein höheres Licht-Pro-Kopf-Verhältnis als jede Human-Centric-Lighting-Bürolösung. Zwischen den Berufsverkehrszeiten fährt der „Lichtwaggon“ mit einer energiesparenden Standardbeleuchtung. Am Wochenende begeistern künstlerische Lichtkompositionen nicht nur Touristen und jüngere Menschen. Die beleuchteten Flächen können dazu mit Informations- oder Unterhaltungsinhalten bespielt werden. Auf diese Weise nutzt der „Lichtwaggon“ sein Licht ressourcenschonend und effizient.

Für ihr Konzept wurde Wawrzyniak bereits zwei Mal ausgezeichnet. 2019 erhielt sie den Luxi-Award in der Nachwuchskategorie „Bestes Lichtkonzept“ und wurde von der British Society of Light and Lighting zum „Young Lighter 2019“ gekürt.