Connected Cars: Nutzer sind mit dem Schutz ihrer Daten häufig überfordert
Sogenannte vernetzte Autos, die Daten sammeln und mit ihrer Umgebung kommunizieren, versprechen dem Nutzer wichtige Infos und hohen Komfort. Doch erste Ergebnisse einer laufenden Studie der Universität Hohenheim zeigen: Vernetzte Autofahrer unterschätzen die Brisanz der Daten, die sie preisgeben. Dabei speichern manche Systeme Daten, die Schlüsse auf Fahrstil und Gefahrenverhalten des Fahrers zulassen und ihn zum gläsernen Fahrer machen. Das erste Fazit des Studienleiters Dr. Thilo von Pape: „Nutzer können ihre Daten nicht schützen, wenn sie nicht wissen, was zu welchem Zweck gespeichert wird. Wir brauchen technische Lösungen, die Nutzern erlauben, dies zu beeinflussen und sie vor Gefahren des Missbrauchs schützen.“
Ein Navigationssystem, das Stauinformationen in Echtzeit empfängt und Routen entsprechend anpasst, die Lieblings-Playlist aus dem Internet, die App, die das Auto vom Restaurant aus abschließen kann und natürlich WLAN für alle Fahrgäste – für den versprochenen Zugewinn an Komfort und Flexibilität müssen Besitzer vernetzter Autos viele Daten preisgeben. Wie Nutzer mit dieser Situation umgehen, erforscht Dr. von Pape, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim. In ausführlichen Interviews haben er und sein Team 17 Nutzer vernetzter Autos im Raum Stuttgart interviewt. Eine bundesweite, repräsentative Befragung von Autofahrern mit und ohne vernetztes Auto steht kurz bevor.
Ziel des Projektes: geprüfte Lösungen, durch die vernetzte Autofahrer ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung gezielter und einfacher ausüben können. Dazu arbeiten die Forscher der Universität Hohenheim mit Partnern aus den Bereichen Datenschutz, Industrie, Informatik und Usability zusammen, die die Befragungsergebnisse und Wünsche der Nutzer mit rechtlichen und technischen Vorgaben verknüpfen.
Sensible Daten, überforderte Nutzer
Bereits die ersten Ergebnisse der Nutzerbefragung überraschten von Pape: „Für die meisten Befragten hatte Datenschutz keine hohe Priorität.“ Mehr Funktionen und ein besserer Zugriff auf Daten von anderen Geräten wünschten sich die meisten Befragten, besondere Vorsicht im Umgang mit den Daten sei aber nicht zu bemerken: „Die Nutzer meinen, das Auto würde ohnehin ‚nur‘ technische Daten sammeln.“
Doch so einfach ist es nicht: Daten, die eigentlich zu Wartungs- oder Sicherheitszwecken anfallen, lassen auch Rückschlüsse auf das Gefahrenverhalten der Fahrer zu – wenn sie nicht umfassend geschützt werden. Solche Rückschlüsse könnten zum Beispiel aus den Müdigkeitswarnungen oder Auslösungen des Gurtstraffers gewonnen werden. Parkpositionen und die in das Navigationssystem eingegebenen Adressen könnten weitere Schlüsse auf sensible Alltagsgewohnheiten und Vorlieben der Fahrer erlauben, wie Arzt- oder Kneipenbesuche.
Bereits jetzt bieten Versicherer vergünstigte Tarife an, wenn Autobesitzer eine sogenannte Black Box einbauen, die Daten über das Fahrerverhalten übermittelt. „Ob eine solche Nutzung von Daten im Interesse der Autofahrer ist oder lieber gesetzlich eingeschränkt werden sollte – diese Diskussion müssen wir als Gesellschaft führen.“
Wenig Bewusstsein für Datenschutz bei Nutzern
Um die Risiken zu durchschauen, fehlt manchen Nutzern allein schon das technische Wissen. „Anders als erwartet, waren unter den frühen Nutzern nicht nur technikbegeisterte Menschen. Manche von ihnen hatten gar nicht unbedingt vor, ein vernetztes Auto zu kaufen. Sie bekamen die Technik beim Autokauf als neuen Standard präsentiert oder sie nutzen das Auto nur mit, das der Partner gekauft hat.“ Das wirke sich auch auf die Datensicherheit aus: „Zum Teil bekommen solche Nutzer dann das System eingerichtet, ohne einmal gelesen zu haben, welche Daten übermittelt werden und wie sie diese schützen können.“
Viele der Systeme fragten zudem nur ein einziges Mal pauschal ab, ob Nutzer mit der Datenverwendung einverstanden sind. „Wer an diesem Punkt zustimmt oder sogar jemand anderen mit der Einrichtung beauftragt, der dann die Zustimmung gibt, macht dies später meist nicht mehr rückgängig“, so von Pape.
Um Daten wirkungsvoll schützen zu können, müssen die Nutzer zunächst wissen, welche Daten wo, wann und zu welchem Zweck im Auto erhoben werden. Dann können sie einfach per Knopfdruck entscheiden, ob sie den Dienst abschalten oder nicht.
