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Planetengetriebe für RR-UltraFan-Triebwerk: Fliegen optimieren

Planetengetriebe für das UltraFan-Triebwerk
Planetengetriebe für das UltraFan-Triebwerk. Bild: Rolls-Royce plc

Im Jahr 2025 wird das weltweit leistungsstärkste Luftfahrt-Getriebe den Dienst aufnehmen: Es ist Teil des Rolls-Royce UltraFan-Triebwerk-Konzepts und soll eine Leistung von 100.000 PS übertragen. Gleichzeitig ermöglicht es einen geringeren Spritverbrauch. In einem vom Bund geförderten Projekt erforschen Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM), wie sich die Eigenschaften des Getriebes mit seiner Größe verändern und wie sie optimiert werden können.

Die Flugzeugantriebe der Zukunft sollen weniger Sprit verbrauchen und noch emissionsärmer werden. Mit dem UltraFan-Konzept hat sich Rolls-Royce ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. „Das UltraFan-Triebwerk ist hinsichtlich des Spritverbrauchs um 25 Prozent effizienter im Vergleich zu den ersten Trent-Triebwerken von Rolls-Royce, aber auch leichter und leiser“, erklärt Christian Seydel  von Rolls-Royce. Er leitet das Power Gearbox Projekt, das sich mit der Entwicklung des Leistungsgetriebes für den UltraFan beschäftigt.

Dieses Zahnradgetriebe hat eine zentrale Funktion. Vereinfacht erklärt wird weniger Sprit verbraucht, wenn sich der Fan, der von außen sichtbare Teil des Triebwerks, möglichst langsam dreht, die Turbine im Inneren dagegen möglichst schnell. „Ein Getriebe kann die Leistung von der schnell laufenden Turbine effizient auf den langsam laufenden Fan übertragen“, sagt Seydel. Das Getriebe des UltraFan wird dafür ausgelegt, bis zu 100.000 PS zu übertragen – vergleichbar mit der Leistung von 500 Mittelklassewagen. Damit ist es das leistungsstärkste Getriebe, das je für die zivile Luftfahrt gebaut wurde.

Besondere Herausforderungen für große Getriebe

Karsten Stahl, Professor für Maschinenelemente an der TUM, und sein Team haben langjährige Erfahrung mit der Erforschung und Optimierung der besonderen Eigenschaften von Zahnradgetrieben. Und es gibt dabei viele Herausforderungen. „Das Getriebe in Originalgröße hat einen Durchmesser von einem Meter. Wenn Sie Getriebe so groß und so kompakt bauen, wie es für den UltraFan erforderlich ist, dann ergeben sich spezielle Herausforderungen, zum Beispiel bei der Kühlung“, erklärt Stahl. Im Getriebe entstehen Wärmeleistungen von mehreren hundert Kilowatt, das entspricht der Heizung eines Hochhauses.

Mehrere Megawatt Leistung im Kreislauf

Die entsprechenden Wirkzusammenhänge für die besonderen Eigenschaften des Getriebes untersuchen die Forscher mit speziellen Berechnungsmethoden und Simulationsmodellen. Verifiziert werden die berechneten Ergebnisse anschließend mithilfe eines Prüfstands, dessen Konzeption und Entwicklung für die Wissenschaftler ein eigenes Forschungsprojekt darstellte. Zunächst standen sie vor der Herausforderung, das Getriebe, dessen Testläufe im Maßstab 1:1 bei dem Hersteller eine eigenes Gebäude füllen, so zu verkleinern, dass es in den Prüfräumen der TUM untersucht werden kann – ohne die zu untersuchenden Eigenschaften zu verlieren.

Die nächste Herausforderung war die Energiezufuhr. Trotz der Verkleinerung müssen immer noch mehrere Megawatt auf das Getriebe übertragen werden. Bei konventioneller Prüftechnik wären dafür riesige elektrische Motoren erforderlich. Um die installierten Leistungen und damit den Bauraum sowie die Kosten zu reduzieren, realisierten die Wissenschaftler den Prüfstand mit dem sogenannten Back-to-back- bzw. Verspannungsprinzip. Dabei werden zwei baugleiche Getriebe spiegelverkehrt miteinander verbunden, so dass die Energie des Abtriebes eines Getriebes auf den Antrieb des anderen geleitet wird. „Mit relativ geringen Antriebsleistungen von etwa 200 kW können wir so mehrere Megawatt Leistungen in dem Kreislauf bewegen“, erklärt Uwe Weinberger, Projektleiter am Lehrstuhl.

Mit Big Data zu besseren Getrieben

Sensoren zeichnen fortlaufend Daten über die Performance des Testgetriebes auf, unter anderem Beschleunigung, Drehzahlen, Drehmoment, Öltemperaturen am Ein- und Auslass, Temperaturen an den Lagerungen und Dichtungen sowie den Öldruck. „Die etwa 100 Messkanäle liefern so viele Daten, dass wir in den Bereich von Big Data kommen“, sagt Weinberger. „Um die Daten auszuwerten und miteinander in Korrelation zu bringen, müssen wir zunächst automatische Auswerte- und Reduktionsmethoden entwickeln, um anschließend die Ergebnisse miteinander vergleichen und Schlüsse daraus ziehen zu können.“ In den nächsten Monaten werden Getriebe mit systematisch variierten Eigenschaften untersucht. Diese Ergebnisse werden die Forscher dann als Grundlage verwenden, um konkrete Vorschläge zur Optimierung des Getriebes in Originalgröße machen zu können.

Die optimierten Getriebe werden im 1:1-Maßstab auf dem Prüfstand von Rolls-Royce in Dahlewitz bei Berlin geprüft. „Später folgen dann natürlich auch Tests im Triebwerk, zunächst am Boden, später im ‚Flying Testbed‘ eines umgerüsteten Flugzeuges“, erklärt Christian Seydel. 2025 soll das UltraFan-Triebwerk im regulären Betrieb einsatzbereit sein. Die TUM-Wissenschaftler werden die Entwicklung bis dahin mit ihrer Forschung weiter unterstützen.


Mehr Informationen:
– Video auf YouTube
– TU München, Lehrstuhl für Maschinenelemente


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