Die häufigsten Seecontainer weltweit sind 40-Fuß-Standardcontainer. Mit ihren Innenmaßen von rund 12 x 2,3 x 2,4 m haben sie ein Ladevolumen von gut 65 m³ und eine Nutzlast von zirka 26 t. Diese Seecontainer zu entleeren, ist eine schwere, heute in den Häfen überwiegend noch manuelle Arbeit. Künftig soll sie mithilfe eines neuartigen Roboters erledigt werden. Dazu forscht das BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen mit den Entwicklungspartnern BLG Handelslogistik und Schulz Systemtechnik aus Bremen und Framos aus Taufkirchen bei München in dem neuen Projekt Interaktives Robotiksystem zur Entleerung von Seecontainern (IRiS). Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert dieses dreijährige Vorhaben im Rahmen des Programms für Innovative Hafentechnologien (IHATEC) , begleitet wird das Projekt vom Projektträger TÜV Rheinland, Verbundkoordinator ist BLG Handelslogistik.
Pro 40-Fuß-Seecontainer bis zu 1.800 Kartons mit einem Einzelgewicht von teils bis zu 35 kg
Ein wesentlicher Anteil der im- und exportierten Container wird in Seehäfen entleert und beladen. In den inzwischen hochtechnisierten Transportketten ist das Entleeren von Containern einer der letzten nicht automatisierten Prozesse, denn hier fehlt es noch immer an schlanken, einfach zu handhabenden, zuverlässigen und kostengünstigen technischen Lösungen.
Aufgrund hoher Investitionskosten und Inbetriebnahmezeiten sowie der aufwendigen Anpassungen nutzen nur wenige Hafenbetreiber die bisher vorhandenen automatischen und halbautomatischen Robotersysteme. Diese sind zudem häufig stationär und relativ groß, was auch die Flexibilität erheblich eingeschränkt. Entsprechend üben in der Regel noch immer Menschen diese monotone und körperlich extrem belastende Tätigkeit in einem zumeist nicht klimatisierten Umfeld aus. Entladen sie einen 40-Fuß-Standardcontainer, bewegen sie bis zu 1.800 Kartons mit einem Einzelgewicht von teils bis zu 35 kg, bisweilen sogar mehr.
Mobiles System wird sich leicht und schnell in vorhandene Infrastrukturen integrieren lassen
Das Vorhaben dient der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Effizienz von Umschlagprozessen an Seehäfen. Der in dem Projekt entwickelte neuartige mobile Roboter soll innerhalb kürzester Zeit ohne große Anpassungen in der vorhandenen betrieblichen Infrastruktur zur Entladung eingesetzt werden können. Er wird sich selbstfahrend zwischen mehreren Toren bewegen und bei fortschreitender Entleerung in den Seecontainer hineinfahren können sowie über ein neuartiges Kinematik- und Greifsystem verfügen. Etablierte Methoden des maschinellen Lernens ermöglichen es dem Roboter, verschiedene Packszenarien zu klassifizieren und optimal zu entladen.
Mensch-Roboter-Interaktionsschnittstelle sorgt dafür, dass die Zusammenarbeit klappt
Als erstes erfolgt die Aufnahme der technologischen und mitarbeiter-spezifischen Anforderungen. Um die Zusammenarbeit mit der Maschine möglichst einfach zu gestalten, entwickelt das BIBA Mensch-Roboter-Interaktionsschnittstellen. Sie werden in einen exemplarischen Leitstand integriert. Sind abschließend alle einzelnen Komponenten in ein Gesamtsystem integriert, erfolgen die Labor- und Feldtests.
Unterschiedliche Interaktionsmodule ermöglichen eine intuitive Kontrolle und Steuerung eines oder mehrerer Roboter. „So können die Roboter überwachen und bei Störungen schnell mit wenig Aufwand und vor allem ohne Programmierkenntnisse eingreifen. Und das losgelöst vom Arbeitsort der Roboter von einem Leitstand aus. Das Risiko kostenintensiver Systemstillstände wird damit minimiert“, sagt Dr.-Ing. Hendrik Thamer, Leiter des Projektes am BIBA.
In dem Vorhaben ist das BIBA, außer für das Kinematik- und Greifsystem, auch für die Gestaltung des Arbeitsplatzes mit der Integration des operativen Personals verantwortlich. Es entwickelt die Interaktionsmodule auf Basis intuitiver und nutzerspezifischer Interaktionskonzepte sowie das Monitoringsystem zur Überwachung der korrekten Funktionsweise und Performance der Roboter.
Parallel zur Entwicklung der Mechatronik: Simulationen und virtuelle Tests mit digitalem Zwilling
„Die Planung, die Konstruktion, die Fertigung der Komponenten und die Inbetriebnahme des Roboters werden durch die Abbildung in einem digitalen Zwilling begleitet. So können zum Beispiel die Komponenten bereits im Vorfeld simuliert und virtuell getestet werden“, erklärt Dipl.-Ing. Marco Schrader, Automatisierungs- und Robotikspezialist von Schulz Systemtechnik. Dem Unternehmen obliegen die Entwicklung und der Betrieb des digitalen Zwillings. Durch ihn kann die Forschungs- und Entwicklungsarbeit ressourcenschonend gestaltet werden. Eine weitere Herausforderung in dem Projekt ist die Analyse des Containerinhaltes.
Szenenanalyse mithilfe künstlicher Intelligenz und modernster Methoden der Bildverarbeitung
Projektpartner Framos ist Spezialist der industriellen Bildverarbeitung. Er entwickelt hochmoderne Methoden für eine zuverlässige Klassifizierung der Packszenarien und Analyse des Containerinhaltes. „Die Objekterkennung basiert auf 2D-/3D-Bilddaten. Sie verwendet modernste Methoden der Bildverarbeitung und kombiniert diese mit maschinellem Lernen“, erklärt Dr. Simon Che’Rose, Entwicklungsleiter bei Framos. So kann das System unter anderem erkennen, ob ein Container vollautomatisch durch den Roboter entladen werden kann oder darin besondere Situationen herrschen, die eine manuell vom Leitstand aus gesteuerte Bedienung des Roboters erfordert. Zudem werden Lage und Orientierung des Inhaltes analysiert und ermöglichen eine optimale Planung des Entladevorganges.
Verbundprojektleiter BLG Logistics: „Schon 2019 erste Ergebnisse zu sehen“
„Der im Projekt entstehende Prototyp wird schon 2019 zeigen, wie eine verlässliche Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in der Versorgungskette aussehen kann“, sagt Wolf Lampe, Leiter Nachhaltigkeit und neue Technologien bei BLG Logistics. „Die Konstellation der Projektpartnerschaft und ein ausgereiftes Konzept geben Anlass zu diesem Optimismus.“
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