[Fraunhofer IZM] – Wasserstoff kann zum Wegbereiter der Energiewende werden. Besonders in der Verkehrsindustrie wird über Technologien diskutiert, um künftig Verkehrsmittel wie Lastkraftwagen, Schiffe oder Züge klimaneutral zu bewegen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Elektromobilität mit Wasserstoff und Brennstoffzellen ist lautlos und ermöglicht emissionsfreies Fahren mit großen Reichweiten und schneller Betankung. Wenn es aber so einfach wäre, würden wir alle schon lange nicht mehr Diesel und Benzin tanken. Fraunhofer-Experte Dr. Stefan Wagner, Leiter einer Gruppe, die sich mit Fragen der Zuverlässigkeit von elektrischen Baugruppen und Systemen sowie AVT-Technologien beschäftigt, erklärt, was das Supergas alles kann und wie ein elektronisches System sicher betrieben werden kann.
Von Handys und Kameras über die mobile Energieversorgung fürs Militär bis hin zu wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen oder statischen Outdoor-Wetterstationen – es wurden schon viele elektronische Anwendungen der Brennstoffzelle erforscht und ausprobiert. Am Markt durchgesetzt, haben sich bisher hingegen wenige, denn Energiesysteme auf Basis von Wasserstoff sind immer noch zu teuer für die Endverbraucher und die Betriebsführung der Vehicle, technischen Geräte und anderer Leistungselektronik ist noch immer nicht vollständig zuverlässig. Der Druck zum Einsatz von Wasserstofftechnologien wächst aber auch seitens der Politik, dass die Energie der Zukunft nicht mehr nur noch günstig und langlebig sein soll, sondern vor allem umweltfreundlich. Unser Experte am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin, Dr. Stefan Wagner, der schon seine Dissertation zur Brennstoffzelle verfasste, beantwortet uns die wichtigsten Fragen.
Brennstoffzelle und Batterie – Rivalen oder Teamplayer?
Wagner: „Es ergibt definitiv Sinn, beides zu kombinieren, denn einen reinen Wasserstoffantrieb, bei dem keine Batterie im System integriert ist, gibt es kaum, da die Brennstoffzelle immer einen Akku braucht, aus dem die Initiierungsenergie kommt. Dieser Akku könnte jedoch definitiv kleiner werden als aktuell verwendet und damit das Gewicht im Automobil reduzieren. Aktuell wiegen Wasserstoffantriebe aufgrund der massiven Systemtechnik mehrere hundert Kilogramm. Hier muss es zu einer Gewichtsreduktion kommen, um eine sichere und zuverlässige Betriebsführung von mobilen Anwendungen wie Automobilen zu garantieren. Als Experten für Miniaturisierung und zuverlässige Systemtechnik können wir am Fraunhofer IZM Sensor- und Aktuatorikherstellern bei der Verkleinerung der Einzelteile unterstützen und durch beispielsweise intelligente Drucksensoren, Messmethoden, innovativere Aktuatorik die Betriebsfähigkeit und Langlebigkeit der Systeme zu erhöhen.“
EU-Klimaziele: Mit Wasserstoff zur CO2-Neutralität bis 2050?
Laut Wagner ist das technisch auf jeden Fall umsetzbar, wenn nur der Ansatz der CO2-Neutralität an erster Stelle steht und individuelle Profitmaximierung der Beteiligten in den Hintergrund rückt. Trotz vieler Förderungsmaßnahmen der Politik, Bestrebungen aus der Industrie ebenso wie schon über 150 Jahre themenbezogener Forschung, rückten Wasserstofftechnologien immer wieder in den Hintergrund, da günstigere Alternativen, wie beispielsweise die Batterie, auf den Markt kamen. Um diese zyklische Entwicklung der Forschung aufzugreifen, muss es ausschließlich darum gehen, die technischen Voraussetzungen für den Umstieg auf Wasserstoffgetriebene Energie umzusetzen.
