Standpunkt

Corona stoppt weder Klimaziele noch Verkehrswende

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Internationales Verkehrswesen 2/2019 – Foto: RMV | Holger Peters

Ein Statement von Prof. Knut Ringat, Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH sowie Mitglied im Herausgebergremium von Internationales Verkehrswesen.

Corona verändert unser Leben und natürlich auch unsere Mobilität. Homeoffice, keine Großveranstaltungen, keine Messen, keine Kongresse, Reisebeschränkungen, aber auch die Angst vor einer Infektion, all das führt zu einer veränderten Mobilität. Am grundsätzlichen Mobilitätsbedürfnis wird dies aber nichts ändern und perspektivisch wieder zu einem Fahrgastwachstum führen – vor allem im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Und das wollen wir ja auch. Die Menschen sollen mit Bus und Bahn unterwegs sein und damit die umweltfreundlichsten Verkehrsmittel nutzen. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass wir ihre Anforderungen erfüllen und ihre Ängste ernst nehmen müssen. Wichtig ist neben Sicherheits- und Hygienemaßnahmen insbesondere eine intensive Aufklärung. Denn die Nutzung von Bus und Bahn ist auch in Zeiten der Pandemie so sicher wie ein Besuch im Supermarkt.

Wir müssen das Vertrauen in den ÖPNV wieder herstellen. Dazu haben die ÖPNV-Akteure ein ganzes Bündel an Maßnahmen initiiert. Über neue Hygiene- und Reinigungskonzepte hinaus kann vor allem die Digitalisierung helfen, den Fahrgästen ein gutes Gefühl beim Nutzen von Bus und Bahn zu vermitteln. Abstand und Platz sind die Stichworte der Zeit. Hier können Mobilitäts-Apps und Auslastungsprognosen helfen, die für die eigenen Bedürfnisse geeigneten Verkehrsmittel zu finden. So kann ich sehen, ob eine Bahn schon gut gefüllt ist und wähle die darauffolgende „leerere“, beziehungsweise ich lasse mir eine andere Wegekette anzeigen. Auch elektronische Fahrkarten und attraktive Flatrate-Angebote tragen zum Sicherheitsbedürfnis der Menschen bei. Viele dieser Maßnahmen sind in den Verkehrsunternehmen und -verbünden bundesweit bereits in der Entwicklung beziehungsweise im Einsatz.

Wir brauchen einen zukunftsfähigen, verlässlichen und sicheren ÖPNV! Denn er ist das Herzstück der Verkehrswende. Trotz Corona dürfen wir nicht nachlassen und die Klimaziele aus dem Blick verlieren. Und wir müssen alles daransetzen, gerade jetzt aktiv Klimaschutzmaßnahmen einzuleiten. Denn die Zeit ist nicht nur reif dafür, sondern auch überfällig. Die Themen rund um den Klimawandel und die Verantwortung von Mobilität und Verkehr für die Reduktion von CO2 und klimaschädlichen Emissionen in diesem Sektor werden uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiterhin begleiten. Die Pandemie stoppt weder Klimaziele noch Verkehrswende.

Dem ÖPNV kommt eine von Politik und Gesellschaft inzwischen anerkannte Schlüsselrolle für die Erreichung der Klimaziele und der auch durch Corona nicht zu stoppenden Verkehrswende zu. Daher sollten wir alles daransetzen, den ÖPNV zu stärken. Dazu gehört an erster Stelle der weitere umfangreiche Ausbau der Infrastruktur. Außerdem müssen die begonnenen Projekte zur Angebotsverbesserung und -erweiterung dringend vorangetrieben werden. Für die ÖPNV-Finanzierung bei politisch gewünschter weiterer Ausweitung günstiger Tarifangebote für unsere Fahrgäste benötigen wir die „Bazooka“, um mit den Worten des Finanzministers Olaf Scholz zu sprechen. Denn sobald sich das gesellschaftliche Leben wieder normalisiert, werden die Fahrgastzahlen umso mehr steigen. Und darauf müssen wir vorbereitet sein.

Durch die Corona-Pandemie ist die Branche über alle Bereiche – von Verkehrsunternehmen bis Aufgabenträger – noch enger zusammengewachsen und arbeitet mit großem Engagement lösungsorientiert zusammen. Lassen Sie uns diesen neu entstandenen Zusammenhalt weiter vertiefen und halten und gemeinsam mit Politik und Gesellschaft einen starken ÖPNV schaffen!


Veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen (72), Heft 4/2020