Infrastruktur: Wissenschaft

Würzburg: Vermessung der Stadt per Lastenrad

Würzburg: Vermessung der Stadt per Lastenrad
Projektverantwortliche: Professoren Hannes Taubenböck, Tobias Ullmann und Marco Schmidt (v.l.)
Bild: Martin Wegmann | Universität Würzburg

[Uni Würzburg] – In den kommenden Monaten wird ein ungewöhnliches Lastenrad in Würzburg unterwegs sein. Ausgestattet mit zahlreichen Sensoren ermöglicht es Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftlern der Universität Würzburg, wichtige Umweltparameter in einer hohen räumlichen Auflösung zu kartieren.

Deutschlands Bevölkerung lebt überwiegend in Städten, für die eine enge Bebauung und eine hohe Bevölkerungs­dichte charakte­ristisch sind. Verkehrs­probleme und urbane Hitze­inseln sind häufig damit einher­gehende Begleit­erschei­nungen. Dabei zeigt sich allerdings eine hohe Varia­bilität: So ist der urbane Hitze­insel­effekt zwar grundsätz­lich in hoch ver­dichte­ten Innen­städten stärker ausgeprägt, aber auch dort mag ein kleiner Park mit viel Schatten und Belüftung zu einer lokal ganz anderen Umgebung beitragen. Diese klein­räumige Variabi­lität von Städten zu verstehen, ist allerdings sehr herausfordernd.

Einen neuen Lösungsansatz für dieses Problem erprobt jetzt ein Team von Wissen­schaft­lerinnen und Wissen­schaftlern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Mit einem Lastenrad, das mit verschiedenen Sensoren ausgestattet ist, wird das Team in den kommenden Monaten wichtige Umwelt­parameter in Würzburg kartieren und damit die Stadt und ihre Strukturen samt ihren Zusammen­hängen und Veränderungen kleinräumig vermessen. Die besondere Aufmerk­samkeit gilt dabei ökolo­gischen oder sozialen Indikatoren.

Geographen und Informatiker arbeiten zusammen
Verantwortlich für das Pilotprojekt sind die Informatiker Marco Schmidt, Professor mit einem Schwerpunkt auf Sensoren und eingebettete Systeme für die Erd­beobachtung, sowie Andreas Nüchter, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik XVII und Experte für Robotik, sowie Mitglieder des Erd­beobach­tungs­verbunds an der Universität Würzburg – des sogenannten Earth Observation Research Clusters: Tobias Ullmann, Professor für Geographische Fern­erkundung, Professor Hannes Taubenböck, Inhaber des Lehrstuhls für Globale Urbani­sierung und Fern­erkundung, und Professor Stefan Dech, Inhaber des Lehrstuhls für Fernerkundung.

„Hochaufgelöste Aufnahmen der Würzburger Innenstadt zur Ableitung von Stadt­struktur und Vege­tations­verteilung bezie­hungs­weise deren Zustand sind hoch relevant für eine nachhaltige Stadt­planung und die Klima­anpassung“, sagt Hannes Taubenböck. Dabei sei dieses Pilot­projekt nicht nur für bebaute Gebiete relevant, auch für die Unter­suchung der städtischen Grün­flächen könne dieser Ansatz genutzt werden. „Bäume und Vegetation sind besonders stark von den veränderten Klima­bedingungen betroffen. Mittels der genutzten Sensorik können wir die räumliche Verteilung von Pflanzen und deren Zustand messen“, erklärt Tobias Ullmann.

Ein Lastenrad mit zahlreichen Sensoren
Gelingen soll dies mithilfe eines speziellen Lastenrads. Sein Einsatz hat den Vorteil, dass auch für Autos nicht zugängliche Orte wie der Ringpark befahren werden können. Zudem bietet die Messdatenerfassung mit einem Fahrrad eine höhere räumliche Auflösung, als es mit einem Satelliten oder einer Drohne möglich ist.

Würzburg: Vermessung der Stadt per Lastenrad

Mit diesem Lastenrad werden in den kommenden Monaten wichtige Umweltparameter in Würzburg kartiert. Getestet haben es die Studierenden der Vorlesung „Umweltbeobachtung“.
Bild: Martin Wegmann | Universität Würzburg

Im ersten Schritt hat Marco Schmidt gemeinsam mit Studierenden in der Vorlesung „Umwelt­beobachtung“ des neu etablierten Bachelor-Studiengangs „Informatik und Nachhaltigkeit“ verschiedene Sensoren auf dem Lastenrad angebracht und getestet. „Ziel der Veranstaltung war es, den Studierenden an einem praktischen Projekt das Thema Umwelt­beobachtung näher zu bringen“, sagt Schmidt.

Dabei ging es zum einen um die Vermittlung der technischen Grundlagen, also beispiels­weise um die Frage, wie Sensoren mit Hilfe eines Micro­controllers auf dem Fahrrad angebracht werden können. Zum anderen wurde in der Vorlesung thematisiert, wie Sensor­daten erhoben werden müssen, um die Umwelt charak­teri­sieren zu können. Den Studierenden habe dabei besonders der praktische Teil der Arbeit gefallen, bei dem die Themen „Nach­haltig­keit“, „Umwelt­beobachtung“ und „Informatik“ zusammengeführt wurden.

Die Stadt in ihrer Gänze erfassen
Temperatur, Luftqualität, Lautstärke der Umgebungs­geräusche: Diese Parameter können die Sensoren am Lastenrad bestimmen. Darüber hinaus sind sogenannte Lidar­sensoren in der Lage, drei­dimensio­nale Vermessungen der Umgebung vorzunehmen. „Mit Hilfe spezieller Algorithmen können wir aus diesen Daten eine 3D-Lidar-Punktwolke erstellen und somit die Stadt in ihrer Gänze erfassen“, sagt Andreas Nüchter.

Im nächsten Schritt steht nun die eigentliche Erhebung der Daten an. Das Rad wird daher in den nächsten Monaten immer wieder im Stadt­gebiet zu sehen sein. Besonders für die Geographen sind derartige Daten hoch­interessant, da die Fern­erkundung bereits detaillierte Informationen der Land­ober­fläche über Satelliten­daten aus dem All bereit­stellt, jedoch nicht in der hier möglichen räumlichen und zeitlichen Auflösung.

Hannes Taubenböck vom Earth Observation Research Cluster sieht darin „eine einzig­artige Möglich­keit, die Stadt­struktur zu erfassen und neuartige Erkennt­nisse über unsere Städte und wie wir leben zu gewinnen.“ Auch die Erfassung von Einzel­bäumen und deren Vitalität wird über diesen Ansatz machbar sein und diverse weitere Forschungs­arbeiten ermöglichen.