Technologie: Wissenschaft

EXACT-Projekt: Viele Wege führen zur klimaneutralen Luftfahrt

EXACT-Projekt: Viele Wege führen zur klimaneutralen Luftfahrt
Entwürfe für klimaneutrale Verkehrsflugzeuge. © DLR

[DLR] Seit Anfang des Jahres 2020 arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam im Projekt EXACT (Exploration of Electric Aircraft Concepts and Technologies) an den Entwürfen klima­neutraler Verkehrsflugzeuge. Das Konzept einer Flotte bestehend aus Regional-, Kurz- und Mittel­strecken­flugzeugen mit einer großen Breite von Antriebs­konzepten liegt nun als Zwischen­ergebnis vor. Darunter sind Regionalflugzeuge mit verteilten elektrischen Antrieben sowie Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge mit Turboprop- und Turbofan-Antrieben. Diese können sowohl hybrid-elektrisch mittels Wasserstoff-Brennstoffzelle als auch per Direkt­ver­brennung von Wasserstoff oder nachhaltigen Luftfahrt­kraftstoffen (SAF, Sustainable Aviation Fuel) betrieben werden.

„Gerade zwischen den Technologieoptionen auf Basis von Wasserstoff und SAF zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Die erarbeiteten Flugzeugkonzepte und Energie­szena­rien möchten wir nun zusammen mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft voran­bringen und in gemeinsamen Kooperationsprojekten für die klima­neutrale Luftfahrt vertiefen“, erklärt Projektleiter Dr. Johannes Hartmann vom DLR-Institut für System­archi­tekturen in der Luftfahrt in Hamburg.

Sowohl der vollständige Lebenszyklus der Flugzeuge als auch der Prozess der Gewinnung, des Transports und der Bereitstellung regenerativer Treibstoffe wurde nun umfassend in der Analyse der Klimaverträglichkeit der neuen Konfigurationen berücksichtigt. Überge­ordnetes Ziel des Projekts EXACT ist es, neue Flugzeugkonfigurationen zu entwerfen, die mit mindestens 70 Sitzen und einer Reichweite von 2.000 Kilometern bis zum Jahr 2035 einsatzbereit sein können. Die innovativen Flugzeugentwürfe sollen dabei mittels neuer Technologien keine CO2-Emissionen mehr freisetzen. Hierfür hat das Projektteam im ersten Schritt konventionelle Antriebe untersucht, um diese bis ins Detail zu verstehen. Aus diesen Erkenntnissen konnte das Team unterschiedliche Antriebskonzepte und mögliche Flugzeugkonfigurationen entwickeln sowie deren Zusammenwirken in einer ganzen Flotte verschiedener Flugzeuggrößen bewerten.

Klimaneutral vom Anfang bis zum Ende
Die Zusammenarbeit von 20 DLR-Instituten mit ihrer jeweiligen Expertise und gemein­samen Systemkompetenz ermöglicht es, den ganzen Lebenszyklus eines Flugzeuges mitzudenken und zu betrachten – von der Produktion über den Betrieb bis hin zur Außer­dienst­stellung mit anschließendem Recycling. Hierfür hat das Projektteam im Detail alle Komponenten des jeweiligen Flugzeugs entworfen und geprüft, wie diese zusammen­wirken.

„Als nächstes wollen wir die Anforderungen an die Zulassung und Industrialisierung detaillierter in gemeinsamen Projekten mit der Industrie betrachten“, so Hartmann „Insbesondere mittelständische Unternehmen können unsere Flugzeugkonzepte nutzen, um die Vorentwicklung ihrer Zulieferteile für größere Industrie­betriebe frühzeitig zu planen.“

In naher Zukunft könnte SAF die Klimawirkung bereits vermindern. Langfristig bieten diese ebenso wie die Wasserstoffdirektverbrennung das Potenzial, die Klimawirkung um bis zu 90 Prozent zu senken. Für Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb sind allerdings komplett andere Technologien nötig. Zudem müssen Flughafen­infrastrukturen und Wartungs­betrie­be angepasst sowie das Luftfahrt­personal neu ausgebildet werden.

Ein besonderer Fokus liegt auch auf der Betrachtung des Lebenszyklus – nicht nur der Flugzeuge, sondern auch der einzelnen Energieträger. Die Ingenieurinnen und Wissen­schaftler untersuchen die Umweltwirkung der einzelnen Flugzeugtypen vom Entwurf bis zur Außerdienststellung. Unter der Umweltwirkung verstehen die Forschen­den nicht nur den Ausstoß von CO2 und Treibhausgasen, sondern beispielsweise auch den Wasserverbrauch oder die Belastung von Böden durch Schadstoffe. Das heißt, sie betrachten auch die Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima, bevor eine Flugzeug­kompo­nente produziert ist und was nach dem Recycling mit den Materialien geschieht.

„Grüne“ Energieträger
Um genügend „grünen“ Wasserstoff zu produzieren sind Ökostrom und Wasser nötig. In speziellen Industrieprozessen wird der Wasserstoff zu SAF weiterverarbeitet. Das Projekt EXACT untersucht Szenarien, die Energieträger zu den Orten an denen Luftfahrt statt­findet, möglichst nachhaltig zu transportieren. „Die direkte Kopplung solcher Themen mit dem Flugzeugentwurf und der Technologieentwicklung ist in unserem Projekt völlig neu. Erdöl wurde seit jeher aus der Erde gewonnen und in Raffinerien zu Kerosin weiter­ver­arbeitet. Nachhaltige Kraftstoffe zu produzieren ist viel komplexer. Solarstrom könnte zum Beispiel in der Wüste gewonnen werden, Wasser gibt es an Küsten. In EXACT erforschen wir, wie diese Energieträger möglichst effizient zu transportieren und weiterzuverarbeiten sind, um sie letztlich im Flugzeug zu nutzen“, so Hartmann.

Dabei berücksichtigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Kraftstoff­her­stellung in Szenarien zur nachhaltigen Energiegewinnung mit anschließender Produktion von Wasserstoff und SAF bereits bei der Planung neuartiger Flugzeugtypen. Sie setzen dies mit der entsprechend notwendigen Infrastruktur in Verbindung, sodass ein neues Luftfahrtsystem von Anfang an nachhaltig und wirtschaftlich betreibbar geplant wird.

In der zweiten Projekthälfte sollen nun ganzheitliche Lösungen gefunden werden, in denen die Technologiebausteine optimal ineinandergreifen. Erst dann ist eine zuverlässige Bewertung der verschiedenen Technologien und Energieträger hinsichtlich ihrer Klima­wirkung abschließend möglich.