Mobilitätsmonitor

7. Mobilitätsmonitor – Nov. 2018

Intermodalität: Zu- und Abwege des ÖPNV und MIV

(3) Median der Fußwegelängen zum/vom MIV und ÖPNV im Vergleich zur Dichte der ÖV-Haltestellen. – Quelle: Wegeerfassung mit modalyzer5, Haltestellenanzahl aus OpenStreetMap, Datenauswertung: Lena Damrau, Maximilian Bischof; Grafik: Robin Coenen

Ein zentraler Faktor der Attraktivität eines Verkehrsmittels ist seine schnelle Erreichbarkeit ohne lange Fußwege. Als Vorteil des MIV gilt, dass er oftmals gleich „vor der Tür“ ist – zumindest solange es am Quell- und Zielort ausreichend (in der Regel kostenfreie) Parkplätze gibt. ÖV‑Haltestellen erfordern hingegen oftmals Fußwege. Doch wie groß ist der Unterschied zwischen den Zu- und Abwegen für beide Verkehrsmittel? Um diese Frage zu beantworten, wurden in der Grafik 3 Daten des Geotracking-Tools modalyzer ausgewertet, mit dem Probanden selbstständig via Smartphone ihre Bewegungsdaten sammeln und spenden (modalyzer.com). Der Algorithmus erkennt an der Beschleunigung und anderen Faktoren, mit welchen Verkehrsmitteln sich die Probanden bewegen.

Die untere waagerechte Achse zeigt den Median der Fußwegelängen vor bzw. nach MIV- oder ÖV-Etappen in Metern. Die obere waagerechte Achse zeigt die Dichte an ÖV-Haltestellen pro Quadratkilometer in der jeweiligen Stadt. Bei der absoluten Länge der Fußwege ist zu berücksichtigen, dass die erste und letzte Etappe bei GPS-Ortungen oft überschätzt wird, was u. a. an Verzerrungen durch Gebäude liegt. Daher sind die realen Wegelängen insgesamt etwas niedriger. Da dieser Effekt aber bei allen hier gezeigten Wegen auftritt, hat er auf den relativen Vergleich kaum Auswirkungen. Eine weitere Einschränkung betrifft das Erhebungsinstrument: Da es sich bei modalyzer um eine Smartphone-App handelt, werden mit dieser Methode bisher vor allem jüngere und technikaffine Personen erreicht. Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass der MIV hinsichtlich der Länge der Zu- und Abwege im Vorteil gegenüber dem ÖPNV ist: In allen acht Städten sind die Zu- und Abwege im Schnitt zum MIV deutlich kürzer als zum ÖPNV. Am geringsten ist der Unterschied in Stuttgart. Am größten ist er hingegen in Hamburg und Berlin, wo zum bzw. vom ÖPNV etwa doppelt so weite Entfernungen zurückgelegt werden wie zum bzw. vom MIV. Bemerkenswert ist, dass sich damit kein direkter Zusammenhang zwischen der Länge der Zu- und Abwege des ÖPNV und dem Modal-Split-Anteil des ÖPNV in den Städten erkennen lässt: In Berlin hat der ÖPNV einen höheren Modal-Split-Anteil (25 %) als zum Beispiel in Essen (19,5 %).6 Auch lässt sich kein durchgängiger Zusammenhang zwischen der relativen Länge der ÖPNV-Zu- und -Abwege und der Dichte der ÖPNV-Haltestellen erkennen. Zu erwarten ist, dass dort, wo die Haltestellendichte gering ist, der Median der Wegelänge zum/vom ÖPNV groß ist und umgekehrt.

In Hamburg und München ist dies der Fall, nicht jedoch in Frankfurt und Berlin. Dort legen die Probanden trotz hoher Haltestellendichte vergleichsweise große Distanzen zum/vom ÖPNV zurück. Dies könnte mit der hohen Bedeutung zusammenhängen, die insbesondere in den Metropolen S-, U-Bahn und Metrobusnetz haben. Auf den Hauptnetzen werden schnelle Verbindungen mit sehr hoher Taktfrequenz angeboten. Die relativ langen Zu- und Abwege in diesen Städten könnten darauf zurückzuführen sein, dass dort viele Fahrgäste des ÖPNV längere Zu- und Abwege in Kauf nehmen, um ohne weiteres Umsteigen zu S- und U-Bahnen sowie Metrobussen zu gelangen. Eine genauere Analyse dieser Zusammenhänge müsste einerseits die ÖPNV-Qualität detaillierter betrachten und andererseits die Parkplatzsituation in den verschiedenen Städten einbeziehen. Die vorliegende Betrachtung versteht sich insofern als erste deskriptive Exploration des Themas Zu- und Abwege.


5 Die Daten wurden mit der Tracking-App modalyzer zwischen Sept. 2014 und Sept. 2018 per GPS aufgezeichnet. Der maximale Zeitabstand zwischen zusammengehörigen Etappen (Fußwege vom/zum ÖV bzw. MIV) beträgt 20 Minuten. Insgesamt wurden Daten von 887 Personen gespendet. Die Auswertung beruht auf Daten aus den Projekten multimo, Mobilitätsmonitor und TrackMobility. Multimo wurde vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft und dem InnoZ durchgeführt. Auftraggeber waren: BVG, VBB, VBN, DVB, GVH, KVB, VRS, LVB, SSB, MVV, HVV, RMV, VRR und der VDV – Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. TrackMobility wird vom InnoZ im Auftrag des WZB mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator durchgeführt.
6 Infas/DLR (2018): Mobilität in Deutschland. Kurzreport, online unter: http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/pdf/infas_Mobilitaet_in_Deutschland_2017_Kurzreport.pdf
(letzter Zugriff am 21. November 2018).
Stadt Essen (2012):
Haushaltsbefragung zur Mobilität 2011. Online unter: https://media.essen.de/media/wwwessende/aemter/61/dokumente_7/verkehrsthemen/Haushaltsbefragung_Ergebnisse_Mobilitaet_in_Essen_2011.pdf (letzter Zugriff am 21. November 2018).