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FlyGrid-Ladekonzept: Elektrofahrzeuge schneller aufladen

FlyGrid Ladekonzept für Elektrofahrzeuge
Das FlyGrid Ladekonzept für Elektrofahrzeuge ermöglicht schnelles Aufladen und stabilisiert dabei auch das Stromnetz. ©_EMT-TU Graz

Elektromobilität hat in den letzten Jahren im Vergleich zu herkömmlichen, mit Verbrennungsmotor betriebenen Fahrzeugen, stark aufgeholt. Allerdings limitieren die nicht flächendeckend verfügbare Elektro-Ladeinfrastruktur und die lange Ladedauer die Ausweitung dieser Form der Mobilität. Im Forschungsprojekt FlyGrid entwickelt die Arbeitsgruppe Energy Aware Systems von Hannes Wegleitner des Instituts für Elektrische Meßtechnik und Meßsignalverabeitung der TU Graz gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Wirtschaft ein neuartiges Ladesystem für Elektrofahrzeuge.

Die FlyGrid-Technologie ermöglicht schnelles Laden bei gleichzeitiger Entlastung des Stromnetzes. Herzstück von FlyGrid ist ein elektromechanischer Schwungrad-Energiespeicher, der in eine aus Fotovoltaik-Strom gespeiste vollautomatische Ladestation integriert wird.

Schematische Darstellung des FlyGrid Systems.

Schematische Darstellung des FlyGrid Systems. ©_EMT-TU Graz

Das FlyGrid Ladesystem

Das Schnellladesystem besteht unter anderem aus einem mit Fotovoltaik Paneelen bestücken Carportdach und dem unterirdischen Schwungrad­speicher besteht. Der Strom wird über eine „Kontaktmatte“ (genannt Matrix Charging) des TU Graz Spin-Offs „easelink“ automatisch über einen am Fahrzeugunterboden angebrachten, ausfahrbaren Konnektor in das Elektrofahrzeug übertragen. Der Strom dafür kann sowohl aus dem Netz als auch direkt und ohne Übertragungsverluste aus den Fotovoltaik Paneelen des integrierten Carports bezogen werden.

Die Ladeleistung erhöht sich durch die Zwischenspeicherung des aus dem Sonnenlicht gewonnenen Fotovoltaikstroms als Rotationsenergie im Schwungrad und kann während des Ladevorgangs mit hoher Leistung (100 kW oder mehr) abgegeben werden. So ist es gelungen, die Ladedauer auf wenige Minuten zu reduzieren, ohne das Netz dabei zu belasten. Bei Strombedarf bzw. beim Ladevorgang wird die an den Rotor gekoppelte E-Maschine in den generatorischen Betrieb umgeschaltet und erzeugt Strom. Der Schwungradspeicher zeichnet sich vor allem durch seine lange Lebensdauer aus, bietet eine viel höhere Zyklenfestigkeit als chemische Batterien, lässt sich einfach recyceln und kann in Österreich ohne Abhängigkeit vom asiatischen Markt hergestellt werden.

Vision von sauberer Mobilität

„Durch die dichtere Ladeinfrastruktur und kürzere Ladezeiten werden Elektrofahrzeuge zukünftig attraktiver, und wir werden mehr davon auf der Straße sehen,“ blickt Projektleiter Armin Buchroithner in die Zukunft. „Unkontrolliertes, gleichzeitiges Laden einer großen Zahl von Elektrofahrzeugen resultiert jedoch in einem sehr hohen lokalen Leistungsbedarf und macht damit einen teuren Netzausbau notwendig – FlyGrid eröffnet hoffentlich einen anderen Weg.“ Die FlyGrid Ladestationen fungieren nämlich als lokale Energiespeicher, sodass ein kostenintensiver Ausbau der Netzinfrastruktur nur in seltenen Fällen erforderlich ist.

Um das Stromnetz stabil zu halten, können FlyGrid-Schwungradspeicher auch Strom in das Netz rückspeisen. Prinzipiell kann das Stromnetz ja nicht unbegrenzt Elektrizität transportieren und sollte bei einer Frequenz von 50 Hertz gehalten werden. Um dies zu erreichen, wünschen sich die Netzbetreiber sogenannte Pufferspeicher, die je nach Bedarf Strom ins Netz speisen oder aufnehmen und für einen späteren Bedarf vorrätig halten. Der in FlyGrid integrierte Schwungradspeicher eignet sich besonders gut zum Ausgleich solcher Schwankungen im Stromnetz, da er innerhalb von Sekundenbruchteilen Strom liefern oder speichern kann und so das Netz entlastet. Gerade der steigende Anteil von Strom aus stark fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen erfordert eine stärkere Regulierung des Stromnetzes. Das FlyGrid System könnte also einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, solche Energieträger besser in das Energiesystem zu integrieren.

Neben der hohen Komplexität des Gesamtsystems liegt eine der Herausforderungen im Projekt in den hohen Anforderungen an den Schwungradwerkstoff. Durch die im Rotor hervorgerufenen enormen Fliehkräfte entstehen Materialspannungen, die leichte, aber gleichzeitig hochfeste Materialien erfordern. Buchroithner sieht hier langfristig großes Potential in Carbon Nanotubes, mikroskopisch kleinen röhrenförmigen Gebilden aus Kohlenstoff, die entsprechende Eigenschaften mitbringen, aktuell aber noch in der Entwicklungsphase sind. „Aktuell sind hochfeste Kohlefasern der Werkstoff unserer Wahl. Wird es in Zukunft aber möglich sein, Schwungradrotoren aus Carbon Nanuotubes zu fertigen, so sind Energiedichten möglich, welche sogar fossile Brennstoffe übertreffen!“, beschreibt Buchroithner das Potential der neuen Technologie.

Pilotanlage entsteht

Im Rahmen des Projekts entsteht bis 2022 auf dem Gelände des Kooperationspartners Energie Steiermark in der Grazer Neuholdaugasse eine Pilotanlage. Die FlyGrid-Technologie samt Testbetrieb wird damit zur Gänze in Österreich entwickelt und hergestellt. Zum Einsatz soll das System etwa auf Firmenparkplätzen oder Parkplätzen von Einkaufszentren kommen. Besonders gut eignet sich die Technologie für Busse im öffentlichen Verkehr, die sich nur kurze Zeit im Haltestellenbereich aufhalten und dort schnell geladen werden können. Das Konzept sieht auch eine mobile Lösung vor, etwa für den zeitlich begrenzten Einsatz auf Baustellen für elektrisch betriebene Baufahrzeuge.


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