[Uni Stuttgart/ILH] – Die Elektromobilität prägt mittlerweile das Leben vieler Menschen, und E-Bikes und E-Scooter bilden dabei einen wesentlichen Baustein. Die dort eingesetzten Akkus werden zwar kleiner und leichter, die Effizienz des elektrischen Antriebsstrangs nimmt zu und die Reichweite steigt. Die Ladegeräte jedoch können mit dieser Entwicklung bisher nicht mithalten. Forschende des Instituts für Robuste Leistungshalbleitersysteme (ILH) sowie des Instituts für Leistungselektronik und Elektrische Antriebe (ILEA) der Universität Stuttgart haben nun ein Ladegerät für E-Bikes und Roller entwickelt, das in Sachen Leistung und Kompaktheit neue Maßstäbe setzt.
Ein stärkerer Akku, aber gleichzeitig kürzere Ladezeiten und Ladegeräte, die leicht sind und im Rucksack keinen Platz wegnehmen – so etwa sieht der Traum eines jeden E-Bikers aus. Um ihn wahrwerden zu lassen, haben die Forschenden des ILH und des ILEA in einem gemeinsamen Projekt den Prototypen eines stecker-integrierten Ladegeräts entwickelt. Hierfür wurden zuerst aktuell erhältliche Ladegeräte für E-Bikes und E-Scooter analysiert, vermessen, untersucht und mit auf dem Markt erhältlichen Ladegeräten für beispielsweise Laptops verglichen.
Anschließend wurden die leistungselektronischen Topologien (Anordnungen) der im Ladegerät verwendeten Schaltungen verglichen, um die für diesen Anwendungsfall am besten geeignete Topologie zu finden und auszuwählen. Die Herausforderung dabei: Ladegeräte für Akkus haben im Gegensatz zu einem einfachen Netzteil einen breiten Betriebsbereich. Daher müssen über den sogenannten Ladezustand verschiedene Spannungen und Ströme eingestellt werden, um den Akku schnellstmöglich und gleichzeitig möglichst schonend aufzuladen. Dies stellt große Anforderungen an eine elektrotechnische Schaltung, die möglichst klein und gleichzeitig effizient sein soll.
Leistungseinbußen durch Hotspots vermeiden
Im Betrieb darf das Ladegerät an keiner Stelle eine bestimmte Maximaltemperatur überschreiten. Zusätzlich muss es vollständig geschlossen sein – es wird also nur durch passive Konvektion gekühlt. Unter diesen Rahmenbedingungen muss die Effizienz der Schaltung, die die einphasige Netzspannung aus der Steckdose in eine Gleichspannung wandelt, mit Hilfe aufwändiger dreidimensionaler Simulationen berechnet werden. Dabei wird die Anordnung der Komponenten optimiert, um eine möglichst ideal verteilte Oberflächen-temperatur zu gewährleisten, aber gleichzeitig die elektrische Integrität beizubehalten und elektromagnetische Störungen zu vermeiden.
GaN als Game-Changer in der Leistungselektronik
Bislang bestanden die Halbleiterbauelemente der Spannungswandler in kommerziell erhältlichen Ladegeräten aus Silizium. In der Forschung dagegen hat das Material Gallium-Nitrid (GaN) schon vor einigen Jahren großes Interesse geweckt. Seit Kurzem sind nun erste Handyladegeräte erhältlich, die auf Chips aus GaN setzen und hohe Leistungen (bis zu 120 Watt) bei kleinem Bauraum versprechen. Die Bauelemente bieten dabei in beinahe allen relevanten Parametern deutlich Vorteile – müssen aber erst in der Anwendung bei hohen Leistungen beherrscht werden.
Diese Herausforderung nahmen die Stuttgarter Forschenden an und verbauten in den Prototyp sechs eigens entworfene Leistungsstufen, die auf GaN Halbleitern basieren. Um diese zuverlässig auf den hoch integrierten Platinen zu betreiben, sind fundierte Kenntnisse der Technologie und eingehende elektrische und mechanische Simulationen nötig. Der finale Prototyp der beiden Institute erreichte die anvisierten Ziele: Er ist vom Volumen her nur halb so groß wie die bisher erhältlichen Ladegeräte, und dies bei gleicher Leistungsfähigkeit (über 150 W), was einer Leistungsdichte von ca. 1,6 kW/Liter entspricht.