Stefan Wagner sagt dazu: „Wir sind besonders froh, dass auch die Fraunhofer-Gesellschaft nun verstärkt auf den Wasserstoff gekommen ist und wir uns wieder mehr mit der Weiterentwicklung der Nutzung des Gases und seiner Einsatzmöglichkeiten beschäftigen können. Im Moment kranken die Systeme in der Brennstoffzelle daran, dass sie sehr teuer, aber noch nicht lange genug und sicher und robust laufen sollen. Die aktive Sensorik und Aktuatorik sind im System aktuell eher örtlich weit voneinander entfernt. Ortsnahe Sensorik am Stack könnte dabei helfen, eine bessere Betriebsfähigkeit zu erreichen bzw. Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der Systeme zu erhöhen.“
Gibt es kostengünstigere, emissionslose Energiekonzepte als H2?
Wagner erklärt, dass man durch die extrem niedrige Temperatur des flüssigen Wasserstoffs zwar eine hohe Speicherdichte erreicht, aber auch einen hohen Aufwand hat, um das System betriebsfähig und die niedrigen Temperaturen aufrecht zu erhalten. Die druckbehaftete Speicherung von Wasserstoff stellt hierbei einen ersten zielführenden Zwischenschritt dar, um erste nachhaltige Erfolge bezüglich einer ersten Etablierung von Wasserstoffanwendungen zu erreichen. Neben den finanziellen Aspekten, ist dies besonders schwer steuerbar im Vergleich zu fossilen Kraftwerken, die mit Kohle oder Erdgas betrieben werden und bei mehr Energiebedarf einfach mehr von dem fossilen Brennstoff hinzugefügt werden kann.
Auch Wind und Photovoltaik sind nur eingeschränkt steuerbar, denn die Kraft des Windes ist schwer vorauszusehen und stark von der Vegetation abhängig, gleiches gilt für die Photovoltaik, also durch Sonnenlicht erzeugte Energie. Um energetisch nicht unterversorgt zu sein, empfiehlt es sich, auf größere Flächen zu setzen und bei einer Überproduktion die Elektrolyse und das Wasserstoff-System einzubeziehen. Aus den unterschiedlichen Möglichkeiten empfiehlt Dr. Stefan Wagner, die Energieversorgung als Mixkonzept zu verstehen und aufzubauen, bei dem Teillasten aus Wind und Photovoltaik und Spitzenlasten aus der Elektrolyse und Brennstoffzellen gewonnen werden, um jeweils die höchstmöglichen Wirkungsgrade nutzen zu können.
Perspektiven für Forschung und Anwendung
Als Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration ist es am Fraunhofer IZM besonders wichtig, dass die Komponenten in den einzelnen Verkehrsmitteln oder der alltäglichen Energieerzeugung sicher, zuverlässig und miniaturisiert sowie für die Menschen bezahlbar sind. Daher möchten Wagner und seine Kolleginnen und Kollegen genau an dieser Stelle Projektpartner finden, um die Energieumwandlung von Gas zu Leistung (im Fachjargon Gas to Power) zu revolutionieren. Sie können dabei in der Entwicklung zuverlässiger und robuster Sensorik und Aktuatorik für den Gaspfad unterstützen – beispielsweise mit der Unterstützung bei der Entwicklung von Wasserstoff-, Feuchte- oder Drucksensoren sowie Sensornetzwerken und Druckminderern und bei der Zuverlässigkeitsbewertung und Entwicklung von Steuer- und Leistungselektronik mit Hinblick u.a. EX-Schutz. Abschließend bieten sie auch Zuverlässigkeits-und Robustheits-Analysen von Steuerelektronik und Brennstoffzellen-Komponenten unter Wasserstoff-spezifischen Randbedingungen und spezifischen Mission Profiles für den Kunden an, um somit von der integrierten Sensorik und verbesserten Systemdesigns bis hin zu den Tests in der Anwendung die gesamte Wirkungskette nachzuvollziehen.
Bleibt der Wunsch, dass durch Wasserstoff der Eintritt in die emissionsfreie Energiegewinnung gewährleistet wird. Dr. Stefan Wagner begann seine Forschung vor 20 Jahren an Brennstoffzellen. Zu Beginn seiner Forschungsarbeiten wollte er die Brennstoffzelle als Game-Changer für die Energieversorgung für miniaturisierte Anwendungen revolutionieren. Aus seiner Sicht ist es mittlerweile aber unabdingbar, die Energiegewinnung mittels Windkraftanlagen durch den Einsatz von Wasserstoff zu ergänzen, um langfristigere Speicherung der Energie zu gewähren.