Technologie: Wissenschaft

Adsorption: Aus heißem Tiefenwasser Lithium gewinnen

Adsorption: Aus heißem Tiefenwasser Lithium gewinnen
Blick ins Labor: Ein Adsorbens, basierend auf einem Lithium-Mangan-Oxid mit einer speziellen Kristallstruktur, dient als Lithium-Ionen-Sieb.
Foto: Dr. Monika Bäuerle | IAM-ESS/KIT

[KIT] – Geothermie ermöglicht nicht nur eine nachhaltige Strom- und Wärme­versorgung, sondern nebenbei auch eine regionale Lithium-Gewinnung. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der EnBW haben ein Lithium-Ionen-Sieb aus einem Lithium-Mangan-Oxid hergestellt und zur Adsorption von Lithium aus geothermalen Solen eingesetzt. Das Nutzen heimischer Lithium-Quellen kann künftig dazu beitragen, dem steigenden Bedarf an dem als Energie­speicher­material unverzicht­baren Leicht­metall zu begegnen. Die Forschenden berichteten in der Zeitschrift Energy Advances, die die Arbeit nun als eines der „Outstanding Paper 2022“ würdigt.

Eine nachhaltige Energieversorgung erfordert leistungs­fähige Energie­speicher. Dabei ist Lithium nicht mehr wegzudenken – das Leichtmetall steckt in Batterien vieler technischer Geräte und Fahrzeuge, von Smartphones über Notebooks bis hin zu Elektroautos. In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage weltweit stark gestiegen. Europa ist bis jetzt auf Importe angewiesen. Allerdings gibt es auch europäische Lager­stätten für Lithium, nämlich Thermal­wässer in einigen Kilometern Tiefe. Sie enthalten hohe Konzentrat­ionen an Lithium-Ionen. So lassen sich Geothermie-Anlagen, die heißes Wasser aus der Tiefe fördern, nicht nur zur nachhaltigen Strom- und Wärmeversorgung, sondern nebenbei auch zur umwelt­verträglichen regionalen Lithium-Gewinnung nutzen.

Hohe Lithium-Konzentrationen im Norddeutschen Becken und im Oberrheingraben
„Je nach geologischem Ursprung enthalten geothermale Solen zwischen 0,1 und 500 Milligramm Lithium pro Liter“, erklärt Professor Helmut Ehrenberg, Leiter des Instituts für Angewandte Materialien – Energie­speicher­systeme (IAM-ESS) des KIT. So wurden im Norddeutschen Becken Lithium-Konzentrationen bis zu 240 Milligramm pro Liter gemessen, im Oberrheingraben bis zu 200 Milligramm pro Liter. „Die Gewinnung von Lithium aus geo­thermalen Solen stellt allerdings eine große Heraus­forderung dar, weil die Lithium-Ionen mit vielen anderen Ionen konkurrieren“, erläutert Ehrenberg.

Eine vielversprechende Möglichkeit, Lithium aus heißem Tiefen­wasser zu gewinnen, ist die Adsorption, das heißt die Anlagerung von Lithium-Ionen an der Oberfläche von porösen Feststoffen. Dazu bedarf es geeigneter Adsorbentien, die nicht nur lithium-selektiv sind, sondern sich auch umweltverträglich herstellen, einsetzen und entsorgen lassen, sowie geeigneter Desorptions­lösungen, um die Lithium-Ionen wieder vom Adsorbens zu lösen. Forschende vom IAM-ESS des KIT haben zusammen mit dem Bereich Forschung & Entwicklung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG sowie Wissen­schaftler­innen und Wissen­schaftlern vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT und der Hydrosion GmbH ein Lithium-Ionen-Sieb hergestellt und im Labor getestet. Darüber berichten sie in der Zeitschrift Energy Advances. Ihre Publikation wurde vom Herausgeberteam in die Sammlung „Energy Advances – 2022 Outstanding Papers“ aufgenommen.

Lithium-Ionen-Sieb mit spezieller Kristallstruktur
Das vorgestellte Lithium-Ionen-Sieb basiert auf einem Lithium-Mangan-Oxid mit einer speziellen, als Spinell bezeichneten Kristall­struktur. Die Forschenden stellten es über hydrothermale Synthese her, bei der Substanzen aus wässrigen Lösungen bei hohen Temperaturen und Drücken kristalli­sieren. In Labortests verwendete das Forschungs­team diese Substanz, um Lithium-Ionen aus geothermaler Sole zu adsorbieren. Die Sole stammt aus der von der EnBW betriebenen Geothermie-Anlage Bruchsal, die zwischen Karlsruhe und Heidelberg im Oberrhein­graben liegt. Dort untersucht der Bereich Forschung & Entwicklung der EnBW in verschiedenen Projekten die Lithium­förderung aus Thermalwasser.

Für die in Energy Advances publizierte Arbeit testeten die Forschenden anschließend an die Adsorption von Lithium verschiedene Desorptions­lösungen, wobei Essigsäure die besten Ergebnisse brachte, was Lithium-Gewinnung und Adsorbens-Erhaltung betrifft. Allerdings kam es mit allen getesteten Desorptions­lösungen, besonders mit Essigsäure, zu einer Anreicherung des Lithium-Ionen-Siebs mit konkurrierenden Ionen. Dies ist auf den hohen Mineralgehalt der Sole in Bruchsal zurückzuführen. Die Anreicherung mit konkurrierenden Ionen kann die Adsorptions­kapazität für Lithium verringern.

Die weitere Forschung steht nun vor den Herausforderungen, das Lithium-Ionen-Sieb so weiter­zuentwickeln, dass es sich einfacher handhaben lässt und seine Adsorptions­kapazität im Prozess nur geringfügig beeinträchtigt wird, sowie das Verfahren vom Labor- zum Pilotmaßstab hochzuskalieren. Dann kann die Lithium-Gewinnung aus geothermalen Solen künftig den Aufbau einer europäischen Lithium-Versorgung unterstützen. (or)


Originalpublikation (Open Access): Laura Herrmann, Helmut Ehrenberg, Magdalena Graczyk-Zajac, Elif Kaymakci, Thomas Kölbel, Lena Kölbel and Jens Tübke: Lithium recovery from geothermal brine – an investigation into the desorption of lithium ions using manganese oxide adsorbents. Energy Advances, 2022. DOI: 10.1039/d2ya00099g