Von Sichtprüfungen bis hin zum Röntgen – bevor ein Packstück im Frachtraum eines Flugzeuges ankommt, muss es vielfach kontrolliert werden. Das ist zeitaufwendig, personalintensiv und teuer. Drei Jahre hat sich das BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen gemeinsam mit fünf Partnern dem Thema „Erweiterte Sicherheit in der Luftfrachtkette“ gewidmet. Mithilfe der digitalen Logistik wollten sie die Prozesse effizienter gestalten und zugleich eine lückenlose Überwachung und Dokumentation in der Luftfrachtkette sicherstellen. Nun haben sie am Airport Bremen ihre Entwicklung vorgestellt: das Fracht-Fingerprint-Informationssystem.
Das Projekt mit dem Namen „Enhanced Security for Logistics“ (ESecLog) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und hatte zum Ziel, ein Fracht-Fingerprint-Informationssystem zur revisionssicheren Kennzeichnung und Überprüfung von Luftfracht-Sendungen zu entwickeln. Daran beteiligt waren das BIBA, das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Airbus DS Airborne Solutions, Panalpina und Viaboxx sowie als assoziierte Partner Lufthansa Cargo, NXP Semiconductors Germany, das Luftfahrt-Bundesamt und der Bremen Airport.
Bei ihren Forschungen und Entwicklungen hatten die Projektpartner mit einigen Herausforderungen zu kämpfen, denn nicht nur die Packstücke selbst, sondern auch die zu deren Überwachung eingesetzten technischen Komponenten unterliegen strengsten Sicherheitsauflagen. Es durften zum Beispiel keine eigenaktiven Sender verwendet werden. Es galt also, mit möglichst einfachen technischen Komponenten und unter erschwerten Bedingungen eine komplexe Aufgabe zu lösen. So mussten die Projektpartner unter anderem auch einige neue Technikkomponenten entwickeln.
Frachtstück wird vom Verpacken bis zum Verladen ins Flugzeug lückenlos überwacht
Vereinfacht dargestellt arbeitet das System so: Beim einem zertifizierten, bekannten Versender werden die Eckdaten eines Frachtstückes im Informationssystem erfasst. Dadurch wird eine eindeutige Identifikationsnummer für das Frachtstück generiert und auf einem speziellen RFID-Transponder gespeichert, über den sich das Packstück jederzeit identifizieren lässt. Zusätzlich verfügt der Transponder über eine Siegelfunktion – ein Riss des Siegeldrahts wird automatisch abgespeichert. Wird das Siegel entfernt oder beschädigt, etwa beim Öffnen des Kartons, wird das vom System registriert. Der Transponder ist in einem unauffälligen Aufkleber untergebracht und wird an einer der Sollbruchkanten eines Pakets angebracht. Über die RFID-basierte Identifizierbarkeit des Packstücks lassen sich im Informationssystem alle relevanten Frachtdaten eindeutig zuordnen.
Für zusätzliche Sicherheit sorgt ein Röntgen- und Lichtsensor im Packstück, der ein Öffnen des Paketes und später am Flughafen das erfolgte Röntgen des Packstückes detektiert. Dieser Sensor ist ebenfalls über RFID auslesbar. Als weitere Information werden auch die 3D-Konturdaten des Packstücks erfasst und im Informationssystem gespeichert. Derart verpackt, wird das Packstück von einem zertifizierten Zulieferer (reglementierter Beauftragter) in einem verplombten Fahrzeug am Flughafen angeliefert und landet dort im Sicherheitsbereich des Flughafens. Beim Wareneingang in das Flughafenlager werden die Siegel und Röntgen-/Licht-Sensoren der einzelnen Packstücke automatisch mittels RFID-Lesung kontrolliert. Zusätzlich werden so alle Ist-Daten der Fracht aufgenommen und mit den zum Lufttransport angemeldeten Frachtstückdaten abgeglichen – hier kommt nur durch, was durchkommen darf.
Es folgt das Verladen auf die „ULDs“ (Unit Load Devices), die Luftfrachtpaletten und -container. Sie werden ebenfalls mit RFID-Tags ausgestattet und werden automatisch von den Transportwagen (Dollies) identifiziert. Und auch hier sorgen technische Komponenten dafür, dass nur bereits erfasste und unversehrte Frachtstücke verstaut werden. Ist das nicht der Fall, meldet das System den Fehler und eine manuelle Kontrolle ist erforderlich.
Der Zugverbund aus Schlepper und Dollies mit geladenen ULDs ist ebenfalls derart ausgestattet, so dass ihr Weg verfolgt werden kann. Beim Vorfeld-Tracking auf dem Weg zum Flugzeug wird auch automatisch geprüft, ob die Fracht ohne Umwege einen erlaubten Weg zum Flugzeug nimmt. Meldet das System auch hier keine Fehler, nimmt ein sogenannter Highloader die Fracht auf und hievt sie zur Ladeluke des Flugzeuges. Der Highloader registriert die empfangene Fracht, das System gleicht die Ist-Daten mit den Soll-Daten ab, und erst wenn es ein Okay gesendet hat, landen die Packstücke tatsächlich im Frachtraum. Der befindet sich zumeist in Passagiermaschinen, denn sie befördern rund 70% der gesamten Luftfracht.
Weniger Aufwand für Prüfungen und stets genauer Überblick über Sicherheitsstatus
Vom Verpacken der Luftfrachtsendung bis hin zu seinem Weg ins Flugzeug: Nichts kann unbemerkt an den Packstücken verändert werden. „Das System dokumentiert alle Merkmale der Fracht und fügt sie zu einem digitalen Gesamtbild zusammen“, erklärt Gesamtprojektleiter Olaf Poenicke vom Fraunhofer IFF. „Jedes Frachtstück verfügt damit über einen digitalen Fingerabdruck. Der lässt während der gesamten Transportkette prozessübergreifend und jederzeit genaue Aussagen über den Sicherheitsstatus der Fracht zu.“ Und BIBA-Wissenschaftler Patrick Dittmer sagt: „Durch die gezielte Prüfung mehrerer Frachtmerkmale an verschiedenen Punkten der Luftfrachtkette können Manipulationen der Fracht frühzeitig erkannt werden, aufwendige Nachprüfungen durch Röntgenscans und manuelle Kontrollen können weitestgehend vermieden werden. So werden die Logistikabläufe und Abfertigungsprozesse schlanker – und das bei gleichzeitig zunehmender Sicherheit in der Luftfrachtkette.“
Weitere Informationen:
http://www.biba.uni-bremen.de
http://www.eseclog.de