Technologie: Wissenschaft

Faserverbundwerkstoffe für den strukturellen Leichtbau in Schiffen

Faserverbundwerkstoffe
Ausgangsmaterialien für die Entwicklung brandsicherer und biobasierter Faserverbundwerkstoffe für den strukturellen Leichtbau in Schiffen.
Bild: Fraunhofer IFAM

[Fraunhofer IFAM] Faserverstärkte Kunststoffe haben als Leichtbaumaterial das Potenzial, die Ökobilanz von Schiffen zu verbessern. Basieren Fasern und Kunststoffmatrix auf nachwachsenden Rohstoffen, kann der ökologische Fußabdruck weiter reduziert werden. Eine Integration dieser Werkstoffe als strukturelle Komponenten ist nicht Stand der Technik und erfordert neue Konzepte im Schiffbau. Insbesondere für Passagierschiffe gelten zudem strenge Sicherheitsbestimmungen und Brandschutzanforderungen. Ziel des Forschungsprojektes „GreenLight“ ist die Entwicklung biobasierter Faserverbundwerkstoffe mit intrinsischer Brandsicherheit zum Einsatz für tragende Strukturen inklusive Fertigungs- und Recyclingkonzepten.

Aufgrund des Leichtbaupotenzials werden Faserverbundkunststoffe (FVK) insbesondere in der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie und mit steigendem Anteil auch im Schienenfahrzeug- und Bootsbau eingesetzt. Als Leichtbauwerkstoff sind glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) kostengünstig, korrosionsbeständig und es lassen sich daraus komplexe, mehrfach gekrümmte Bauteile herstellen. Beim Bau von Passagierschiffen sieht es derzeit anders aus: Dort dominieren immer noch Stahl und ein geringer Anteil an Aluminium, weil die notwendige Freigabe für den Einsatz in sog. SOLAS-Schiffen (International Convention for the Safety of Life on Sea) für lasttragende Faserverbundkunststoffe noch nicht erteilt wurde.

Aus gutem Grund gelten auf Passagierschiffen strengere Sicherheitsbestimmungen, die von der Internationalen Schifffahrtsorganisation „International Maritime Organisation (IMO)“ der Vereinten Nationen durch weltweite Standards für die Sicherheit und den Betrieb von beispielsweise Kreuzfahrtschiffen vorgegeben werden. Die Richtlinie „Interim Guidelines for use of fibre reinforced plastic (FRP) elements within ship structures: fire safety issues“ ist die Grundvoraussetzung für den Einsatz von FVK in SOLAS-Schiffen. Laut der „Interim Guidelines“ können derzeit integrierte Strukturen oder nicht strukturelle Teile, die nicht zur Festigkeit des Schiffes beitragen, durch FVK ersetzt werden.

Hier setzt das Projekt „GreenLight“ an: Für lasttragende Komponenten sollen biobasierte Faserverbundwerkstoffe entwickelt werden, die zugleich die hohen Brandsicherheitsstandards erfüllen. Unter der Federführung des Fraunhofer IFAM bringen die Projektpartner Meyer Werft GmbH & Co.KG und Invent GmbH ihre Expertise zu Materialentwicklung, Fertigungsprozessen und Schiffbau ein. Begleitet wird das Vorhaben von vier weiteren assoziierten Partnern mit ihrer Erfahrung zu Materialien und Halbzeugen sowie deren Nachhaltigkeit, Zulassung und Betriebssicherheit. Aufgrund der Langlebigkeit der Materialien werden weitere Aspekt wie die Demontage sowie Bauteil- und Werkstoffkreisläufe bereits in der Konstruktions- und Werkstoffentwicklungsphase berücksichtigt.

Brandsichere Faserverbundwerkstoffe mit Potenzial für strukturelle Anwendungen
In FVK-Bauteilen sind die Temperaturbeständigkeit und das Brandverhalten in hohem Maße von der organischen Polymermatrix abhängig. Unter Wärmebeaufschlagung tritt eine thermische Zersetzung des Polymers durch Pyrolysevorgänge auf, wobei die Zersetzungstemperatur, die entstehenden Gase, deren Brennbarkeit und Toxizität von der chemischen Struktur der verwendeten Polymere entscheidend beeinflusst werden. Um die Freigabe dieses Materials für SOLAS Schiffe zu erhalten, müssen insbesondere die hohen Brandschutzanforderungen erfüllt werden.

