[Uni Würzburg] – In den kommenden Monaten wird ein ungewöhnliches Lastenrad in Würzburg unterwegs sein. Ausgestattet mit zahlreichen Sensoren ermöglicht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Würzburg, wichtige Umweltparameter in einer hohen räumlichen Auflösung zu kartieren.
Deutschlands Bevölkerung lebt überwiegend in Städten, für die eine enge Bebauung und eine hohe Bevölkerungsdichte charakteristisch sind. Verkehrsprobleme und urbane Hitzeinseln sind häufig damit einhergehende Begleiterscheinungen. Dabei zeigt sich allerdings eine hohe Variabilität: So ist der urbane Hitzeinseleffekt zwar grundsätzlich in hoch verdichteten Innenstädten stärker ausgeprägt, aber auch dort mag ein kleiner Park mit viel Schatten und Belüftung zu einer lokal ganz anderen Umgebung beitragen. Diese kleinräumige Variabilität von Städten zu verstehen, ist allerdings sehr herausfordernd.
Einen neuen Lösungsansatz für dieses Problem erprobt jetzt ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Mit einem Lastenrad, das mit verschiedenen Sensoren ausgestattet ist, wird das Team in den kommenden Monaten wichtige Umweltparameter in Würzburg kartieren und damit die Stadt und ihre Strukturen samt ihren Zusammenhängen und Veränderungen kleinräumig vermessen. Die besondere Aufmerksamkeit gilt dabei ökologischen oder sozialen Indikatoren.
Geographen und Informatiker arbeiten zusammen
Verantwortlich für das Pilotprojekt sind die Informatiker Marco Schmidt, Professor mit einem Schwerpunkt auf Sensoren und eingebettete Systeme für die Erdbeobachtung, sowie Andreas Nüchter, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik XVII und Experte für Robotik, sowie Mitglieder des Erdbeobachtungsverbunds an der Universität Würzburg – des sogenannten Earth Observation Research Clusters: Tobias Ullmann, Professor für Geographische Fernerkundung, Professor Hannes Taubenböck, Inhaber des Lehrstuhls für Globale Urbanisierung und Fernerkundung, und Professor Stefan Dech, Inhaber des Lehrstuhls für Fernerkundung.
„Hochaufgelöste Aufnahmen der Würzburger Innenstadt zur Ableitung von Stadtstruktur und Vegetationsverteilung beziehungsweise deren Zustand sind hoch relevant für eine nachhaltige Stadtplanung und die Klimaanpassung“, sagt Hannes Taubenböck. Dabei sei dieses Pilotprojekt nicht nur für bebaute Gebiete relevant, auch für die Untersuchung der städtischen Grünflächen könne dieser Ansatz genutzt werden. „Bäume und Vegetation sind besonders stark von den veränderten Klimabedingungen betroffen. Mittels der genutzten Sensorik können wir die räumliche Verteilung von Pflanzen und deren Zustand messen“, erklärt Tobias Ullmann.
Ein Lastenrad mit zahlreichen Sensoren
Gelingen soll dies mithilfe eines speziellen Lastenrads. Sein Einsatz hat den Vorteil, dass auch für Autos nicht zugängliche Orte wie der Ringpark befahren werden können. Zudem bietet die Messdatenerfassung mit einem Fahrrad eine höhere räumliche Auflösung, als es mit einem Satelliten oder einer Drohne möglich ist.
Im ersten Schritt hat Marco Schmidt gemeinsam mit Studierenden in der Vorlesung „Umweltbeobachtung“ des neu etablierten Bachelor-Studiengangs „Informatik und Nachhaltigkeit“ verschiedene Sensoren auf dem Lastenrad angebracht und getestet. „Ziel der Veranstaltung war es, den Studierenden an einem praktischen Projekt das Thema Umweltbeobachtung näher zu bringen“, sagt Schmidt.
Dabei ging es zum einen um die Vermittlung der technischen Grundlagen, also beispielsweise um die Frage, wie Sensoren mit Hilfe eines Microcontrollers auf dem Fahrrad angebracht werden können. Zum anderen wurde in der Vorlesung thematisiert, wie Sensordaten erhoben werden müssen, um die Umwelt charakterisieren zu können. Den Studierenden habe dabei besonders der praktische Teil der Arbeit gefallen, bei dem die Themen „Nachhaltigkeit“, „Umweltbeobachtung“ und „Informatik“ zusammengeführt wurden.
Die Stadt in ihrer Gänze erfassen
Temperatur, Luftqualität, Lautstärke der Umgebungsgeräusche: Diese Parameter können die Sensoren am Lastenrad bestimmen. Darüber hinaus sind sogenannte Lidarsensoren in der Lage, dreidimensionale Vermessungen der Umgebung vorzunehmen. „Mit Hilfe spezieller Algorithmen können wir aus diesen Daten eine 3D-Lidar-Punktwolke erstellen und somit die Stadt in ihrer Gänze erfassen“, sagt Andreas Nüchter.
Im nächsten Schritt steht nun die eigentliche Erhebung der Daten an. Das Rad wird daher in den nächsten Monaten immer wieder im Stadtgebiet zu sehen sein. Besonders für die Geographen sind derartige Daten hochinteressant, da die Fernerkundung bereits detaillierte Informationen der Landoberfläche über Satellitendaten aus dem All bereitstellt, jedoch nicht in der hier möglichen räumlichen und zeitlichen Auflösung.
Hannes Taubenböck vom Earth Observation Research Cluster sieht darin „eine einzigartige Möglichkeit, die Stadtstruktur zu erfassen und neuartige Erkenntnisse über unsere Städte und wie wir leben zu gewinnen.“ Auch die Erfassung von Einzelbäumen und deren Vitalität wird über diesen Ansatz machbar sein und diverse weitere Forschungsarbeiten ermöglichen.