Technologie: Wissenschaft

Ultrafeinstaub könnte die zunehmenden Wetterextreme verursachen

Ultrafeinstaub könnte die zunehmenden Wetterextreme verursachen
Auf zahlreichen Messflügen steuerte Junkermann das Ultraleichtflugzeug D-MIFU des KIT, das kleinste bemannte Forschungsflugzeug der Welt.
Foto: Bodenbender

[KIT] Ob Starkregen oder extreme Trockenheit – weltweit nehmen die Extrem­wetter­ereignis­sen zu. Mit bisherigen Klimamodellen ist ihre Dynamik nur zum Teil abbildbar. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) vermuten, dass Ultrafeinstaub, ultrafeine Partikel, in der Atmosphäre signifikant auf die Wolkenphysik und damit auf das Wetter einwirken. Mit Flug­zeug­messungen belegen sie einen Anstieg der Partikel-Anzahl-Emissionen trotz Rückgang des gröberen Feinstaubes und machen dafür teilweise die Verbrennung fossiler Brennstoffe mit Abgas­reinigungs­anlagen verantwortlich.

Nach den neuesten Berichten des Intergovern­mental Panel on Climate Change, kurz IPCC, werden Wetter­extreme wie Dürren und Starkregen weiter zunehmen. „Bislang wurden diese Ver­änderungen in der Klima­forschung hauptsächlich auf das zunehmende Kohlendioxid und die entsprechend höhere Wasser­dampf­kapazität einer sich erwärmen­den Atmosphäre zurückgeführt“, sagt Dr. Wolfgang Junkermann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umwelt­forschung (IMK-IFU), dem Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen. Da Kohlendioxid aber aufgrund seiner langen Lebensdauer räumlich relativ gleichmäßig verteilt sei, ließe sich damit die Variabilität in der Verteilung und im Auftreten von Extrem­wetter­ereignis­sen ohne Einbeziehung des Wasser­kreislaufs nicht befriedigend erklären.

Gemeinsam mit dem Klimaforscher Professor Jorg Hacker vom un­abhängigen Forschungs­­institut Airborne Research Australia (ARA) argumentiert Junkermann, dass ultrafeine Partikel von wenigen Nanometern bis zu 100 Nanometer aus der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen signifikant zu den Extrem­wetter­ereignis­sen beitragen, indem sie als Kondensationskerne regional und kurzfristig auf die Wolkenphysik einwirken. „Mit üblichen Modellen für die Wolkenbildung können wir zeigen, dass sich durch die Zunahme von ultrafeinen Partikeln auch mehr und kleinere Tropfen bilden“, erklärt Junkermann. „Dadurch verweilt Wasser viel länger in der Atmosphäre, der Regen wird zunächst unterdrückt und es entsteht ein zusätzliches Energiereservoir in der mittleren Troposphäre, das extreme Niederschläge begünstigt. Das kann dann hunderte Kilometer entfernt passieren. Eine heterogene Verteilung der Nanopartikel-Verschmutzung könnte beitragen, die großen regionalen Unterschiede bei Extrem­wetter­ereignis­sen zu erklären.“

Nanopartikel durch moderne Abgasreinigung
Bislang kann die Wirkung von ultrafeinen Partikeln auf die Wolken­bildung nur unter seltenen Bedingungen direkt beobachtet werden. Deshalb nutzten die Forscher Daten zur Menge und Verteilung von Ultrafeinstaub in der Erd­atmosphäre sowie zu Veränderungen im Wasserkreislauf. Dabei wurde deutlich, dass in vielen Gebieten der Erde ein Anstieg der Partikel­anzahlen mit regional veränderten Niederschlagsmustern korreliert: „Über dem Mittelmeer ist die Partikelkonzentration beispielsweise seit den 1970er Jahren um den Faktor 25 angestiegen“, sagt Junkermann. „Im selben Zeitraum gibt es starke Veränderungen bei den Niederschlägen, weg von regelmäßigen Regenfällen und hin zu Dürren und stärkeren Extremereignissen.“

Ähnliche Muster seien in Australien und in der Mongolei erkennbar. Möglich wurde dieser Befund durch umfangreiche Messreihen mit Kleinflugzeugen, mit denen die Forscher über 20 Jahre den wohl größten Datensatz dieser Art zusammengetragen haben. Er umfasst Gebiete in Asien, Mittelamerika, Europa und Australien mit historisch rekonstruierbaren Emissionen und gut doku­mentier­ten regionalen Klimaänderungen.

Mit den nun veröffentlichten Daten belegen die Forscher einen extremen Anstieg der Partikel-Emissionen seit den 1970er Jahren, für die ebenfalls Daten vorliegen. „Punktuell konnten wir eine Belastung von bis zu 150.000 Teilchen pro Kubikzentimeter nachweisen, wo 40 Jahre zuvor nur etwa tausend Teilchen nachweisbar waren“, sagt Junkermann. „Die extremen Konzentrationen konnten wir auf Kraftwerke, Raffinerien oder den Schifffahrts­verkehr zurückführen, oft und besonders auch auf Großfeuerungsanlagen mit neuester Abgas-Technologie.“ So werde beispielsweise seit den 1990er Jahren Ammoniak eingesetzt, um die Bildung von Stickoxiden (NOx) in Abgasen von Industrieanlagen zu verhindern. Mit ihren Daten könnten sie nun nachweisen, dass dabei besonders viele Ultrafeinstaub-Teilchen in die Atmosphäre entweichen.

Appell an die Klimaforschung
Mit ihrem Artikel appellieren die Wissenschaftler dazu, den Anstieg von Ultrafeinstaub in der Atmosphäre in den Szenarien der Klimaforschung stärker zu berücksichtigen. In den bisherigen Berechnungen würden standardmäßig Staubwerte aus Emissionsszenarien vom Anfang des Jahrhunderts verwendet. „Mit aktuelleren Daten könnte die Modellierung des Wasserkreislaufs, der Niederschlagsänderungen und der Extrem­wetter­ereignis­se vermutlich wesentlich verbessert werden“, so Junkermann. (mhe/KIT)


Wolfgang Junkermann, Jorg Hacker: Unprecedented levels of ultrafine particles, major sources, and the hydrological cycle. Scientific Reports, 2022. DOI: 10.1038/s41598-022-11500-5