Infrastruktur

IASS und TU Berlin: Pop-up-Radwege bringen mehr Sicherheitsgefühl

Pop-up-Radwege bringen mehr Sicherheitsgefühl
Provisorischer Radweg am Halleschen Ufer als Maßnahme gegen die Corona-Pandemie 2020. ©_Nicor | Wikimedia | CC-BY-SA-4.0

[IASS]Die Covid-19-Pandemie hat das Mobilitätsverhalten beeinflusst. In Berlin entstehen als Reaktion darauf sogenannte Pop-up-Radwege, die mit provisorischen Mitteln sicheres Radfahren und den nötigen Abstand ermöglichen. Welche Reaktionen rufen diese Pop-up-Radwege bei den Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern hervor? Erste und vorläufige Antworten auf diese Frage geben die Ergebnisse einer nicht-repräsentativen Online-Befragung unter 1.661 Berlinern von Wissenschaftler*innen des IASS Potsdam und der TU Berlin.

Die rückläufige Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zeigt sich auch in dieser Online-Befragung: Vor der Krise fuhren 76 Prozent der Befragten mindestens einmal die Woche mit Bus und Bahn, während des Befragungszeitraums nur 23 Prozent.

Die Nutzung eigener Autos hat sich kaum verändert: Vor der Krise nutzten 26 Prozent ein eigenes Auto mindestens einmal die Woche, im Befragungszeitraum dann 28 Prozent. Unter denen, die den Fragebogen vollständig ausfüllten, nutzte ein hoher Anteil (76 Prozent) schon vor der Coronakrise mindestens einmal wöchentlich das Fahrrad. Im Befragungszeitraum stieg dieser Anteil auf 84 Prozent.

Die höchste Akzeptanz zeigen wenig überraschend die Radfahrenden mit gut 94 Prozent Befürwortung. Um einiges geringer, aber immer noch deutlich positiv, fällt sie für ÖPNV-Nutzende (79 Prozent) bzw. Fußgängerinnen und Fußgänger (75 Prozent) aus. Deutlich negativ werden sie von Autofahrerinnen und Autofahrern bewertet – aus dieser Gruppe befürworten nur 11 Prozent die neuen Radwege.

Befragte mit befürwortender Haltung
Die große Mehrheit (78,1 Prozent) der Befürwortenden nutzt die Pop-up-Radwege aktuell, während 21,9 Prozent von ihnen angaben, die Pop-up-Radwege aktuell nicht zu nutzen. Die Mehrheit fühlt sich dort sicherer, sowohl in Bezug auf Verkehrsrisiken als auch auf die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Es sei jetzt möglich, genügend Abstand zu Autos, aber auch zu anderen Radfahrerinnen und Radfahrern einzuhalten. Konkret genannt wird eine geringere Unfallgefahr, zum Beispiel in Bezug auf sogenannte Dooring-Unfälle, bei denen Radfahrende von einer sich öffnenden Autotür erfasst werden und oft schwere Verletzungen davontragen. Auch das subjektive Sicherheitsgefühl und das „Fahren ohne Angst“ werden betont. Positiv fällt den Befragten auf, dass sich sowohl weniger Radfahrende auf den Gehwegen als auch weniger Fußgängerinnen und Fußgänger auf den Radwegen befinden.

Diese Antworten zeigen, dass die Gewährleistung von Sicherheit ein wesentliches Kriterium ist, um den Radverkehr zu stärken und unterschiedliche Bevölkerungsgruppen als Radfahrerinnen und Radfahrer zu gewinnen.

Die Befragten klagen über aggressives Verhalten von Autofahrerinnen und -fahrern. Dieses habe durch das Einrichten der Pop-up-Radwege zugenommen. Autos fahren und parken auf den Radwegen. Es wird die Befürchtung geäußert, dass dieses Problem bestehen bleibt, da Staus durch die Umverteilung des Straßenraums zunehmen könnten.

Befragte mit ablehnender Haltung
90,8 Prozent derjenigen, die die Pop-up-Radwege ablehnen, nutzen diese aktuell nicht, während 9,2 Prozent angeben, die Pop-up-Radwege aktuell zu nutzen.

Einer der zentralen Nachteile der Pop-up-Radwege ist aus Sicht der Ablehnenden die Einschränkung der anderen Verkehrsmittel. So wurde oftmals angemerkt, dass nicht nur dem PKW-Verkehr weniger Platz zur Verfügung steht, sondern auch dem ÖPNV, Fahrzeugen der Berliner Stadtreinigung (BSR), Rettungsfahrzeugen, aber auch Paketlieferanten.

Ebenso äußerten einige Befragte die Befürchtung, dass die reduzierte Verkehrsfläche des PKW-Verkehrs zu mehr Stau führen könnte, insbesondere, wenn die Wirtschaft im Zuge der Corona-Lockerungen wieder hochgefahren wird. Die Staus bzw. der stockende Verkehr könnte damit auch die Schadstoffbelastung erhöhen.

Einige Befragte gaben an, dass sie die Pop-up-Radwege für gefährlich halten. So entstünden an einigen Stellen unübersichtliche Situationen und ein toter Winkel oder gefährliche Situationen beim Abbiegen. Bemängelt wurde auch, dass die Radwege kaum genutzt werden bzw. befürchteten einige, dass die Nutzung der Radwege bei schlechtem Wetter wieder sehr schnell sinkt.

Die Umfrage wurde am 30. April 2020 aktiviert und am 10. Mai 2020 geschlossen. Insgesamt nahmen 2.578 Personen an der Umfrage teil; 1.802 davon füllten die Umfrage bis zum Ende aus, davon kamen 1.661 Befragte aus Berlin. Bei der Stichprobe handelt es sich um keine Zufallsstichprobe und sie ist nicht repräsentativ für die Bevölkerung in Berlin. Somit kann man von den hier vorliegenden deskriptiven Ergebnissen keinen direkten Rückschluss auf die Einstellungen der gesamten Berliner Bevölkerung ziehen. Es ist außerdem wichtig zu beachten, dass in der Stichprobe Radfahrende sehr stark repräsentiert sind.


  • Die IASS Study zu den Pop-up-Radwegen zum Download
  • Originalpublikation: Katharina Götting, Sophia Becker: Reaktionen auf die Pop-up-Radwege in Berlin. IASS Study, Juni 2020. DOI: 10.2312/iass.2020.019
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