[Leibniz-Institut für Länderkunde] – Die geringere Geschwindigkeit in Tempo 30-Zonen bedeutet weniger Umweltbelastung, mehr Sicherheit und bessere Lebensqualität. Dennoch schöpfen viele Städte ihre verkehrsrechtlichen Möglichkeiten für Tempolimits von 30 km/h oder weniger bei weitem nicht aus. Das zeigt eine Analyse des Leibniz-Instituts für Länderkunde, deren Ergebnis jetzt als interaktive Deutschlandkarte im Nationalatlas aktuell abrufbar ist.
Immer mehr Städte und Gemeinden in Deutschland setzen auf verkehrsberuhigende Maßnahmen zum Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger; bis Mai dieses Jahres haben sich 742 Gemeinden der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ angeschlossen. Sie fordern eine Anpassung des Straßenverkehrsrechts für mehr Handlungsfreiheit bei der Anordnung von Tempolimits. Ihren Gestaltungsspielraum für Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h und weniger schöpfen die Städte aktuell in höchst unterschiedlichem Maß aus, wie die aktuelle Deutschlandkarte des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) zeigt. Per Tooltip lässt sich dort für jede der 80 deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern der mögliche und der tatsächliche Anteil geschwindigkeitsreduzierter Abschnitte in den jeweiligen Straßennetzen anzeigen, aufgeschlüsselt nach Straßenkategorien. Farbige Kartensymbole ermöglichen zudem einen Vergleich der Städte untereinander.
Bei den Nebenstraßen hat Berlin mit 86,4 % den höchsten und Koblenz mit 31,9 % den niedrigsten Tempo-30-Anteil. Bei den Hauptstraßen liegt Mainz mit 18,9 % an der Spitze, Schlusslicht ist Paderborn mit einem Anteil von lediglich 0,2 %. Die Werte beziehen sich auf die nach derzeit gültigem Verkehrsrecht möglichen Abweichungen von der innerorts üblichen Geschwindigkeit von 50 km/h. Gemeinden können danach Tempo 30 oder weniger in der Regel nur auf Verkehrswegen anordnen, die weder als Bundes-, Landes- noch Kreisstraßen beziehungsweise als weitere Vorfahrtstraßen ausgewiesen sind.
Die Auswertung knüpft an den Beitrag „Tempo 30 in Großstädten“ in der Märzausgabe des „Nationalatlas aktuell“ an. Für beide Analysen haben die IfL-Forscher Wladimir Sgibnev und Christian Hanewinkel auf OpenStreetMap-Daten zurückgegriffen. In ihrer aktuellen Studie weisen sie darauf hin, dass die Daten eine deutschlandweit vergleichende Perspektive ermöglichen und nicht für Aussagen zu Ausmaß oder Qualität der Verkehrsberuhigung vor Ort herangezogen werden sollten. „Wir würden uns aber freuen, wenn die Karte kommunale Akteure zusätzlich motivieren könnte, ihre Potenziale zu nutzen und mittels verkehrsberuhigender Maßnahmen die städtischen Räume lebenswerter für ihre Bürgerinnen und Bürger zu gestalten“, betont Wladimir Sgibnev, Leiter der Forschungsgruppe Mobilitäten und Migration am Leibniz-Institut für Länderkunde.
Hanewinkel, Christian & Wladimir Sgibnev (2023): Tempo 30 in Großstädten: Möglichkeiten – und Grenzen – im deutschlandweiten Vergleich. In: Nationalatlas aktuell 17 (06.2023) 3 [15.06.2023]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL).