Ein Statement von Eberhard Buhl, Redaktion Internationales Verkehrswesen
Dass weltweit und europäisch derzeit gewaltige Herausforderungen vor uns stehen, müsste zwischenzeitlich den meisten Zeitgenossen aufgefallen sein. Allein die beinahe verharmlosend als Klimawandel bezeichnete, grundlegende Veränderung der Lebensbedingungen auf unserem Planeten dürfte angesichts jüngster Forschungsergebnisse nur schwer einzubremsen sein. Mit der direkten und indirekten Nutzung fossiler Brennstoffe und dem tief verankerten Willen des Einzelnen zu individueller Mobilität „on demand“ tragen auch Transport und Verkehr ihren Teil dazu bei. Doch allein die Frage, ob, wie viel und von wem dazu beigetragen werden kann, Mobilität zukunftstauglich zu gestalten, enthält gesellschaftlichen Sprengstoff. Nicht nur an den Stammtischen der Republik. Aber gibt es überhaupt einen Königsweg?
Gerade mit Blick auf Europa zeigt sich, dass Forschung, Wissenschaft und Industrie bei der Entwicklung innovativer Technologien und Methoden oft deutlich schneller vorankommen als beispielsweise die rahmengebende Politik. Das belegen die Beiträge in der vorliegenden Ausgabe von Internationales Verkehrswesen einmal mehr. Wobei oft nicht einmal die Dekarbonisierung als solche im Fokus steht: Zunehmend werden Strategien, Hilfsmittel und Lösungen dafür entwickelt, wie sich individuelle Mobilität verbessern und gleichzeitig Verkehr insgesamt reduzieren lässt. In der Praxis suchen Städte und Gemeinden nach alternativen und flexiblen Mobilitätsideen, um die Abhängigkeit vom Auto zu reduzieren. Gute Argumente und technische Möglichkeiten sind zahlreich vorhanden.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz gelten hier als Gebot der Stunde. Doch auch diese Münze hat zwei Seiten: Der Energiebedarf für das wachsende Angebot an Smartphone-Apps und der Infrastruktur der Dienste-Anbieter wächst dramatisch. Eine Studie des französischen Thinktanks „The Shift Project“ kam bereits 2019 zu dem Schluss, dass allein das Internet, wäre es ein Staat, auf Platz sechs in Sachen Energieverbrauch käme. Andere Studien rechnen hoch, dass die gesamte Informations- und Kommunikationstechnik – Smartphones, PCs und Rechenzentren eingeschlossen – bereits für gut zwei Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich ist und in der Größenordnung des weltweiten Flugverkehrs liegt. Den prognostizierten weiteren Anstieg des Energiebedarfs mit „grünem Strom“ zu decken, erscheint technisch zwar möglich, erfordert jedoch neben politischen Sonntagsreden auch den Willen zur Durchsetzung.
Weil nun mal alles mit allem zusammenhängt, bleibt auch das Themenfeld Infrastruktur, Schwerpunkt dieser Ausgabe über alle Rubriken hinweg, ein Dauerbrenner: Sicher meine ich damit auch marode Brücken, die seit Jahren grundlegend saniert werden sollten und nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr befahrbar sind. Oder die peinlich vielen, seit der Dampflok-Ära kaum modernisierten Bahnstrecken, die heutigem Personen- und Güterverkehr in keiner Hinsicht mehr gewachsen sind und längst wenigstens elektrifiziert gehören. Es sind gerade in Sachen Digitalisierung die verpassten Chancen der vergangenen Jahrzehnte, die bleiern wichtige Innovationen hemmen.
Während diese Zeilen entstehen, rangeln Parteienvertreter in der deutschen Hauptstadt um gesichtswahrende Optionen, wie sie notwendige Zukunftmaßnahmen mit den – leider oft konträren – eigenen Wahlversprechen koordinieren, in einer neuen Bundesregierung finanzieren und realisieren können. Keine Frage: Der demokratische Umgang mit dem Willen des Wahlvolkes, dessen Steuergeld hier eingesetzt werden soll, gebietet harte Verteilungskämpfe.
Doch diese Maßnahmen für die Zukunft sind weder Wunschkonzert noch Selbstzweck. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht mal wieder auf der Strecke bleiben.