Logistik: Wissenschaft

E-LKW für bessere Luftqualität in den Innenstädten?

Fuso Canter E-Cell: rein elektrischer Antrieb seit 2014 im Kundeneinsatz
Fuso Canter E-Cell im Flottentest bei Hermes in Stuttgart. Bild: Mercedes-Benz / Hermes

Forschungsprojekt der Hochschule Fulda untersucht bundesweit erstmalig wirtschaftlichen Einsatz von E-LKW

Wie kann die Luft in unseren Innenstädten sauberer werden, obwohl der LKW-Verkehr zunimmt? Wissenschaftler der Hochschule Fulda untersuchen in einem Forschungsprojekt mit vier Praxispartnern bundesweit erstmalig, unter welchen Rahmenbedingungen der Einsatz von E-LKW mit einem Gesamtgewicht bis zu 18 t für Speditionen wirtschaftlich ist. Denn Transportunternehmen werden vor allem dann einen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten, wenn der Einsatz von E-LKW im Vergleich zu den konventionellen Fahrzeugen wirtschaftlich ist.

Mit dem Internethandel wächst auch der Verkehr

Ein effizienter Einsatz von E-LKW ist umso dringlicher, als der Internethandel stetig wächst und mit ihm auch der Verkehr in den Innenstädten. Vor allem der Stückgutverkehr ab 30 kg nimmt zu, weil immer mehr Menschen Möbel und Elektrogeräte im Netz bestellen. Die Folgen sind mehr CO2– und Stickoxid-Emissionen, mehr Feinstaub, mehr Lärm.

„E-LKW stoßen etwa 25% weniger CO2 aus, keine Stickoxide, keinen Feinstaub, und sie verursachen deutlich weniger Lärm. Doch bislang gibt es keine praxisgerechte Kalkulationsbasis für den Einsatz von schweren E-LKW im Stückgutmarkt“, erläutert Logistikexperte Prof. Dr. Boris Zimmermann, der das Forschungsprojekt an der Hochschule Fulda leitet. Ebenso fehle es an Ansätzen, wie sich die Batterien in diesen Fahrzeugen verwerten lassen. Über 24 Monate hinweg sollen daher die Potenziale der E-LKW in Praxisversuchen getestet und verschiedene Parameter so optimiert werden, dass sich die Wirtschaftlichkeit der Fahrzeuge kontinuierlich verbessert.

Entscheidende Faktoren für Wirtschaftlichkeit

„Wir wollen zeigen, dass durch technische Optimierung sowie durch Verbesserung des Fahrverhaltens und der Tourenplanung die Wirtschaftlichkeit des E-LKW gegeben ist“, erläutert Zimmermann das Ziel des Projekts. „Damit wollen wir einen Beitrag leisten, die E-Mobilität attraktiver zu machen.“ Ende 2018 sollen die Projektergebnisse vorlegen. Dann werden Speditionen mit Hilfe eines in der Studie entwickelten Kalkulationsschemas – auch ohne Praxistest – grob berechnen können, ob es Potenzial für einen E-LKW in ihrem Fuhrpark gibt.

Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung fördert das Projekt mit 295.300 Euro. „Hessen soll seinen Energiebedarf im Jahr 2050 vollständig aus erneuerbaren Quellen decken. Die Elektromobilität kann dazu einen großen Beitrag leisten“, sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir am Mittwoch bei der Übergabe des Bescheids. „Gerade der innerstädtische Lieferverkehr mit seinen festen Routen von vorausberechenbarer Länge bietet sich für E-Nutzfahrzeuge an. Doch dieses Potenzial ist bislang kaum betrachtet worden. Deshalb ist das Vorhaben der Hochschule Fulda so spannend.“

Wirtschaftlichkeit und technische Effizienz in enger Abhängigkeit

Das Forschungsprojekt betrachtet Wirtschaftlichkeit und technische Effizienz in enger Abhängigkeit. „Beides beeinflusst sich gegenseitig“, sagt Zimmermann. Deshalb arbeitet er mit Experten aus dem Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik zusammen. Gemeinsam will das Forscherteam herausfinden, wie genau Tourenplanungen und Dispositionen angepasst werden müssen und wie ein optimiertes Fahrerprofil aussehen kann – vom Fahrverhalten bis hin zur Häufigkeit und Geschwindigkeit der Ladevorgänge. Auch auf die Fragen, wie sich Wartung und Pflege der Fahrzeuge verändern müssen und wie die Ladeinfrastruktur auszubauen ist, wollen die Wissenschaftler Antworten finden.

Mit Blick auf die technische Optimierung gilt es zu erforschen, inwieweit Kostenvorteile durch eine längere Batterielebensdauer möglich sind. Dazu will das Forscherteam untersuchen, wie sehr sich die Lebensdauer der Batterien durch Modifikation des Antriebs erhöhen lässt, und ob die daraus entstehenden Kostenvorteile groß genug sind, um die technischen Mehraufwendungen zu kompensieren. Zudem gilt es herauszufinden, wie viele Kosten der Einsatz von ausgemusterten Batterien in sogenannten Second-Life-Anwendungen spart. Denn Batterien haben einen erheblichen Restwert, auch wenn sie nicht mehr für Antriebszwecke verwendbar sind. So sollen ausrangierte Batterien von E-LKW als Speicher für Strom aus erneuerbaren Energien getestet werden.

Ziel: Präzise Aussage für alle Logistikunternehmen im Markt

„Wir wollen eine präzise Aussage für alle Logistikunternehmen im Markt treffen und analysieren, welche weiteren Untersuchungen und Entwicklungen unter Umständen notwendig sind“, bringt Zimmermann den Anspruch des Projekts auf den Punkt. Dabei arbeiten die Forscher so praxisnah wie möglich. „Wenn alle Ergebnisse vorliegen, werden wir mit den Praxispartnern Wege diskutieren, den im Projekt eingesetzten E-LKW tatsächlich zu übernehmen bzw. besprechen, ob eigene Fahrzeuge angeschafft werden sollen“, so Zimmermann.

In Hessen sind im Verteil- und Stückgutverkehr rund 3.000 LKW mit bis zu 18 t Gesamtgewicht eingesetzt. Würden die Studienergebnisse dazu führen, dass alle hessischen Stückgutunternehmen 5 bis 20% ihrer Fahrzeuge durch E-LKW ersetzen, könnten damit die CO2-Emissionen in Hessen im Straßengüterverkehr um 0,1 bis 0,5 % gesenkt werden.


Projektseite der Hochschule Fulda

Praxispartner:

Ludwig Meyer GmbH & Co. KG (Friedrichsdorf)
Zufall GmbH & Co. KG (Fulda)
Spedition Heidelmann GmbH (Schwalmstadt)
DB Schenker AG (Kelsterbach)