Technologie: Wissenschaft

Mehr Sicherheit für Seeschiffe durch Fernüberwachung

Öltanker auf See
Fällt auf See das Getriebe aus, kann das verheerende Folgen haben. Fernüberwachung soll Ausfälle verhindern. Bild: CC0 Public Domain

IPH entwickelt Fernüberwachung für Schiffsgetriebe

Fällt ein Schiffsgetriebe auf hoher See aus, kann das sehr gefährlich für die Besatzung werden – und teuer für den Reeder, der sein Schiff abschleppen lassen muss und die Fracht nicht pünktlich ans Ziel bringt. Deshalb werden kritische Bauteile regelmäßig ausgetauscht. Günstiger und sicherer wäre es, Schiffsgetriebe rund um die Uhr aus der Ferne zu überwachen. Das Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH (IPH) entwickelt deshalb gemeinsam mit Partnern ein sogenanntes Condition-Monitoring-System für Schiffsgetriebe. Das Besondere: Die Fernüberwachung funktioniert kabellos und ohne Batterien, die nötige Energie generiert es aus der Umgebung.

Temperaturen, Drehzahlen, Drehmomente und Schwingungen können die Wissenschaftler bereits drahtlos messen und mithilfe der Daten Lagerschäden im Getriebe erkennen. Nun wollen sie das System so weiterentwickeln, dass erstmals auch der Verschleißzustand der drehmomentübertragenden Bauteile im laufenden Betrieb überwacht werden kann – beispielsweise von Kupplungen, Wellen oder Verzahnungen. Dafür existieren bisher noch keinerlei Technologien.

Fernüberwachung soll an der Lamellenkupplung beginnen

Zunächst wollen sich die Forscher der Lamellenkupplung widmen, die die Kraft des Motors an das Getriebe überträgt. In dem Fall, dass sich die Reibbeläge auf den Lamellen abnutzen, funktioniert die Kraftübertragung nur noch schlecht oder überhaupt nicht mehr. Die Forscher suchen deshalb nach Möglichkeiten, den Verschleiß zu messen. Mit einem Ferndiagnosesystem, das den Verschleißzustand dauerhaft überwacht, wäre es möglich, die Wartung beziehungsweise den Austausch von Komponenten zeitlich exakt zu planen – das spart Kosten. Zudem ließe sich damit praktisch ausschließen, dass Komponenten während der Fahrt ausfallen.

Kern des Systems sind miniaturisierte Sensorknoten, die im Getriebe installiert werden und Messwerte an den Bordcomputer senden. Bei der Entwicklung stehen die Forscher vor zwei Herausforderungen: Erstens müssen die Sensoren im ölumspülten Getriebe funktionieren. Bisher haben die Forscher lediglich außen am Getriebegehäuse Sensoren installiert und beispielsweise Schwingungen gemessen, mit denen sich unter anderem Lagerschäden detektieren lassen. Innerhalb des Getriebes sind derzeit keine Messungen möglich.

Zweitens muss die Energieversorgung sichergestellt werden, obwohl im Getriebe keine Stromkabel verlegt und im laufenden Betrieb auch keine Batterien ausgetauscht werden können. Deshalb soll das Condition-Monitoring-System drahtlos und energieautark funktionieren und mithilfe von Energy-Harvesting-Technologien die nötige Energie aus der Umgebung generieren.

Drahtlose Energieversorgung der Sensoren funktioniert bereits

Dass die drahtlose Energieversorgung funktioniert, haben die Forscher bereits im Vorgängerprojekt „DriveCoM“ bewiesen. Die Sensoren, die sie in diesem Projekt entwickelt haben, nutzen zur Energiegewinnung den Temperaturunterschied zwischen Getriebe und Meerwasser. Thermische Energiewandler erzeugen daraus genug Strom, um alle 20 Minuten Temperaturen, Drehzahlen, Drehmomente und Schwingungen zu erfassen und an den Bordcomputer zu senden.

Die Technologie hat das IPH gemeinsam mit der Reintjes GmbH, der Bachmann Monitoring GmbH, der Microsensys GmbH und der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. entwickelt und auf dem Getriebeprüfstand der Reintjes GmbH getestet: Mithilfe der Schwingungsdaten konnten erfolgreich Lagerschäden detektiert werden.

Künftig auch den Verschleiß rotierender Bauteile messen

Im neuen Projekt „CoMoGear“ wollen die Partner das System so weiterentwickeln, dass zusätzlich auch der Verschleiß von rotierenden Bauteilen innerhalb des Getriebes gemessen werden kann. Dazu ist eine neue Art der Energiegewinnung nötig, denn innerhalb des Getriebes gibt es keine großen Temperaturunterschiede, die sich ausnutzen lassen. Deshalb wollen die Forscher die Rotationsenergie im Getriebe nutzen, um Strom für die Sensoren zu erzeugen. Die Messdaten sollen nicht nur regelmäßig an den Bordcomputer übertragen werden, sondern sich zusätzlich per Bluetooth mit dem Smartphone auslesen lassen.

Die Sicherheit auf See zu erhöhen, hat sich auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zum Ziel gesetzt. Deshalb fördert es das Forschungsprojekt „CoMoGear – Condition Monitoring of Marine Gearboxes“ mit rund 350.000 Euro und finanziert so die Entwicklung des Condition-Monitoring-Systems. In den kommenden zwei Jahren wollen die Forscher einen Demonstrator entwickeln und erneut auf dem Getriebeprüfstand der Reintjes GmbH testen.


Weitere Informationen zum Forschungsprojekt CoMoGear