Mobilität: Projekte

KI4autoBUS: Kann Künst­liche Intelli­genz den ÖPNV verbessern?

Projekt KI4autoBUS
Autonom fahrende Busse sollen bald auch für mobilitätseingeschränkte Personen besonders tauglich sein. Bild: DB Regio Bus

[HS Hof] – Ein Konsortium um die Leadpartner Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML sowie die DB Regio Bus forscht derzeit an der Entwicklung einer KI-basierten Lösung zur Planung und Steuerung des künftigen ÖPNV-Angebots. Mit dem Projekt KI4autoBUS soll in erster Linie die Mobilität durch autonome Shuttles verbessert werden. An dem seit Oktober 2021 und noch bis Ende des Jahres laufenden Projekt ist mit einem Teilauftrag auch das Institut für Informationssysteme (iisys) der Hochschule Hof beteiligt. Mit einem Audio-Guide und dessen akustischen Signalen möchte man künftig die barrierefreie Beförderung mobilitätseingeschränkter Personen erleichtern.

Seit Oktober 2017 ist Alexander Kern als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informationssysteme der Hochschule Hof (iisys) in der Forschungsgruppe „Multimediale Informationssysteme“ tätig. Er kümmert sich im Rahmen des Projektes KI4autoBUS und im direkten Auftrag der DB Regio Bus um den Hofer Teil der Entwicklungsarbeit.

Barrierefreie Mobilität
Alexander Kern erläutert: „Die Effizienz des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) kann unter Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) für Nutzer und Anbieter merklich gesteigert werden. Das Projekt zeigt am Beispiel Bad Birnbach, dass die KI Buchungsanfragen antizipiert (Predictive Demand) und die autonomen Shuttles vorzeitig an geeigneten Haltestellen platziert. Der Hofer Anteil besteht darin, die schon fahrenden Shuttles so zu ergänzen, dass auch die barrierefreie Beförderung von mobilitätseingeschränkten Personen verbessert wird“, so Kern.

Geschehen soll dies durch einen Audio-Guide, der durch akustische Signale die Nutzung der Shuttles für die entsprechende Zielgruppe erleichtert: „Der von uns erstellte Prototyp wird dazu genutzt, in einem Feldtest auch akustische Informationen zu testen. Dabei soll herausgefunden werden, wie die akustischen Signale angenommen werden und zu welchem Grad sie den Probanden helfen. Akzeptanz für die autonom fahrenden Shuttles spielt hier auch eine wichtige Rolle, denn: je mehr nützliche Informationen Passagiere bekommen, desto abgeholter fühlen sie sich, wodurch eventuell ein Grundmisstrauen gegenüber der Technik abnimmt. Ein Shuttle, das kommuniziert und sein Handeln erläutert und Passagiere bestmöglich informiert, ist darum ein wichtiger Schritt für die Akzeptanz.“

Erleichterungen durch akustische Signale
„Durch die Buchungsdaten der Reisenden und die Möglichkeit erweiterte Profilangaben (z.B. Seheinschränkungen) zu machen, kann ein Bedarf für Sprachinformationen entstehen, um im autonomen Shuttle Reise- und Umgebungsinformationen angesagt zu bekommen.“ So werden bspw. Informationen zum barrierefreien Einsteigen abgespielt, wenn eine Person mit Rollstuhl an einer Haltestelle erwartet wird. Ähnlich wie bei Bus- oder Zugfahrten werden natürlich auch die nächsten Haltestellen angesagt. Zusätzlich gibt es in Bad Birnbach die sogenannte „Kennenlernfahrt“, die den Passagieren Informationen zur Region gibt: „Wir sind aktuell dabei, diese Texte einzubauen – wir können sie dann anschließend an der richtigen GPS-Position über den Audio-Guide abspielen“, so Alexander Kern.

Komponenten aus dem „MakerSpace“ der Hochschule Hof
Die für den Audio-Guide benötigten Komponenten wurden eigens im MakerSpace der Hochschule Hof produziert und werden reversibel in den Bussen verbaut – sie können bei Bedarf also auch wieder deinstalliert und ausgetauscht werden. Doch es gibt noch weitere Anforderungen an das Gerät: So müssen Updates der Routen und der Audiodateien leicht durchgeführt werden können. Und auch die Möglichkeit zur Fernwartung ist ganz wesent­lich: „Wir können uns im Betrieb auf das Gerät schalten und alle internen Prozesse genau nachverfolgen und notfalls Änderungen direkt einpflegen“, so Kern. Der Audio-Guide bezieht über eine GPS-Antenne selbst die aktuelle Position, über eine LTE-Antenne wird dann eine Verbindung zum Backend erstellt, wodurch jegliche Updates jederzeit während des Betriebes durchgeführt werden können (OTA).

Als besonders anspruchsvoll gestaltete sich beim Prototyp die 3D-Modellierung des Gehäuses, so dass alle Bauteile auf möglichst wenig Raum ihren Platz finden. Zudem ist das Gehäuse mit austauschbaren Seitenteilen konzipiert – somit ist je nach Anforderungen eine Erweiterung mit weiterer Peripherie leicht möglich. Auch ein Mini-Computer, Verstärker, Lüfter, GPS + LTE-Modul mit den jeweiligen Antennen, Lautsprecher sowie Peripherie (Status-LED, Lautstärke-Regler, drei programmierbare Knöpfe) sind im Gerät verbaut.

