Technologie

Electric Software Hub: Mercedes-Benz eröffnet Software-Integrationsfabrik

Electric Software Hub Im Mercedes Technology Center (MTC) in Sindelfingen
Im Mercedes Technology Center (MTC) in Sindelfingen sind im Electric Software Hub zahlreiche Funktionen zu Software, Hardware, System-Integration und Testing unter einem Dach gebündelt.
Mercedes Benz AG

[Mercedes-Benz AG] Rund 1.100 Beschäftigte arbeiten im Electric Software Hub bereichsübergreifend unter einem Dach an der elektrischen und digitalen Zukunft von Mercedes-Benz.

Mercedes-Benz strebt sowohl beim elektrischen Fahren als auch bei der Fahrzeug-Software eine Führungsrolle an. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, hat das Unternehmen mehr als 200 Mio. Euro in den Electric Software Hub im Mercedes Technology Center (MTC) in Sindelfingen investiert. Dort sind zahlreiche Funktionen zu Software, Hardware, System-Integration und Testing unter einem Dach gebündelt. Mercedes-Benz intensiviert in diesem Zug seinen Ansatz einer bereichsübergreifenden Zusammenarbeit.

Der Electric Software Hub beschleunigt die Transformation von Mercedes-Benz. Hier manifestiert sich eine strategische Säule des Unternehmens: „Lead in electric drive and car software“. Ab 2025 werden alle neuen Fahrzeug-Architekturen ausschließlich elektrisch sein. Bei der Fahrzeug-Software verfolgt Mercedes-Benz einen ganzheitlichen Ansatz, der von der Grundlagenforschung und Entwicklung bis hin zum Coding von Software-Umfängen reicht. Allein in Sindelfingen entstehen dazu aktuell rund 1.000 neue Stellen für Software-Entwicklerinnen und -Entwickler. Bis zu 2.000 weitere Stellen kommen derzeit im globalen R&D-Verbund hinzu. Der Electric Software Hub bringt die beiden strategischen Schlüsselthemen für die Zukunft von Mercedes-Benz zusammen und stärkt die Rolle des Standorts Sindelfingen als zentraler Entwicklungs- und Qualifizierungs-Hub. Dafür hat das Unternehmen über 200 Mio. Euro investiert.

„Der Electric Software Hub ist ein Epizentrum unserer Forschung und Entwicklung und gleichzeitig eng vernetzt mit den weltweiten Produktionsstandorten. Hier werden zentrale Aspekte der Zukunft von Mercedes-Benz Realität – insbesondere unser eigenes Betriebssystem MB.OS. Autos gehören zu den komplexesten Produkten überhaupt. Die Hard- und Software sind entkoppelt und müssen perfekt zusammenspielen. Das gewährleisten wir im Electric Software Hub: Er ist unsere Software-Integrationsfabrik“, so Markus Schäfer, Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group AG, Chief Technology Officer verantwortlich für Entwicklung und Einkauf.

Schnellere und effizientere Entwicklung
Mit der zunehmenden Digitalisierung übernehmen die Steuergeräte im Fahrzeug immer komplexere Aufgaben – vom Infotainment über Fahrassistenz-Systeme bis hin zum elektrischen Antrieb. Die Integration aller Komponenten gewinnt damit an Bedeutung. Dieser Prozess ist hoch komplex. Das gilt umso mehr, als die Fahrzeug-Entwicklung nicht mehr zu einem bestimmten Punkt abgeschlossen ist. Auch Autos in Kundenhand erhalten fortlaufend Software-Updates mit neuen und verbesserten Funktionen. Der Electric Software Hub bietet in dieser neuen Fahrzeug-Welt entscheidende Vorteile: Rund 1.100 Expertinnen und Experten aus 19 funktionsübergreifenden Abteilungen arbeiten räumlich enger denn je zusammen. Gemeinsam mit dem Ausbau digitaler Test-Verfahren steigert dies sowohl das Tempo als auch die Qualität der Integrationsprozesse. Die intensive Vernetzung der Disziplinen in einem Gebäude macht den Electric Software Hub außergewöhnlich. Er steht für Simultaneous Engineering und Seamless Integration in Bestform.

