Mobilität

Mobiles Arbeiten verändert das Berufspendeln über Pandemie hinaus

Trend zum mobilen Arbeiten über Pandemie hinaus verändert das Berufspendeln
Symbolbild: Vedant Shah | pixabay

[Kantar] Durch die zunehmende Beliebtheit des Arbeitens aus dem Homeoffice und dem aktuellen Stigma öffentlicher Verkehrsmittel könnten sich Verkehrsinfrastrukturen in Städten auch nach der Pandemie bald grundlegend verändern

Mehr als die Hälfte der Pendler weltweit plant, auch nach der Pandemie zumindest teilweise aus dem Homeoffice zu arbeiten. Darüber hinaus wächst die Vorliebe für gesündere Mobilitätsformen. Allerdings erlebt auch das Pendeln mit dem Auto eine Renaissance. Für die weitere Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und die Zukunft der Mobilität wird das kommende Jahr wegweisend sein. Das sind einige zentrale Ergebnisse der aktuellen Studie „Mobility Futures“ der internationalen Marketingberatung Kantar, die auf einer umfassenden Analyse der Mobilität von weltweit fast 10.000 Menschen aus 13 internationalen Metropolen beruht – darunter auch Berlin und München. Die Großstädter wurden im Vorfeld des „Movin‘ On Summit 2021“ befragt – einer internationalen Konferenz für nachhaltige Mobilität, die vom 1. bis 4. Juni in Montreal, Paris und Singapur stattfindet.

Die aktuelle Studie zeigt die wichtigsten globalen Mobilitätstrends für das kommende Jahrzehnt auf:

  • Während der Pandemie gingen Fahrten zur Arbeit, zu Bildungseinrichtungen oder im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten um 30 Prozent zurück.
  • 50 Prozent der Pendler gehen davon aus, dass sie auch nach der Pandemie zumindest teilweise aus dem Homeoffice arbeiten werden.
  • Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist aufgrund von Hygienebedenken um 5,6 Prozent zurückgegangen.
  • Die PKW-Nutzung ist während der Pandemie hingegen anteilig um 3,8 Prozent gestiegen – das Auto dürfte auch nach der Pandemie das bevorzugte Verkehrsmittel bleiben.
  • In Westeuropa hat der Anteil einer gesünderen und umweltfreundlicheren Fortbewegung wie Gehen, Radfahren oder einen Scooter zu nutzen um 5 Prozent zugelegt.

Die aktuelle Erhebung der Studie – die zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, an dem die Welt beginnt, sich auf das Leben nach der Pandemie einzustellen – hält für Stadtplaner und Verkehrsinfrastrukturexperten wichtige Erkenntnisse zu neuesten Mobilitätsmustern bereit. Kantar prognostiziert, dass das Arbeiten aus dem Homeoffice eine bedeutende Rolle im „New Normal“ spielen wird, auch nachdem die pandemiebedingten Einschränkungen aufgehoben wurden. Derzeit arbeiten weltweit etwa zwei Drittel der Arbeitnehmer in Großstädten von zu Hause. Die Studie zeigt, dass durchschnittlich etwa die Hälfte der Befragten plant, auch in Zukunft aus dem Homeoffice zu arbeiten.

Trend zu gesünderer Fortbewegung
Gesündere Arten der Fortbewegung haben während der Pandemie vor allem in Europa einen deutlichen Zuwachs erfahren. Insbesondere Spaziergänge und Fahrradfahrten stehen bei Europäern mit Blick auf die tägliche Mobilität hoch im Kurs. So zeigt die Kantar-Analyse, dass gesundheitsfördernde Arten der Fortbewegung in Europa verglichen zum Vorjahr um 4,8 Prozent zunehmen. Am beliebtesten ist dabei der Gang zu Fuß, der auf der Zufriedenheitsskala mit 78 von 100 Punkten bewertet wird. Ganz anders in den USA: Dort steigt die gesündere Mobilität in Städten im Vorjahresvergleich nur geringfügig um 0,6 Prozent, was vor allem auf die großen Entfernungen und die automobilzentrierte Infrastruktur zurückzuführen ist.

