Infrastruktur: Projekte

Mumbai Trans Harbour Link: 168 t Masse dämpfen Schwingungen

Mumbai Trans Harbour Link
Blick in ein Brückensegment mit vier Schwingungsdämpfern. Sie wurden komplett in München produziert und dann vor Ort eingehoben und befestigt. Die Brückensegmente werden an Land gefertigt.
Foto: Maurer

[Maurer] Spannweiten von bis zu 180 m machen die längste Meeresbrücke Indiens von Mumbai zum Hafen zu einer Herausforderung, denn die Brücke ist aus Stahl. Das würde bei Seitenwind Vertikalschwingungen von bis zu 300 mm bedeuten. Maurer bedämpfte kritische Bereiche mit speziellen Tilgern: Die Dämpfer mit einer Masse von jeweils bis zu 4.800 kg reduzieren die Schwingungen um den Faktor 15. Zusätzlich halten vertikale Führungen und Hydraulik­dämpfer die großen schwingenden Dämpfermassen unter Kontrolle. Das System ist auf 50 Jahre Lebensdauer ausgelegt.

Der Mumbai Trans Harbour Link (MTHL, auch: Sewri Nhava Sheva Harbour Link) wird 21,8 km lang und verbindet Mumbai mit Navi Mumbai. Die dann längste Meeres­brücke Indiens soll ab Ende 2023 täglich 70.000 Fahrzeuge auf 6 Fahrspuren aufnehmen und die Reisezeit von 2 Stunden auf 20 Minuten verkürzen. Das reduziert Staus und ermöglicht die Weiter­ent­wicklung der Hafenregion.

Das Gesamtprojekt besteht aus 4 Baupaketen. Dafür lieferte Maurer insgesamt 1.100 Elastomerlager, 461 Kalottenlager, 160 Topflager, 880 m Fahrbahnübergänge und 40 Schwingungsdämpfer. „Die Schwingungsdämpfer waren die eigentliche Heraus­for­der­ung“, berichtet Projektleiter Dipl.-Ing. Peter Huber von Maurer. „Wir haben sie deshalb in Abstimmung mit JFE Engineering Corporation, dem beauftragenden Ingenieurbüro, für die Situation vor Ort entwickelt, berechnet und werden sie nach dem Einbau fein­justie­ren.“

Stahl plus Wind plus große Spannweiten
Auf dem relevanten, 1,75 km langen Stahl-Brückenabschnitt, kommen mehrere schwingungs­verstärkende Faktoren zusammen:

  • Enorme Spannweiten von 100-180 m.
  • Ein Stahlkastenträger mit orthotroper Decke, also eine sehr leichte Bauweise, die ihre hohe Tragfähigkeit aus zahlreichen Aussteifungen erhält. Beton wäre aufgrund des hohen Eigengewichts nicht möglich gewesen. Stahl ist leichter, aber auch weicher, elastischer und schwingt deshalb stärker.
  • Seitenwinde führen ab einer Wind­geschwindigkeit von etwa 20 m/sek im Wind­schatten der Brücke zu sog. Wirbelablösungen. Wenn diese die Eigenresonanz der Brücke treffen, können sie zu Schwingungen mit Amplituden von bis zu ±300 mm in der Mitte der Brückenfelder führen.
  • Da die Spannweiten so groß sind, ist die Eigenfrequenz sehr niedrig und liegt unter 0,8 Hz.

Prinzipiell würden die orthotropen Stahldecks diese Schwingung relativ lange tolerieren. Doch aus Gründen des Fahrkomforts und der Lebensdauer war eine deutliche Dämpfung gefordert.

Dämpfer reduzieren Schwingung um Faktor 15
Maurer entwickelte hierfür Feder-Masse-Dämpfer (MTMD-V) mit einer Tilgermasse von jeweils bis zu 4.800 kg. Die Masse besteht größtenteils aus Beton. Obenauf liegt eine variable Anzahl von Stahlplatten, mit denen die Dämpfermasse nachträglich genau auf die tatsächliche Eigenfrequenz der Brücke eingestellt werden kann.

Die Tilgermasse liegt auf bis zu 20 Stahlspiralfedern auf. Auf diesen schwingt sie ent­sprechend der vorberechneten Amplitude um bis zu ±400 mm auf und ab. Damit reduziert sie die Brückendeckschwingung etwa um den Faktor 15 auf maximal ±20 mm, was die Ermüdung des Brückendecks effektiv mindert.

Mumbai Trans Harbour Link

Zwei eingebaute Dämpfer. Dazwischen liegen die blauen Stahlplatten, die ergänzt werden können, um die Masse genau auf die Eigenfrequenz der Brücke einzustellen.
Foto: Maurer

Vertikale Führung und zusätzliche Hydraulikdämpfer
Diese relativ hohe Schwingungs­amplitude der Masse im Dämpfer beansprucht die Federn enorm, ent­sprechend hoch waren die Anforder­ungen an die Festigkeit des Feder­stahls. Zudem muss die Masse immer unter Kontrolle bleiben – in jeder Richtung. Um die exakt vertikale Schwingung der Masse und damit die effiziente Funktion zu sichern, wurden hochwertige, kugelgelagerte vertikale Führungen eingebaut. Um die Masse zu bremsen, wurden Kolbenhydraulikdämpfer angebracht. Sie verhindern, dass das Federsystem unter der Masse auf Block geht und die Federn beschädigt werden.

Die Hydraulikdämpfer wurden in den Kolbenführungen und -dichtungen nahezu rei­bungs­los und verschleißfrei ausgelegt: mit einer berührungslosen inneren Dichtung. Das gesamte Dämpfersystem wurde auf 400 km aufaddierten Schwingungsweg getestet. Dabei entstanden Temperaturen von bis zu 160 °C, denen das System ohne Verschleiß und Leckage standhielt. Das heißt: Auch wenn der Wind lange weht, kommt es weder zu Ermüdung in den Federn noch zu Verschleiß in den Hydraulikdämpfern. Die Brücken­schwingung wird somit effektiv und dauerhaft auf 50 Jahre und länger eingebremst.

Die Bauweise Feder-Masse plus Kolbenhydraulikdämpfer beansprucht relativ wenig Platz. Die Gesamtkonstruktion wurde dadurch leichter und das Handling für den Einbau einfacher. Die Schwingungsdämpfer wurden komplett in München produziert und dann vor Ort ins Brückendeck eingehoben und befestigt. „Das war eine Vorgabe von JFE, um hohe Qualitätsanforderungen zu erfüllen und Montagerisiken zu minimieren“, berichtet Huber.