Politik: Strategie

Pull & Push – Gut & Böse: Privates Autofahren noch zu attraktiv

Pull & Push – Gut & Böse: „Das private Autofahren muss finanziell unattraktiv werden“
Symbolbild: 995645 | pixabay

[TU Berlin] Das Forschungsprojekt „Pull & Push – Gut & Böse“ will der auf der Stelle tretenden deutschen Verkehrspolitik Strategien aufzeigen, die zu einer Verkehrswende führen – und weg von einer Subventionspolitik für das Auto.

Die Verkehrswende kommt in Deutschland nicht voran. Innerhalb von 30 Jahren, zwischen 1990 und 2020, wurden laut Bundesumweltamt, im Verkehrssektor nur zehn Prozent an CO2-Emissionen eingespart. Lag der Treibhausgas-Ausstoß 1990 bei 164 Millionen Tonnen CO2, waren es 2020 immer noch 146 Millionen Tonnen CO2. Vergangene Woche lehnte der Klimaexpertenrat den Klima-Notfallplan des Verkehrsministers als unzureichend ab. „Und dass die Bundesregierung ihr Ziel erreicht, die Emissionen des Verkehrssektor bis 2030 auf höchstens 85 Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren, ist fraglich“, sagt Prof. Dr. Oliver Schwedes, Leiter des Fachgebietes Integrierte Verkehrsplanung.

Angesichts dieser Bilanz hat der Verkehrswissenschaftler das neue von der Deutschen Forschungsgesellschaft geförderte Projekt „Pull & Push – Gut und Böse“ initiiert. „Es adressiert einen der schwerwiegendsten Fehler deutscher Verkehrspolitik, die Parallelfinanzierung von ÖPNV und privatem Autoverkehr, die eine Verkehrswende verhindert. Die zeitgleiche Einführung des 9-Euro-Tickets und des Tankrabattes war ein Klassiker falscher deutscher Verkehrspolitik. Aus welchem Grund sollte ein Autofahrer auf den ÖPNV umsteigen, wenn ihm gleichzeitig der Sprit subventioniert wird. Es gibt keinen“, so Schwedes.

Mit der Parallelfinanzierung trete deutsche Verkehrspolitik seit Jahren auf der Stelle. Dahinter verberge sich fehlender Mut der Politik, die attraktiven Angebote (Pull-Maßnahmen), die den Autofahrer zu Bahn und ÖPNV ziehen sollen, konsequent mit Verordnungen zu kombinieren, die ihm das Autofahren verleiden (Push-Maßnahmen) – oder anders ausgedrückt, die das Autofahren finanziell unattraktiv machen. „Die Zeiten, in denen das Auto den Vorrang vor allen anderen Verkehrsmitteln hat, sind vorbei“, so der TU-Wissenschaftler. Bislang scheue sich die Politik, die Autofahrer*innen mit dieser Wahrheit zu konfrontieren.

In der Wissenschaft besteht Konsens darüber, dass die attraktiven Angebote wie Umweltkarten und Taktverdichtungen von unattraktiven Maßnahmen wie City-Maut, Parkraumbewirtschaftung oder Bepreisung von Firmenparkplätzen flankiert werden müssen, damit Autofahrer*innen das Auto stehen lassen und eine Verkehrswende möglich wird. „Leider ist diese Erkenntnis in der Politik noch nicht hinreichend angekommen und vielleicht muss sich die Wissenschaft auch selbst an die Nase fassen, es nicht überzeugend kommuniziert zu haben“, gibt sich Schwedes selbstkritisch.

Ziel des Forschungsprojektes ist es deshalb, wissenschaftlich fundiert für die Politik zu untersuchen, welche Pull- und Push-Maßnahmen in Kombination den besten Effekt erzielen, aber auch diejenigen, die sich gegenseitig blockieren. „All das wollen wir zu Handlungsstrategien für die Politik zusammentragen als Grundlage für die Gestaltung einer nachhaltigen Verkehrspolitik, die sich am Klimawandel orientiert und nicht mehr am Wohl des Autofahrers.“ Das bedeute für die Politik, so Schwedes, sich von der Subventionspolitik für das Auto zu verabschieden, also von der Pendlerpauschale, der Dieselsubventionierung und dem Dienstwagenprivileg.