Chance für Datenschutz und Herausforderung für Anbieter
Aber auch die technisch bewanderten Nutzer setzen sich kaum mit dem Schutz ihrer Daten auseinander. Sie legen häufig ein großes Vertrauen in die Autohersteller. „Die Sensibilität für das Thema scheint bei den Autoherstellern, die dieses Projekt mit uns gestartet haben, sogar ausgeprägter zu sein.“
Tatsächlich meinten viele der befragten Nutzer, die Autohersteller hätten ohnehin keine Verwendung für private Daten. Diese Vorstellung könnte sich laut von Pape aber in den nächsten Jahren ändern: „Noch betrachten die Nutzer die Hersteller im klassischen Sinne als reine Auto-Bauer, denen es nur um den Verkauf von Fahrzeugen gehe. Mit der Vernetzung der Autos geht aber bei vielen Herstellern auch ein Wandel im Selbstverständnis einher – hin zu Mobilitätsdienstleistern, die neben Autos auch Apps anbieten, über die man dann etwa Car-Sharing nutzen kann.“
Welche Vielzahl von Diensteanbietern – vom Automobilclub bis zur Zimmervermittlung – im Internet sich schon heute für Fahrer- und Routendaten interessieren, ist vielen Autofahrern nicht bewusst. Dass ihre Daten für einen App-Anbieter interessant wären, könnten sie sich vermutlich schon eher vorstellen. Dann sei zu erwarten, dass sie sich auch die Datenschutzlösungen kritischer anschauen, so der Wissenschaftler. Bislang war in der Nutzerbefragung jedoch ein Gefühl der Machtlosigkeit festzustellen. Beim Thema Datenschutz habe sich ein lähmender Fatalismus breitgemacht. „Viele unserer Befragten haben das Gefühl, ihre Daten in der vernetzten Welt sowieso nicht schützen zu können. Und die Vernetzung gehört für sie zum modernen Leben einfach dazu.“
Beim vernetzten Fahrzeug bestehe jetzt die Chance, den Nutzern diesen Fatalismus zu nehmen: „Dafür müssen jedoch die beteiligten Interessengruppen die Datenschutzinteressen der Verbraucher in den Mittelpunkt stellen und besser durchsetzen.“ Die Anbieter müssten sich nun im Umgang mit Daten als glaubwürdige Adressen bewähren. In punkto Datenschutz könnten sie dann auch anderen Branchen als Vorbild dienen.
Schutz und Kontrollmöglichkeiten für Nutzer
Für einen erfolgreichen Schutz der Daten im vernetzten Auto schlägt von Pape ein zweigleisiges Vorgehen vor: „Nutzer können ihre Daten bei einer derart komplexen Technik nicht alleine schützen. Wir müssen sie darin mehr unterstützen, brauchen aber auch technische Lösungen, die Nutzer ohne ihr Zutun besser vor den größten Gefahren bewahren.“ Solche technischen Lösungen seien heute zum Teil bereits im Einsatz. So würden die Daten von Müdigkeitswarnern bei vielen Anbietern automatisch gelöscht, sobald der Motor anhält oder die Tür geöffnet wird.
Außerdem sollten die Nutzer beim Schutz ihrer eigenen Daten stärker unterstützt werden. Einen Ansatzpunkt dazu sieht der Wissenschaftler im Prozess der Anschaffung und Einrichtung eines vernetzten Autos. „Bei jedem neuen Smartphone gehört es selbstverständlich dazu, dass man im Zuge der Einrichtung auch Privatheitseinstellungen trifft. Beim Kauf eines Neuwagens kommt dies für viele überraschend.“ Umso wichtiger sei es, dass man sich Zeit für diese Einstellungen nimmt, damit die Kunden ihre Tragweite verstehen. Allerdings sollte man sich nicht zufrieden geben mit den Lösungen, die derzeit bei Smartphones gängig sind.
Eine mögliche Lösung: Entscheidungen situationsabhängig treffen
Zusätzlich solle man einen Teil der Privatheits-Entscheidungen aus dem Moment der Einrichtung heraus verlagern in die Situationen, in denen Daten tatsächlich fließen. „Sinnvoll wäre ein System, bei dem Nutzer kontextabhängig immer aufs Neue entscheiden können, ob sie ihre Daten für ein Angebot in einer bestimmten Situation preisgeben möchten oder nicht.“ Sinnvoll sei in Zeiten des Car-Sharing und der flexiblen Nutzung von Mietfahrzeugen auch die Möglichkeit, solche Einstellungen individuell zu treffen und zum Beispiel über das Handy oder einen Datenträger von Fahrzeug zu Fahrzeug zu übertragen und wieder löschen zu können. Solche benutzerfreundliche Technik zu entwickeln, ist gemeinsames Ziel des Projektes.
Solche situationsabhängigen Einverständniserklärungen gelten aber noch als schwer umsetzbar. Sie bedeuten einen Mehraufwand, den die meisten Kunden nicht leisten würden. Hier setzt von Pape auf die Zusammenarbeit mit Technikern, Juristen und Industrie, um in einer späteren Projektphase neue Ansätze zu finden.
Pressestelle Uni Hohenheim/ Barsch/Töpfer
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