[DLR] – Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat den Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt nach einer umfangreichen Analyse als Standort für die Technologie-Plattform PtL (TPP) ausgewählt. Die Forschungsanlage soll einen entscheidenden Beitrag leisten, um zeitnah strombasierte Kraftstoffe – auch Power-to-Liquid-Kraftstoffe (PtL) oder e-SAFs (Sustainable Aviation Fuels) genannt – in industriellem Maßstab herzustellen. Dazu wird das DLR dort mit Unternehmen und weiteren Forschungseinrichtungen die dafür notwendigen großtechnischen Technologien und Verfahren entwickeln und testen. Geplanter Baubeginn der Anlage ist, vorbehaltlich der finalen Förderzusage, im Januar 2024.
„Die Technologie-Plattform PtL wird einen entscheidenden Beitrag leisten, um Technologien für die industrielle Produktion strombasierter Kraftstoffe zu entwickeln und in die Anwendung zu bringen. Wir freuen uns daher sehr, dass wir uns im Auswahlverfahren des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr durchsetzen konnten. Das DLR wird nun die Pläne konkretisieren und vertiefen. Strombasierte Kraftstoffe sind – neben alternativen Antrieben und weiteren Verbesserungen bei Effizienz und Nutzung – eine wichtige Säule für eine klima- und umweltverträglichen Mobilität, insbesondere für den Flug- und Schiffsverkehr. Aktuell stehen e-SAFs noch nicht in ausreichenden Mengen bereit. Mit der TPP stellen wir uns der Herausforderung der Effizienzsteigerung der Energieträger, deren Klimaverträglichkeit und der Skalierung für die industrielle Produktion“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR.
„Die E-Fuels-Technologie steht in den Startlöchern für den Markthochlauf. Als Innovationsstandort Deutschland ist es unser Anspruch, diese Technologie zu fördern und weiterzuentwickeln. Hier setzen wir mit der Förderung der Technologie-Plattform PtL an. Als Leuchtturmprojekt soll die Plattform Unternehmen und Forschungseinrichtungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenbringen, um die E-Fuels-Technologie zu skalieren und optimieren. Ich freue mich, dass mit dem Chemie- und Raffineriepark Leuna nun ein idealer Standort zur Umsetzung gefunden wurde“, sagt Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr.
„Ich freue mich, dass Leuna als Standort der Technologie-Plattform PtL ausgewählt wurde. Damit wird das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt neben dem Kompetenzzentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme in Cochstedt mit einer zweiten Einrichtung in Sachsen-Anhalt vertreten sein. Dies zeigt, dass Sachsen-Anhalt ein hervorragender Ort für zukunftsorientierte Forschung mit seinen relevanten Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft ist. Mit der Entscheidung für den Chemiestandort Leuna, wird der Strukturwandel im Mitteldeutschen Braunkohlerevier weiter forciert. Damit wird mit diesem Projekt ein bedeutsamer Beitrag für notwendige Entwicklung und zukünftige Produktion von synthetischen Kraftstoffen geschaffen“, erklärt Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.
Investition in die Hochskalierung von Technologien für strombasierte Kraftstoffe
Auf Basis eines wettbewerblichen Verfahrens wurde das DLR vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ausgewählt, die Technologie-Plattform PtL detailliert zu planen. Für diese Planungsphase stellt das BMDV rund 12,7 Millionen Euro zur Verfügung. Die Bewilligung der Umsetzungsphase in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags soll voraussichtlich Ende des Jahres erfolgen. Der Betrieb der Forschungsanlage ist zunächst bis 2035 geplant, ein Weiterbetrieb darüber hinaus angedacht. Es werden circa 100 Arbeitsplätze in den Bereichen Bau, Anlagenbetrieb und Forschung entstehen.
Standortwahl in mehrstufigem Verfahren
In einem mehrstufigen Verfahren hat das DLR mehr als 60 Standorte geprüft. Drei davon kamen in die engere Auswahl. Die Infrastruktureinrichtungen auf dem Gelände der früheren Leunawerke in Leuna setzten sich in diesem Verfahren durch. Eigentümer und Betreiber ist die InfraLeuna GmbH. „Der Standort Leuna bietet die besten Bedingungen, um die mit der Technologie-Plattform verknüpften Forschungsziele umfassend umzusetzen. Den Ausschlag für die Entscheidung gaben mehrere Faktoren: das Angebot an erneuerbaren Ressourcen im Bereich Strom und CO2, die bereits vorhandene technische Infrastruktur sowie die Einbindung in die dortige Forschungslandschaft mit Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären wissenschaftlichen Einrichtungen“, fasst der Leiter des Projekts, Prof. Manfred Aigner vom DLR-Institut für Verbrennungstechnik, zusammen.
Bisher größte Forschungsanlage für industrielle Produktion von strombasierten Kraftstoffen
Die Technologie-Plattform PtL wird aus zwei aufeinander aufbauenden Anlagensträngen bestehen: Im Forschungsstrang der Anlage wird das DLR mit Wissenschaft und Industrie neuartige Technologien und Prozesse erproben. Die Forschenden werden dafür detaillierte wissenschaftliche Analysen durchführen und einzelne Komponenten optimieren. Der Schwerpunkt des Demonstrationsstrangs wird auf dem Kampagnenbetrieb einer semi-industriellen Anlage zur Produktion strombasierter Kraftstoffe mit einer Kapazität von bis zu 10.000 Tonnen pro Jahr liegen. Aktuell wäre die TPP damit die weltweit größte Forschungsanlage im Bereich der strombasierten Kraftstoffe.
Gleichzeitig deckt die Plattform die ganze Prozesskette ab: Das Themenspektrum reicht von erneuerbaren Energien als Quelle für strombasierte Kraftstoffe bis zur Zertifizierung und zur Demonstration des Einsatzes dieser Kraftstoffe. Das Vorhaben basiert auf dem umfassenden Know-how entlang der gesamten Prozesskette und der langen Erfahrung, die das DLR in diesen Bereichen mitbringt: vom Fuel Design, also der Entwicklung von Kraftstoffen mit optimalen Eigenschaften und minimaler Klima- und Umweltwirkung, über die techno-ökonomische Untersuchung und Entwicklung von Herstellungswegen und die Integration strombasierter Kraftstoffe ins gesamte Energiesystem bis hin zur Anwendung und Emissionsmessungen, beispielsweise mit Hilfe spezieller Forschungsflugzeuge des DLR.
Fuel Design: gezielte Kraftstoff-Entwicklung reduziert auch Nicht-CO2-Effekte
Strombasierte Kraftstoffe haben das Potenzial, nicht nur größere Mengen an CO2 einzusparen, sondern auch die sogenannten Nicht-CO2-Effekte erheblich zu senken. Dazu gehört der Ausstoß von Stickoxiden, Rußpartikeln oder Wasserdampf. In der Luftfahrt sind derzeit die Nicht-CO2-Effekte rund doppelt so hoch wie die Klimawirkung des freigesetzten CO2. Zum Beispiel können Rußpartikel und Wassersdampf in der Atmosphäre Kondensstreifen verursachen, die einen zusätzlich wärmenden Effekt haben. Strombasierte Kraftstoffe bieten in diesem Kontext einen weiteren Vorteil: den des sogenannten Fuel Designs. Das heißt, die chemische Zusammensetzung dieser Kraftstoffe lässt sich so optimieren, dass beim Verbrennungsprozess beispielsweise kein Ruß oder Feinstaub mehr entsteht.