[Fraunhofer IAO] – Mit der „Akzeptanzstudie FlyingCab“ untersucht das Fraunhofer IAO in Kooperation mit der Volocopter GmbH die Meinung der Nutzenden zu Flugtaxis. Diese versprechen unter anderem eine individuellere und flexiblere Fortbewegung. Doch wie begeistert sind die zukünftigen Nutzer*innen von der neuen Mobilitätslösung und der Aussicht, sich fliegend durch Städte zu bewegen?
Verkürzte Reisezeiten, Entlastung von bestehenden Infrastruktursystemen, flexibler Individualverkehr – das sind nur ein paar der Vorteile des zukunftsträchtigen Mobilitätskonzepts der Urban Air Mobility: Flugtaxis und deren Integration in urbane Mobilitätssysteme gelten aktuell als eine der innovativsten und erfolgversprechendsten Technologieentwicklungen für die Lösung urbaner Verkehrsprobleme. Neben technologischen und rechtlichen Fragestellungen spielt jedoch vor allem die gesellschaftliche Akzeptanz eine erfolgsentscheidende Rolle, die aber aktuell noch zu den großen Unbekannten zählt: Wie stehen die Nutzer*innen zur Eroberung des urbanen Luftraums?
Um Innovationskonzepte bewerten zu können, helfen Produkterlebnisse unter realen Nutzungsbedingungen, doch diese sind gerade bei hochgradig neuartigen Produkten und in frühen Entwicklungsstadien nur schwer empirisch zu untersuchen. Deshalb hat das Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Kooperation mit dem Mobilitätspionier Volocopter GmbH für die Erhebung einen funktionsfähigen Prototyp eingesetzt. Im Mai 2019 wurden insgesamt 320 Personen innerhalb von drei Tagen während einer realen Reiseerfahrung im Berliner Hauptbahnhof befragt. Zentrale Ergebnisse sind nun in der „Akzeptanzstudie FlyingCab – Urban Air Mobility aus Sicht der Nutzer“ dargestellt, die eine grundsätzlich positive und innovationsoffene Erwartungshaltung der Studienteilnehmenden offenbart.
Objektives Feedback durch realen Nutzungskontext
Mithilfe des ausgestellten Prototyps konnten sich Interessierte einen realen Eindruck davon verschaffen, wie Flugtaxis funktionieren, aussehen und sich anfühlen. Aufgestellte Monitore zeigten reale Testflüge und simulierte Hochlaufszenarien. Außerdem hatten die Studienteilnehmenden die Möglichkeit, sich direkt vor Ort mit den Mobilitätsexpert*innen auszutauschen. Damit basierte die Bewertung nicht nur auf emotionalen, sondern auch auf visuellen und taktilen Wahrnehmungen, welche die Proband*innen in einem Fragebogen festhielten. „Klassische Umfragen scheitern oft an der Unbekanntheit der Technologie und den vielfältigen Vorstellungen der Nutzer, die Vergleiche nur bedingt erlauben“, erklärt Sebastian Stegmüller vom Fraunhofer IAO.
Akzeptanzstudie gibt Einblicke in Mobilitätsbedarfe und Sicherheitsempfinden
40 Prozent der Teilnehmenden, die im Flugtaxi-Prototyp saßen, empfanden ein „eher sicheres“ bis „sicheres“ Gefühl. Dennoch stellte das Forschungsteam des Fraunhofer IAO einen hohen Bedarf an technischen Sicherheitsvorkehrungen fest: 72 Prozent der Befragten haben die Notlande-Funktion als „sehr wichtig“ bewertet, gefolgt von der Notruffunktion mit 65 Prozent. In Bezug auf die Steuerung des Flugtaxis waren sich die Teilnehmenden uneinig: 35 Prozent ist es lieber, wenn ein Pilot oder eine Pilotin das Flugtaxi steuert, wiederum 35 Prozent ist es egal und 26 Prozent vertrauen bereits auf die Technik für eine autonome Steuerung. Allerdings ist es den meisten wichtig, dass zumindest in der Anfangsphase ein menschlicher Pilot mit an Bord ist.
Der Großteil der Teilnehmenden findet die Vorstellung sinnvoll, Dienstreisen mit dem Flugtaxi zurücklegen zu können. Eine große Mehrheit würde ein Flugtaxi gern als Alternative zum Auto oder dem öffentlichen Nahverkehr auf dem Weg zur Arbeit in Anspruch nehmen. Die Vorteile liegen für die Proband*innen deutlich in der vergleichsweisen kurzen Reisezeit, der großen Flexibilität, der direkten Flugverbindung ohne Umstiege sowie dem besonderen Reiseerlebnis.
Um die Anbindung an Flugtaxis zu erleichtern und möglichst viele Nutzer*innen zu transportieren, haben die Teilnehmenden Bahnhöfe, Flughäfen und Park-and-Ride-Standorte als ideale Start- und Landeplätze identifiziert. Mögliche Taxi-Sharing-Angebote stießen bei den Befragten der Akzeptanzstudie auf positive Resonanz. Mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden können sich vorstellen, ein Flugtaxi mit anderen Fluggästen zu teilen. „Gerade die symbiotische Anbindung von Flugtaxis an bestehende Mobilitätsknoten, wie beispielsweise den großen Fernbahnöfen, sehen wir als wichtigen Aspekt einer sinnvoll integrierten Urban Air Mobility“, so Franziska Braun, Mobilitätsforscherin am Fraunhofer IAO.
Studie legt weiteren Forschungsbedarf offen: Personenkapazität, Gepäckmitnahme und Innenraumgestaltung
Die Ergebnisse der Befragung legen den Grundstein für weitere Forschungsprojekte rund um das Mobilitätskonzept Flugtaxi. Ein relevantes Themengebiet ist unter anderem die Mitnahme von Gepäck: Welche Größe und welches Gewicht sind möglich? Und wie wirkt sich das auf Innenraumgestaltung, Preiskalkulation, Sicherheit und Reichweite des Taxis aus? Weiterer Forschungsbedarf besteht im Hinblick auf das teils fehlende Sicherheitsgefühl der Fluggäste bei autonom betriebenen Maschinen: Welche Möglichkeiten gibt es, um den Nutzer*innen die Zweifel zu nehmen?
Stegmüller, S.; Braun, F. (2020): Akzeptanzstudie FlyingCab. Urban Air Mobility aus Sicht der Nutzer. Akzeptanzstudie FlyingCab. Experimentelle Akzeptanzerhebung im Kontext Urban Air Mobility. Stuttgart: Fraunhofer IAO, 2020, 21 S.
Weitere Informationen dazu:
Zukunftsstudie E-Fliegen. Vorbereitende Kurzstudie zum Aufbau eines Testfelds für energieeffizientes, elektrisches und autonomes Fliegen in Baden-Württemberg