Das „GreenLight“-Projektvorhaben setzt mit polybenzoxazinbasierten Verbundwerkstoffen an dieser Stelle an. Polybenzoxazine zeigen bzgl. des präventiven Brandschutzes vielversprechende Eigenschaften und zeichnen sich im Brandfall durch geringere Wärmefreisetzungsraten, eine geringere Rauchgasdichte und -toxizität aus. Sie zeigen auch ohne Verwendung von halogenierten Flammschutzmitteln ein großes Potenzial, den Anforderungen an den Brandschutz in verschiedenen Anwendungsbereichen gerecht zu werden. Mit diesem materialintrinsischen Lösungsansatz kann das Brandverhalten der FVKs den Anforderungen auch nach einer mechanischen Verformung der Komponenten durch beispielsweise Zusammenstöße oder Unfälle gerecht werden. Mit diesem Ansatz werden schwerpunktmäßig strukturelle Komponenten in einer Schiffsstruktur für einen Anwendungsbereich betrachtet, die über den Stand der Technik hinausgehen. So lassen sich zukünftig weitere Leichtbaupotenziale erschließen.

Verbesserung der Ökobilanz durch biobasierte und sensorierte Materialien
Vor dem Hintergrund der Ressourcenverknappung und dem Bestreben, die Rohstoffproduktivität zu steigern, spielen Rohstoffe, Fertigungsprozesse und die spätere Verwertung der Werkstoffe eine essenzielle Rolle. Faserverbundwerkstoffe, die auf nachwachsenden Rohstoffen basieren, zeichnen sich gegenüber konventionellen, erdölbasierten Werkstoffen in der Regel durch einen über den gesamten Produktlebenszyklus betrachtet geringeren CO2-Fußabdruck aus.

Auf Basis von Benzoxazinen sind chemisch, mechanisch und thermisch stabile und sogar biobasierte Polymere zugänglich. Für die Benzoxazin-Synthese sind phenolische Komponenten, Amine und Formaldehyde notwendig, wobei diese Komponenten aus konventionellen Erdölprodukten, aber auch aus nachwachsenden Rohstoffen, wie z. B. der Maisspindel oder Sesamsamen gewonnen werden können. Im Projekt „GreenLight“ wird die Erforschung nachhaltiger benzoxazinbasierter Verbundwerkstoffe im Sinne einer nachhaltigen Chemie erfolgen. Dabei wird bei der Auswahl der Rohstoffe (Herkunft, Gewinnung etc.) ein besonderes Augenmerk auf die ökologischen und sozialen Faktoren im Rahmen einer Nachhaltigkeitsanalyse gelegt.

Um den CO2-Fußabdruck weiter zu reduzieren, besteht zudem die Aufgabe für diese Materialien eine möglichst lange Lebens- und Betriebszeit zu erreichen. Für dieses Ziel werden die Faserverbundwerkstoffe mit Sensoren ausgestattet, die eine Zustandsüberwachung der Materialien im Betrieb erlauben. Mit dieser Sicherheit lässt sich die Auslegung der Werkstoffe in der Fertigung verbessern und die Anzahl der Wartungszyklen und der Wartungsaufwand reduzieren.

Die Integration der Sensoren kann durch das Einbringen von folienbasierten oder gedruckten Sensoren in Form von Pasten erfolgen. Im Rahmen des „GreenLight“-Projektes werden diese Ansätze auf biobasierte Polybenzoxazine mit Basaltfaserverstärkung übertragen und Konzepte, mit denen die Daten aus den Sensoren für Structural Health Monitoring (SHM) genutzt werden können, entwickelt. Diese Daten bilden auch die Grundlage für einen digitalen Zwilling, welcher das Material über den gesamten Lebenszyklus (Design, Erstellung, Betrieb und Wiederverwertung) abbildet und für die Bewertung der Langzeiteigenschaften verwendet werden kann.

Insbesondere die Hochleistungskunststoffe, wie die hier zu erforschenden Benzoxazin-basierten Materialien, besitzen ein hohes Wertschöpfungspotenzial und sollen im Sinne einer stofflichen Aufwertung in alternativen Anwendungen wiederverwertet werden. Eine Wiederverwertung vorhandener Werkstoffe oder sogar Bauteile reduziert die Verwendung von Rohstoffen. Das setzt allerdings voraus, dass die Bauteile in werkstoffreine Komponenten zur weiteren werkstofflichen Nutzung demontiert werden können. Vor diesem Hintergrund ist das Thema der recyclinggerechten Konstruktionskonzepte zur Demontage von Werkstoffverbünden am Lebensende oder für eine notwendige Reparatur während der Betriebsdauer von Bedeutung.