Daten für den Lernprozess der KI
Im Wesentlichen soll die KI dafür sorgen, dass die Shuttles effizienter eingesetzt werden. Das bedeutet: Alle Fahrtwünsche in Bad Birnbach werden berücksichtigt, Personen mit besonderen Mobilitätsanforderungen (z.B. Rollstuhlfahrer:innen) werden bei mehreren Buchungsanfragen bevorzugt bedient und Leerfahrten sowie lange Wartezeiten werden vermieden. Letzteres bedeutet, dass die KI Buchungsanfragen antizipiert (Predictive Demand) und die Shuttles vorzeitig an geeigneten Haltestellen platziert. Um das zu erreichen, wird im KI4autoBUS Projekt Reinforcement Learning (RL), also bestärkendes Lernen, eingesetzt und auf Funktionsfähigkeit getestet.

Bei RL handelt es sich um einen Bereich des maschinellen Lernens, der darauf abzielt, dass ein Agent (beispielsweise ein Shuttle) durch Interaktion mit seiner Umgebung selbstständig lernt, eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Vorbereitend auf den Einsatz der KI im realen Betrieb, wird der Agent derzeit in der Simulationsumgebung trainiert, getestet und weiter angepasst. Die Auswertungen zeigen, dass der Agent sich mit fortschreitendem Training immer weiter verbessert. Der Agent lernt, seine Aktionen so zu wählen, dass seine Belohnung maximiert wird, was zu reduzierten Wartezeiten der Passagiere und gleich­zeitiger Bedingung aller Fahrtanfragen führt.

Im nächsten Schritt soll der Agent im Realbetrieb eingesetzt werden und im Feldtest unter Beweis stellen, welche Fähigkeiten er im Training in der Simulationsumgebung gelernt hat. Dazu erhält der Agent über eine Schnittstelle aus dem Dispositionssystem Echt­zeit­daten zu den Fahrtanfragen und den Positionen der Shuttles und soll damit eine Entscheidung treffen, welches Shuttle zu welcher Haltestelle delegiert werden soll,“ erklärt Nicole Wagner-Hanl, Senior Consultant für Mobilität und Digitalisierung am Fraunhofer IML.

Deutliche Effizienzsteigerungen
Das Gesamtvorhaben KI4autoBUS hat zum Ziel, die Effizienz des Gesamtsystems des öffentlichen Personennahverkehrs unter Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) signifikant zu steigern. Der eigenständige Entscheidungsprozess der KI ermöglicht eine optimale Verkehrsmittel-Planung, zugeschnitten auf die mitunter besonderen Anforderungen jedes einzelnen Nutzers. Zudem verfügt die KI über die Fähigkeit, die individuellen Mobilitäts­bedarfe vorherzusehen und den einzelnen Nutzern situativ die besten Mobilitäts­ange­bote aktiv zu kommunizieren. Um die Projekt- und Entwicklungsressourcen optimal zu nutzen, werden die bestehenden autonome Kleinbusse, die seit längerer Zeit in Bad Birnbach im Betrieb sind, für die Erweiterungen und Tests in diesem Vorhaben genutzt. Die modifi­zierten Kleinbusse sollen in erster Linie für die Bedarfe Mobilitätseingeschränkter eingesetzt werden.

Praxistests starten
Wagner-Hanl weiß: „Insbesondere mobilitäts­eingeschränkte Personen stehen vor der Herausforderung eigenständig mobil zu sein. Die knappe Ressource an Fahrzeugen, die den Anforderungen bezüglich einer besseren Barrierefreiheit gerecht werden, könnte durch eine automatisierte Einsatzplanung mithilfe einer KI ideal zum Einsatz gebracht werden. Dies ermöglicht die differenzierte Zuordnung von modifizierten und konventio­nellen Fahrzeugen an verschiedene Nutzergruppen. Zusätzlich entstehen Vorteile für Reisende, indem durch eine Vorhersage der Fahrtanfragen bzw. eine Vorhersage der günstigsten Wartehaltestelle lange Wartezeiten vermieden werden. Gleichzeitig profitieren auch die Mobilitätsanbieter, indem Leerfahrten minimiert werden, die Flottengröße optimiert werden kann und Betriebskosten durch den verbesserten Einsatz der Shuttles gesenkt werden.“

Sofern keine Nachfrage mobilitätseingeschränkter Reisender besteht, wird das modifi­zierte Shuttle auch für den Normalbetrieb eingesetzt, um eine möglichst hohe Auslastung zu erreichen. Starten soll der Feldtest mit mehreren Probanden Ende Oktober 2023. Wenn die Tests des Audioguides der Hochschule Hof erfolgreich verlaufen, ist eine Integration in den regulären Fahrbetrieb möglich. „Mit dem Vorhaben kann ein effizienter und smarter Beitrag für das Programm »Bayern barrierefrei« geleistet werden, welches die barrierefreie Gestaltung des ÖPNV bis 2023 zum Ziel hat“, so Alexander Kern abschließend.

Das Projekt KI4autoBUS wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) im Rahmen der Förderlinie Digitalisierung, Förderbereich Informations- und Kommunikationstechnik gefördert.


Das Projektkonsortium von KI4autoBUS besteht aus Forschungs-, Entwicklungs- und Anwendungspartnern. Im Verbund werden die Kompetenzen aus Mobilität & Personenverkehr, Softwareentwicklung und Forschung synergetisch gebündelt.

  • Fraunhofer IML, Projektzentrum Verkehr Mobilität und Umwelt in Prien am Chiemsee
  • DB Regio Bus Bayern
  • FMS Future Mobility Solutions GmbH
  • Q_PERIOR AG
  • qdive GmbH