Infrastruktur: Wissenschaft

IntegBridge: Brücken ganzheitlich planen statt möglichst billig

IntegBridge: Brücken ganzheitlich planen statt möglichst billig
Bild: David Martin | Unsplash

[KIT] – Der Bau beziehungsweise die Erneuerung von Brücken und Straßen ist in Deutschland für etwa 17 Prozent der CO2-Emissionen des Bausektors verantwortlich. Trotzdem ist der Herstellungspreis immer noch das wichtigste Kriterium, wenn Bauherren entscheiden, welche Planungsvariante verfolgt wird. Mit der IntegBridge-Methode soll sich das ändern.

Der Bau beziehungsweise die Erneuerung von Brücken und Straßen ist in Deutschland für etwa 17 Prozent der CO2-Emissionen des Bausektors verantwortlich. Trotzdem ist der Herstellungspreis immer noch das wichtigste Kriterium, wenn Bauherren entscheiden, welche Planungsvariante verfolgt wird.

Für Matthias Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Versuchsanstalt des KIT für Stahl, Holz und Steine – Bereich Stahl- und Leichtbau ist das eine unzulässige Verengung der Perspektive: „Ökobilanzielle Auswirkungen durch die Brücke sowie die im Stau stehenden Fahrzeuge, Lebenszykluskosten und volkswirtschaftliche Kosten werden wenig bis gar nicht berücksichtigt. Dabei übersteigen die volkswirtschaftlichen Folgekosten die reinen Lebenszykluskosten der Brücken oft deutlich.“

Zugrunde liegt dieser Schieflage ein methodisches Problem: Die Erschließung aller Planungs­varianten in Hinsicht auf Lebens­zyklus­kosten, volks­wirt­schaftliche Kosten und Emissions­aufkommen ist mit hohem Aufwand verbunden und erfordert beträchtliches Knowhow.

Dank des an der Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine durchgeführten Projekts IntegBridge (kurz für „Integrale und ganzheitliche Planung von Straßenbrücken auf Basis von hierarchischen Modellen“) könnte sich dies ändern: „Durch Building Information Modeling (BIM) – eine kooperative Arbeitsmethode mit digitalen Bauwerk-Modellen – sowie durch die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen konnten wir den Aufwand für eine ganzheitliche Bewertung von Brückenvarianten deutlich reduzieren“, umreißt Müller den Ertrag des fünfjährigen, mit dem Green-BIM-Award 2022 ausgezeichneten Vorhabens.

Konkret erstellte das Forscherteam für sämtliche brückenspezifischen Komponenten sogenannte Vorbilanzen – gewissermaßen Rohlinge aus ökobilanziellen, ökonomischen und verkehrstechnischen Daten – und speicherte diese in einem Element-Katalog. „Diese Elemente“, so Müller, „werden mit projektspezifischen BIM-Modellen verknüpft. Anschließend kann ein Bewertungsalgorithmus die ökobilanziellen Auswirkungen, die Lebenszykluskosten und die volkswirtschaftlichen Kosten berechnen. Dieser komplett digitale Workflow erlaubt es Planerinnen und Planern, Brückenvarianten frühzeitig, planungsbegleitend, ganzheitlich und teilautomatisiert zu bewerten.“

Die IntegBridge-Methode hat die methodischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die ganzheitliche Bewertung Einzug in die Planungspraxis halten kann. Nun sind Gesetz- und Auftraggeber gefragt: „Die Auszeichnung mit dem Green-BIM Award unterstreicht das allgemeine Interesse, nicht länger die billigsten, sondern die standortspezifisch sinnvollsten Varianten einer Brücke zu realisieren“, sagt Matthias Müller. „Freilich wird die ganzheitliche Bewertung nur dann zum neuen Standard werden, wenn öffentliche Auftraggeber entsprechende Analysen auch einfordern.“