Mobilität: Wissenschaft

Crowd-Management in der Praxis: Gegen Gedränge auf Bahnhöfen

Crowd-Management Bahnsteig
Symbolbild: pixabay.de

Hamburger Hauptbahnhof, August 2018: Wegen ausfallender Züge herrscht großes Gedränge, Bahnsteige werden abgesperrt, Fahrgäste erhalten nur noch dosiert Zugang, … Ohne gezieltes Crowd-Management drohen solche Szenarien in Zukunft auch weiteren Bahnhöfen in Deutschland, zeigen sich die Wuppertaler Professoren Armin Seyfried und Frank Fiedrich überzeugt.

Einige Bahnhöfe und U-Bahnstationen operieren schon heute an den Grenzen ihrer Kapazität. „Gerade zu Stoßzeiten oder bei Verspätungen und Ausfällen kommt es aufgrund stetig zunehmender Fahrgastzahlen zu einem Ansturm, dem viele Bahnsteige nicht mehr gewachsen sind“, so die Wissenschaftler. Setzt sich der Trend fort, werden sich in Zukunft noch mehr Menschen dicht gedrängt durch den Bahnhof schieben. „Das ist nicht nur unangenehm, sondern birgt – gerade auf Bahnsteigen und Rolltreppen – auch erhebliche Gefahren.“ Im Rahmen des Projektes CroMa – angelehnt an den englischen Begriff Crowd-Management – wollen sie mit Forschenden mehrerer wissenschaftlicher Einrichtungen und gemeinsam mit der Düsseldorf Congress GmbH, die unter anderem die Hallen der Messe Düsseldorf vermarktet, die Situation verbessern: unterschiedliche Methoden zur Lenkung der Personenströme untersuchen sowie neue Konzepte und Maßnahmen erarbeiten, mit denen sich die Lage entspannen und die Effizienz erhöhen lässt.

Das Projekt, das bis Juli 2021 läuft, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und an der Bergischen Universität koordiniert. Als Partner eingebunden sind weitere Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Verkehrsbetreiber und Veranstalter.

„Gemeinsam wollen wir Methoden zur Lenkung von Personenströmen untersuchen, die auch im Bahnhof funktionieren“, sagt Armin Seyfried. Und Frank Fiedrich ergänzt: „Bei Crowd-Management geht es auch darum, durch gute Information und richtige Anreize kritischen Situationen vorzubeugen.“ Um die Überführung der Forschungsergebnisse in die Praxis sicherzustellen, sind auch mehrere Verkehrsbetriebe wie die Deutsche Bahn, die Schweizer Bundesbahnen und die Kölner Verkehrs-Betriebe sowie Veranstaltungstechniker, Polizei und Ordnungsdienstleister an dem Projekt beteiligt.

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich befassen sich mit der Konzepterstellung und Durchführung von Experimenten, mit denen sich gezielt die Wirkung verschiedenartiger Methoden des Crowd-Management untersuchen lässt. Bei der Auswahl werden sie sich unter anderem an Feldstudien und Best-Practice-Beispielen orientieren. Neben physischen und baulichen Systemen wie Absperrgittern haben die Experten dabei auch psychologische Faktoren im Blick. So wollen sie etwa in Zusammenarbeit mit der Universität Bochum unterschiedliche Formen der Informationsweitergabe und Ansprache testen.

„Denkbare Maßnahmen sind etwa Markierungen oder Informationen über den Auslastungsgrad einzelner Wagen eines Zuges, wodurch sich die Reisenden am Bahnsteig schon frühzeitig günstiger verteilen können, um das Ein- und Aussteigen zu optimieren. Uns interessiert, welche Effekte Maßnahmen dieser Art haben und wie sie sich auf das Stresslevel der Fahrgäste auswirken“, erklärt Dr. Maik Boltes aus dem Bereich Zivile Sicherheitsforschung des Jülicher Institut for Advanced Simulation (IAS-7). „Ein weiterer Aspekt sind die Durchsagen, etwa am Bahnsteig. Aus vorangegangenen Projekten wissen wir, dass bereits die Ansprache einen merklichen Einfluss auf das Verhalten der Menschen hat.“ Vor rund fünf Jahren hatten die Experten um Verbundkoordinator Prof. Armin Seyfried von der Uni Wuppertal und dem Forschungszentrum Jülich bereits Versuche mit insgesamt über 2.000 Probanden in den Düsseldorfer Messehallen durchgeführt.

An der Uni Wuppertal sind jetzt vor allem zwei Lehrstühle involviert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Lehr- und Forschungsgebiet Computersimulation für Brandschutz und Fußgängerverkehr befassen sich mit der Gestaltung von Bahnsteigen und anderen Verkehrsflächen für Fußgänger. Neben physischen und baulichen Systemen wie Absperrgittern haben die Forschenden dabei auch psychologische Faktoren im Blick. So wollen sie etwa in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum die Wirkung sozialer Regeln untersuchen sowie unterschiedliche Formen der Informationsweitergabe und Ansprache testen.

Im Fokus des Lehrstuhls für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherung stehen insbesondere die Auswirkungen großer Personenströme auf Bahnanlagen und die resultierenden Anforderungen an davon betroffene Entscheidungsträger. „Bedingt durch die Vielzahl an Akteuren – beispielsweise Verkehrsunternehmen, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und Bundes- bzw. Landespolizei – sind eine effiziente Kommunikation und ein strukturierter Informationsaustausch zur reibungslosen Zusammenarbeit notwendig“, betont Prof. Fiedrich. „Wir befassen uns daher mit der Optimierung des interorganisationalen Risiko- und Krisenmanagements im Hinblick auf Informationsflüsse und Entscheidungsfindung.“ Durch die Entwicklung von Empfehlungen hierzu soll die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Bahnhofsinfrastrukturen auch unter besonderen Belastungen aufrechterhalten werden können.


Partner im Projekt CroMa: Bergische Universität Wuppertal, Forschungszentrum Jülich, Ruhr-Universität Bochum, Düsseldorf Congress GmbH
Assoziierte Partner: Schweizerische Bundesbahnen AG, Deutsche Bahn AG, Kölner Verkehrs-Betriebe AG, Rheinbahn AG, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V., Bundespolizeiinspektion Düsseldorf, Landeshauptstadt Düsseldorf, eps gmbh, Special Security Services Deutschland GmbH
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Armin Seyfried, Computersimulation für Brandschutz und Fußgängerverkehr, seyfried@uni-wuppertal.de
– Prof. Dr. Frank Fiedrich, Lehrstuhl für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit, fiedrich@uni-wuppertal.de