Gehen und Radfahren machen Großstädter zufrieden
Die Pandemie hat den Fokus verstärkt auf Konzepte wie Lokalismus und kürzere Wege gerichtet. Dieser Trend könnte sich positiv auf das Modell der „15-Minuten-Stadt“ auswirken, welches sich von der Autozentrierung wegbewegt und den Menschen alle Annehmlichkeiten des täglichen Bedarfs innerhalb von 15 Geh- oder Fahrradminuten bietet. Die aktuellen Daten von Kantar unterstützen dies, denn sie zeigen, dass die Mobilitätsformen Gehen und Radfahren aktuell die größte Zufriedenheit hervorrufen.

Neben gesünderen Mobilitätsmustern hat auch die Autonutzung in Folge sozialer Distanzierungsmaßnahmen und gesundheitlicher Bedenken zugenommen. Um die Exposition gegenüber dem Covid-19-Virus zu reduzieren, entschieden sich während der Pandemie mehr Menschen dafür, allein im Auto zu fahren. Trotz der negativen Umweltauswirkungen kraftstoffbetriebener Fahrzeuge bleibt das Autofahren eine der bevorzugten Fortbewegungsarten. Im Vorjahresvergleich steigt die Nutzung des Autos um durchschnittlich 3,6 Prozent und die Präferenz um 1,9 Prozent. Damit ist das Auto die zweitbeliebteste Fortbewegungsart nach dem Gehen.

Die Pandemie – ein schwerer Schlag für den ÖV
Im Gegensatz dazu haben die öffentlichen Verkehrsmittel während der Pandemie einen schweren Schlag erlitten: Die Nutzung sinkt um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und die Zufriedenheit wurde nur mit 37 von 100 Punkten bewertet. Das ist auf Nutzungseinschränkungen, Maßnahmen der sozialen Distanzierung und die Wahl individueller Verkehrsmittel (z.B. zu Fuß oder mit dem Fahrrad) zurückzuführen. Die Herausforderung für die Städte besteht darin, die Bürger wieder zur Nutzung dieser Dienste zu animieren, um Verkehrsstaus zu reduzieren und Umweltschäden zu begrenzen.

„Die Pandemie hat die Art und Weise, wie sich Menschen in Städten bewegen, grundlegend verändert“, so Guillaume Saint, der bei Kantar weltweit den Bereich Automotive & Mobility verantwortet. „Da immer mehr Menschen aus dem Homeoffice arbeiten, haben wir einen signifikanten Rückgang der öffentlichen Verkehrsmittel zugunsten des Autofahrens beobachtet. Das ist zwar vorübergehend sicherer, stellt aber für die Zukunft ein Problem hinsichtlich Nachhaltigkeit und Verkehrsüberlastung dar, falls die Städte nicht umweltfreundliche und effiziente Infrastrukturen schaffen. Allerdings beobachten wir auch einen Trend zum Lokalismus und eine wachsende Anzahl von Großstädtern, die auf gesündere und umweltfreundlichere Mobilitätsmuster wie Fahrradfahren, Gehen oder E-Scooter setzen. Angesichts dieses weitreichenden Einstellungswandels ist es an der Zeit, dass Städte ihre Infrastrukturkonzepte überdenken und anpassen, um eine nachhaltigere Mobilität in der post-pandemischen Zukunft zu fördern.“


Für die Studie „Mobility Futures“ hat Kantar knapp 10.000 Bewohner aus den 13 internationalen Großstädten Berlin, Brüssel, Chicago, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Mumbai, München, New York, Sao Paulo, Paris und Peking zu ihren aktuellen Mobilitätserfahrungen und gewünschten Verkehrsmitteln befragt. Weitere Informationen sind hier erhältlich: Mobility Futures 2021.