Standpunkt

Made in Germany zu Ende denken – und realisieren

Prof. Dr.-Ing. habil. Hartmut Fricke

Ein Statement von Prof. Dr.-Ing. habil. Hartmut Fricke, Leiter der Professur Technologie und Logistik des Luftverkehrs an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden.

Seit einigen Jahren haben sich in Deutschland Modellregionen wie Nordhessen, Ingolstadt oder Hamburg für innovative „3D“-Mobilitätskonzepte entlang der European Urban Air Mobility (UAM) Initiative Cities Community (UIC2) ausgebildet und das Thema regionaler Air Taxis mit hybridelektrischem Antrieb in die Gesellschaft getragen. Der Traum von entflochtenen, staufreien Verkehrsströmen durch Nutzung der dritten Dimension mittels nahezu geräuschloser, vollautomatisierter Flugobjekte zu attraktiven Preisen beschäftigt seitdem viele Stadtplaner, Fluggeräte-Entwickler, Ökonomen und Kommunen.

Wir sehen nun, einige Jahre später, dass diese Ideen durchaus belastbar sind, wie erste Demonstrationsflüge deutscher Pionierunternehmen zeigen. Allerdings liegt die Herausforderung unverändert in der Zulassung hochautomatisierter Transportgeräte oder aber der Regelung der Nutzungsrechte des Luftraums über Ballungsgebieten unter hohen Sicherheitsanforderungen.

Seit einem Jahr greift die neue EU-Durchführungsverordnung 2019/947 zur unbemannten Luftfahrt, die diese Herausforderungen noch verschärft: Dort heißt es schlicht: „UAM muss so sicher wie konventionelle Luftfahrt sein“. Derartige Nachweise zu erbringen, ist offensichtlich hoch komplex, da wir statistisch nur sehr selten Unfälle in der Luftfahrt erleben. Es wird also noch etwas dauern, bis der erste „Vertiport“ als Start- und Landplatz für kommerzielle Lufttaxis in einer deutschen Stadt die Pforten öffnet. Aber die Synthese in der Forschung zu den Themen elektrische Antriebe, kombiniert mit der Wasserstoffstrategie des Bundes, die lärmphysikalische Modellierung von mehrfachen Rotorblattsystemen mit Elektromotor zur Erfassung von Betroffenheiten am Boden sowie das U-Space-System zur Integration dieser neuen Fluggeräte mittels Registrierung, Geo-Sensibilisierung und Fernidentifikation lassen mich zuversichtlich sein – Urban Air Mobility wird im kommenden Jahrzehnt Realität!

Liebe Leser, bis dahin sind viele flankierenden Maßnahmen im Bereich Markt und Innovation, juristische Aspekte wie das Mobilitätsgesetz und verfahrenstechnisch die effiziente Erzeugung von möglichst grünem Wasserstoff sowie die E-Mobilität in der Logistik anzugehen, die wir in der aktuellen September-Ausgabe 2021 von Internationales Verkehrswesen aufgreifen.

Lassen Sie uns den guten industriellen Start in Deutschland in dieses spannende Thema aufnehmen und Politik, Gesellschaft und natürlich auch Universitäten ermuntern, in engem Dialog die Realisierung nachhaltiger, technologisch innovativer Mobilitätskonzepte unter dem Slogan „Made in Germany“ zu Ende zu denken und zu implementieren.


Erschienen in Internationales Verkehrswesen (73), Heft 3 | 2021