Technologie: Wissenschaft

KI-Radar – neues Design macht auto­nomes Fahren sicherer

KI-Radar – neues Design macht autonomes Fahren sicherer
© Roberto Nickson | Unsplash

[Fraunhofer IZM] – Dank der Radar-Expertise des Fraunhofer IZM wird die Sensorik für autonome Fahr­zeuge künftig nicht nur günstiger, sondern auch im Erkennungs­vermögen besser. Zusammen mit Industrie­partnern erschufen die Forschenden ein Radarsystem mit einer Trenn­schärfe von unter einem Grad und einem Erfassungs­winkel von 180°. Der Vorteil bei diesem „KI-Radar“: Am Fahrzeug muss nur noch weniger als die Hälfte der Radar­sensoren verbaut werden. Ermöglicht wurden diese Fortschritte durch eine Kombination aus neuen Elektronik- und Packaging­lösungen in Verbindung mit der Nutzung von künstlicher Intelligenz bei der Auswertung der Radarsignale.

Ziel eingeben, anschnallen und zurücklehnen, während das Fahrzeug autonom durch die Straßen gleitet: Fort­schritte der Technik und Rechts­lage versprechen künftig eine selbst­fahrende Mobilität auf europäischen Straßen. Während sich das autonome Fahren in den letzten Jahren nur langsam durchsetzt, weisen Prognos-Analysen auf einen Umbruch des Trends hin: Ab 2030 soll die Anzahl der Neufahrzeuge mit zumindest einer Pilot­funktion für Auto­bahnen und Landstraßen deutlich steigen [*].

Bis dahin müssen Experten aus Forschung und Industrie die Erkennungs­sicherheit auto­mati­sierter Fahrzeuge verbessern. Die integrierten Sensor­systeme müssen zuverlässig in der Erfassung der Umgebung sein, damit das System auch kleine Gegenstände im Radius von mindestens 100 Metern rund um das Auto detektieren und den Unterschied zwischen Menschen, Tieren und Gegen­ständen mit größtmöglicher Sicherheit abschätzen kann.

KI-Radar – neues Design macht autonomes Fahren sicherer

Kostengünstige 3D-Radarsensoren mit neuem Antennendesign detektieren KI-gestützt die Umgebung von autonomen Fahrzeugen.
Bild: Fraunhofer IZM | Volker Mai

Mehr Sicherheit durch genauere Messung
Das Fraunhofer-Institut für Zu­ver­lässig­keit und Mikro­inte­gration IZM entwickelte deshalb zusammen mit der InnoSenT GmbH, der KSG GmbH, der Creonic GmbH sowie der Universität Bielefeld im Projekt KI-Radar ein Sensor­system mit einer Trenn­schärfe von unter 1° bei einem Erfassungs­winkel von 180°. Gegen­wärtige Radar­sensoren kommen lediglich auf 2° bei einem Erfassungs­winkel von 90°, weshalb mit dem nun entwickelten Radarsystem die so genannte Winkel­auflösung und Erfassungs­bereich verdoppelt werden konnte. Dadurch können auch Objekte, die sich in einem Abstand von mehr als einem Grad zu einander befinden, eindeutig voneinander getrennt detektiert werden.

Zusätzlich sollen die neuen Systeme einen Winkel­bereich von idealer­weise rund 90° in der Horizontalen abdecken. So werden die Grenzen aktuell üblicher Radar­systeme über­wunden und große Schritte in Richtung des sicheren autonomen Fahrens gegangen. Um den Erfassungs­bereich der Radare auf die bisher noch nicht möglichen 180° zu erweitern, bauten die Forschenden drei­dimensionale Antennen­strukturen auf. Die Herausforderung dabei: Bei einem größeren Detektions­bereich leidet die Detail­wahrnehmung der Sensoren. Damit die Radare trotz weiteren Umblicks eine hohe Winkel­auflösung bieten, mussten die Forschenden kreativ werden. Dr. Christian Tschoban, Projekt­ver­antwort­licher und Gruppen­leiter am Fraunhofer IZM, erklärt die Idee: „Geholfen haben uns die KI-Algorithmen: Mit ihnen konnten wir die Messwerte einzelner Radar­sensoren koppeln und so die Winkel­auflösung entscheidend erhöhen.“

Nachdem die Einzelkomponenten von den Projektbeteiligten gefertigt wurden, sind zwei Demonstratoren aufgebaut und evaluiert worden. Der Technologiedemonstrator mit 3D-Antennen und integrierter KI konnte in ersten Tests bereits seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen: Mit einer Winkeltrennfähigkeit von unter einem Grad weist er eine sehr hohe Detektionssicherheit auf. Kurz vor Projektabschluss testeten die Forschenden auch den zweiten funktionalen Demonstrator unter realen Bedingungen. An einem Fahrzeug befestigt, detektierte er zuverlässig die Hindernisse auf der Strecke.

Höhere Auflösung bei geringeren Kosten
Dank des höheren Erfassungsbereichs der neuen Radarsensoren müssen statt der bislang üblichen ca. 16 Radarsensoren je Fahrzeug nur noch sechs Sensoren verbaut werden, um die 360°-Detektion mit der geforderten Sicherheit zu erreichen. Dies reduziert die Ferti­gungs­kosten für die Radarsysteme auf weniger als die Hälfte.

Das Projekt KI-Radar ist ein Verbundprojekt unter Koordination von InnoSenT GmbH, gemeinsam mit KSG GmbH, Creonic GmbH sowie der Universität Bielefeld und wurde unter der Fördernummer 16ES1018 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,32 Mio. Euro gefördert. Das Team vom Fraunhofer IZM war in dem Konsortium zuständig für die Entwicklung des 79-GHz-Radar-Frontends mitsamt der Kommuni­kations­schnitt­stelle sowie der dreidimensionalen Antenne. Zudem miniaturisierten die Forschen­den das Gesamtmodul mittels Einbett-Technologien, wodurch die Inte­gra­tions­fähig­keit der Radare im Fahrzeug gesteigert wurde. Eine Besonderheit des Projekts KI-Radar ist, dass Hard- und Software von Beginn an als Einheit gedacht wurden. Nur so war eine gesteigerte Performanz bei geringeren Kosten und Bauvolumen möglich.


[*] www.adac.de/-/media/pdf/motorwelt/prognos_automatisierungsfunktionen.pdf