Electric Software Hub Im Mercedes Technology Center (MTC) in Sindelfingen

Electric Software Hub im Mercedes Technology Center (MTC) in Sindelfingen.
Mercedes Benz AG

Das neue Gebäude verfügt über 70.000 Quadratmeter Fläche, verteilt auf acht Ebenen. Im Innern des Electric Software Hubs spiegelt sich der gesamte Elektrik-/Elektronik-Integrationsprozess der Fahrzeugentwicklung wider. Die Beschäftigten stellen dabei sicher, dass alle Hard- und Software-Komponenten, die in der Forschung und Entwicklung entstehen, perfekt funktionieren und reibungslos zusammenspielen. Von oben nach unten – vom Code zum Produkt – fließen Software und Hardware immer weiter ins Fahrzeug ein, bis sie auf den unteren Flächen in Fahrzeug-Prototypen integriert werden. In dieser Phase findet ein intensiver Austausch mit den weltweiten Fahrzeug-Werken statt, sodass neue Entwicklungen optimal in die Serienproduktion überführt werden können.

Verkürzte Entwicklungszeit durch modernste Testtechnologien
In den oberen Stockwerken befinden sich die Software Code-Erstellung und die Labore der Vor-Integration. Hier testen die Expertinnen und Experten zunächst mit virtuellen Technologien und Simulation, ob die verschiedenen Software-Komponenten korrekt miteinander interagieren und die Fahrzeugfunktionen fehlerfrei umgesetzt werden – man spricht von Integration. Dabei kommen modernste Verfahren der Absicherung von Elektrik/Elektronik zum Einsatz. So werden zum Beispiel Komponenten und Steuergeräte in einem virtuellen Fahrzeug vollautomatisiert getestet – die zum Einsatz kommende Technologie wird als Hardware-in-the-Loop bezeichnet. Hierfür kommen im Electric Software Hub hochspezialisierte Prüfstände zum Einsatz, die für verschiedene in Entwicklung befindliche Baureihen betrieben werden. Im Grundprinzip ist nur die Elektronik mit der zu testenden Software real vorhanden, das gesamte restliche Fahrzeug wie auch die Umwelt werden simuliert.

Auch in sehr frühen Phasen der Software-Entwicklung, also noch bevor die ersten Steuergeräte als Hardware vorliegen, können über spezifische Simulationsverfahren die Fahrzeugfunktionen getestet werden. All diese Verfahren zielen darauf ab, durch hohe Automatisierung die Entwicklungszeiten drastisch zu verkürzen und möglichst frühzeitig zu einem hohen Reifegrad der Software zu gelangen.

Selbst die vollständige Simulation einer Erprobung im Fahrzeug ist im Electric Software Hub durch die Technologie der „Digitalen Erprobungsfahrt“ möglich. Dabei wird in einer vollständig simulierten Umwelt ein virtuelles Fahrzeug in gleicher Weise bewegt und getestet, wie dies bei einer realen Fahrerprobung der Fall wäre – nur findet diese „Erprobungsfahrt“ in einem Labor auf dem sechsten Stockwerk des Electric Software Hubs statt.

Ein wesentliches Schlüsselkonzept dieses Gebäudes ist auch die räumliche Nähe aller Testeinrichtungen und Prüfstände der Software-Integration (bis hin zum Fahrzeug) – und natürlich auch der Ingenieurinnen und Ingenieure, die sie betreiben. Auch dies leistet einen wichtigen Beitrag zur Verkürzung der Entwicklungszeit durch optimale Unterstützung der Integration.

