Politik: Strategie

Straßengüterverkehr: Europaparlament hat Reformpaket beschlossen

EP beschließt Reformpaket für Straßengüterverkehr
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[DSLV / BGL] Entscheidender Schritt für mehr Wettbewerbsgleichheit im europäischen Straßengüterverkehr – EU-Mobilitätspaket muss jetzt in den Praxistest

Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik zeigt sich grundsätzlich zufrieden darüber, dass sich das Europäische Parlament jetzt auf eine abschließende Position für einen einheitlichen Rechtsrahmen für den europäischen Straßengüterverkehr verständigen konnte. Ob der erzielte Kompromiss tatsächlich zu einer Angleichung der Wettbewerbsbedingungen und Sozialvorschriften sowie zu einer Präzisierung der Marktzugangsbedingungen führt, wird wesentlich von der Umsetzung und der zukünftigen Kontrolldichte in den Mitgliedstaaten abhängen.

Denn grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass sich der derzeitige Wettbewerb und die Arbeitsbedingungen im europäischen Straßengüterverkehr nicht allein durch das Ausreizen von Regelungslücken in einem freien europäischen Markt verschärft haben, sondern vor allem durch eine Überforderung staatlicher Kontrollen. „Brüssel und die Mitgliedstaaten haben Jahre gebraucht, um neue Gesetze zu erarbeiten, anstatt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bereits geltendes Recht durchgesetzt wird. Würde aus einem eingeschränkten Halteverbot ein absolutes Halteverbot gemacht, verhinderte dies illegales Parken auch nicht, wenn das Verbot nicht regelmäßig überwacht würde“, gibt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV, zu bedenken. „Gleichwohl ist es richtig, dass die EU-Staaten zukünftig deutlich weniger Spielraum für nationale Vorschriften erhalten.“

Auch das Common Office von FNTR (Frankreich), BGL (Deutschland) und NLA (Nordische Staaten) in Brüssel begrüßt die neuen europäischen Sozial- und Marktvorschriften und erwartet eine zügige Umsetzung.

„Dies ist ein sehr positiver Tag für den europäischen Straßengüterverkehr. Dieses Paket wird Briefkastenfirmen, Sozialdumping und systematischen Kabotage-Operationen ein Ende setzen. Die Fahrer werden nun unter besseren Bedingungen arbeiten. Hierzu zählt auch das europaweit gültige Kabinenverbot für die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit. Darüber hinaus können sie häufiger nach Hause zurückkehren, was eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht “, sagt Erik Østergaard, Vorsitzender der NLA und CEO der DTL.

„Dies ist das Ergebnis mehrjähriger harter Arbeit und ich freue mich, dass unsere drei Verbände ihren Beitrag dazu in fruchtbarer Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, Mitgliedern des Europäischen Parlaments und unseren Mitgliedsstaaten geleistet haben“, sagt Florence Berthelot (CEO von FNTR).

„Wir sind mit dem heutigen Ergebnis zufrieden und möchten den Entscheidungsträgern für ihre harte Arbeit in den letzten drei Jahren danken. Die neue Gesetzgebung wird erhebliche und positive Auswirkungen auf den Straßengüterverkehrsmarkt haben. Jetzt müssen wir uns auf die Umsetzung und die effiziente Kontrolle der neuen Regeln konzentrieren“, unterstreicht BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt.

Das Reformpaket für den europäischen Straßengüterverkehr
Das Europäische Parlament hat am 8. Juli 2020 abschließend über das Reformpaket für den europäischen Straßengüterverkehr, dem 1. Teil des sogenannten Mobility Package, entschieden. Vorausgegangen ist ein über dreijähriges Ringen der Fraktionen des Parlaments, der EU-Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission über die Ausgestaltung zukünftiger Arbeits-, Sozial- und Wettbewerbsbedingungen für den Straßengüterverkehr.

Die künftigen Regelungen sehen einen rechtlichen Anspruch der LKW-Fahrer vor, spätestens nach drei Wochen in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Zusätzlich werden Transportunternehmen verpflichtet, ihre Fahrzeuge alle acht Wochen in den jeweiligen Zulassungsstaat zurückzuführen.

Mit der grundsätzlichen Möglichkeit zur so genannten Kabotage sollen Leerfahrten innerhalb der EU verhindert und CO2-Emissionen eingespart werden. Die Anzahl der Beförderungen, die ein ausländisches Transportunternehmen innerhalb eines anderen EU-Landes durchführen darf, wird jetzt auf drei eingefroren. Zusätzlich werden ausländische Unternehmen das Land nach der jeweils letzten Kabotagefahrt zukünftig für mindestens vier Tage verlassen müssen.

Zur weiteren Wettbewerbsentzerrung gegenüber heimischen Transportunternehmen müssen die Fahrer ausländischer Unternehmen während der Kabotage mit dem ortsüblichen Mindestlohn vergütet werden. Dafür wurde ein von der allgemeinen EU-Entsende-Norm zwar abweichendes, aber immer noch restriktives Entsenderecht speziell für LKW-Fahrer geschaffen (‚Lex Specialis‘): Die Höhe des Lohns soll mindestens der Lohnhöhe des Landes entsprechen, in dem der Fahrer unterwegs ist. Ausgenommen werden hiervon zukünftig lediglich Transitfahrten sowie Hin- und Rückfahrten vom Heimatland in ein anderes EU-Land mit maximal zwei Be- oder Entladevorgängen während einer Tour.

Dazu DSLV-Hauptgeschäftsführer Huster: „Dass das EU-Parlament hier doch noch zu einem Kompromiss gelangte, ist anerkennenswert. Die praktische Umsetzung und Nachweisführung wird allerdings sehr schwierig. Angesichts 27 national unterschiedlicher Mindestlohnbestimmungen in der EU wird der administrative Aufwand für international tätige Speditionshäuser und ihre Transportdienstleister erheblich steigen.“

Große Erwartungen setzt Brüssel deshalb in den intelligenten Fahrtenschreiber, der spätestens im Jahr 2025 in allen Fahrzeugen eingebaut sein muss, um die neuen Rechtsvorschriften belastbar digital überwachen zu können.