Automatische Containerbrücken, Hafen Rotterdam. Bild: Quistnix / Wikimedia
HiRo-Studie der TU Darmstadt zeigt hohes Marktpotenzial
Der Hafen Rotterdam könnte seinen Marktanteil in einzelnen Regionen in Südwestdeutschland um bis zu 23% erhöhen, wenn zusätzliche Bahnverbindungen geschaffen würden. Das ist eines der Ergebnisse der von der TU Darmstadt, dem Hafenbetrieb Rotterdam und Contargo gemeinsam durchgeführten Marktstudie „HiRo – Marktpotenzial von Containertransporten aus dem südwestdeutschen Hinterland“.
Im Zentrum der Studie standen eine Befragung von 30 Spediteuren, Reedern und Verladern der Regionen, die deren Wahlverhalten über Häfen und Transportmodalitäten näher beleuchtet, und ein Simulationsmodell, das die Ist-Marktanteile sowie das theoretische und tatsächliche Marktpotential ermittelte. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse dieses methodischen Vorgehens zusammengefasst.
Zentrale Ergebnisse der Befragung
Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Digitalisierung in der Transportabwicklung langsam aber stetig Fuß fasst und somit auch immer stärker die Prozesse und letztendlich die Entscheidungsfindung beeinflusst. Außerdem wird bestätigt, dass zuverlässige Hinterland-Anbindungen zunehmend zum zentralen Wettbewerbsfaktor der Hafenauswahl werden.
Die folgenden zehn Kernaussagen fassen die Ergebnisse der Befragung zusammen:
- Längerfristige Rahmenverträge und kurzfristige Buchungshorizonte bestimmen die Transportaufträge.
- Große Entwicklungspotenziale der Digitalisierung mit steigendem Einsatz von EDI – Schnittstellen ersetzen zunehmend die manuellen Kommunikationswege (Email, Fax, Telefon).
- Der Disponent bleibt trotz Digitalisierung ein wichtiger Bestandteil der komplexen Transportplanung und -steuerung.
- Verlader routen die Seecontainer eher über die Westhäfen, Spediteure bevorzugen die deutschen Seehäfen.
- Alle Entscheidungsträger, besonders die Spediteure, setzen im Durchschnitt zu mehr als 20% die Straße im Hinterlandverkehr ein.
- Das Bindungsmaß an die Seehäfen (Logistikflächen, Terminalbeteiligungen) ist bei nur den Reedern ausgeprägt.
- Einer breit gefächerten, seeseitigen Anbindung räumen alle Entscheidungsträger die höchste Relevanz ein.
- Weitere vorhandene Bewertungskriterien für die Hafenauswahl sind:
– Bei den Reedern die Leistungsfähigkeit der Häfen
– Bei den Spediteuren die Kosten
– Bei den Verladern die zuverlässigen Hinterlandanbindungen - Bei indirekter Präferenzmessung besitzen die Transportkosten bei allen Entscheidungsträgern den höchsten Stellenwert.
- Zusätzliche IT-Dienstleistungen haben für die Verlader einen positiven Nutzwert, Reeder und Spediteure stehen e-Marketplaces eher skeptisch gegenüber.
Zentrale Ergebnisse der Simulation
Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass durch eine Angebotsverbesserung, Verlagerungen zu den Westhäfen hinsichtlich der Marktanteile und beim Modal Split zu erwarten sind.
Dabei zeigt das theoretische Marktpotenzial, bei dem ein „rationaler Entscheider“ nur auf Basis von Transportkosten und -dauer urteilt, ein Verlagerungspotenzial für Binnenschiff und Bahn zu den Westhäfen auf.
Bei zusätzlichen Bahnverbindungen kann z.B. im Großraum Stuttgart ein bis zu 15% höherer Marktanteil erzielt werden. Auch bei der Betrachtung der erweiterten Entscheidungslogik in der Simulation, zur Feststellung des tatsächlichen Marktpotenzials, verschob sich der Modal Split zugunsten von Binnenschiff und Bahn.
Basierend auf den getroffenen Annahmen und gewählten Szenarien konnte der Marktanteil für Rotterdam in bestimmten Regionen um bis zu 23% erhöht werden. Diese Ergebnisse fordern daher unter anderem zur Evaluierung zusätzlicher Bahnverbindungen auf.
Fazit und Ausblick für Rotterdam
Die Befragung ergab vor allem ein besseres Verständnis des Entscheidungsverhaltens für Hinterlandverkehre und Hafenwahl. Dabei wird neben den Transportkosten unter anderem die Zuverlässigkeit der Hinterland-Anbindung zum zentralen Wettbewerbsfaktor.
Die Erhöhung der Bahnangebote schafft zusätzliche Marktanteile und einen höheren Anteil am Modal Split für die Bahn. Die bestmögliche Vorbereitung auf die Zukunftsszenarien erfordert einen offenen (Daten-)Austausch zwischen allen Akteuren zur Reduzierung von „Insellösungen“ und zur systematischen Verbesserung übergreifender Prozesse, durch die an der Transportkette beteiligten Akteure.