Kurze Wege fördern schnelle Ergebnisse
Auf Ebene 4 befinden sich die fahrbaren Prototypen. Sogenannte Klausur-Flächen gruppieren sich um Besprechungsräume. So können die Teams die bei den Tests gewonnenen Daten direkt gemeinsam auswerten. Da das gesamte Gebäude per Glasfaser-Technologie vernetzt ist, lassen sich die enormen Datenmengen, die während der Tests entstehen, in kürzester Zeit auslesen. Im Gebäude sind zudem die Produktionsstufe und die Anlaufabsicherung voll integriert. Mit der Elektrik-/ Elektronik- (E/E) Inbetriebnahme der Prototypen und einem erfolgreichen Reifegrad-Managementsystem unterziehen die Mercedes Spezialistinnen und Spezialisten den gesamten Entwicklungsprozess einem stetigen Realitätscheck. Auch den anschließenden Serien-Produktionsprozess inklusive Prüfanforderungen und -abläufe sichern sie im Electric Software Hub ab. Die entwicklungsseitigen Vorintegrationen arbeiten hier Hand in Hand in einem Gebäude mit dem produktionsseitigen Integrationscenter E/E zusammen, von der Komponente bis zum Fahrzeug.

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Die drei unteren Ebenen sind speziell für Labore, Werkstätten und Prüfstände ausgelegt. Dort lassen sich die vielfältigen globalen Herausforderungen abbilden, denen die Mercedes-Benz Fahrzeuge gewachsen sein müssen. Die Fahrzeug-Prüfstände erlauben Tests bei Temperaturen von -30 bis +50 Grad und Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h. Außerdem verfügt der Electric Software Hub über 250 Ladepunkte. So lassen sich eine große Zahl verschiedener Fahrzeuge jederzeit parallel laden. Auch dies beschleunigt das Testing und erhöht die Entwicklungsgeschwindigkeit. Für die Lade-Infrastruktur gibt es weltweit unterschiedliche Lade-Standards, welche die Anlagen im Electric Software Hub abbilden. Dies gilt auch für das besonders schnelle High Power Charging. Mercedes-Benz kann so gewährleisten, dass Software, digitale Anwendungen, elektrisches Fahren und Laden in Kundenhand jederzeit und überall stabil und fehlerfrei funktionieren.

Innovative Gebäude-Architektur und Arbeitskultur
Von außen präsentiert sich der Electric Software Hub ganz in der aktuellen Architektur-Designsprache von Mercedes-Benz. Der große, transparente Glas-Kubus betont über die Fassaden-Gestaltung den Gedanken der Offenheit; die in Anthrazit gehaltenen Lamellen symbolisieren sportlichen Luxus. Die Kommunikationsspangen auf den einzelnen Ebenen erstrecken sich über die gesamte Gebäudelänge von 130 Metern. Es herrschen ideale Voraussetzungen für den Mercedes-Benz me@work-Ansatz: Es gibt keine Trennung zwischen Werkstätten, Laboren und Büros. Viel Glas, modulare Räumlichkeiten und eine offene Architektur ermöglichen gemeinsames Arbeiten ohne räumliche Grenzen. Flexible Arbeitsplätze fördern den Austausch zwischen den Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichen Bereichen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen auf der Ebene 6 insgesamt drei begehbare und möblierte Innenhöfe zur Verfügung. Sie dienen einerseits als Pausenflächen. Wer möchte, kann dank Netzanschlüssen den Arbeitsplatz einfach ins Freie verlegen. Details wie diese gehören zur langfristigen strategischen Fabrikplanung bei Mercedes-Benz. Das Unternehmen hat diesen Ansatz bereits vor einem Jahrzehnt entwickelt und setzt ihn seither konsequent um. Am Standort Sindelfingen entsprechen ihm bisher die neuen Gebäude für den Fahrsimulator, das Technologiezentrum Fahrzeugsicherheit, der Klima- und Windkanal und die Factory 56.