Mobilität

ÖV auf dem Land: Bürgerbus, Ridesharing, flexible Angebote

auf dem Land unterwegs mit dem Bürgerbus
Bild: pixabay.de

Forschungsprojekt untersucht, wie der ÖPNV optimiert und die Verkehrsangebote verbessert bzw. ergänzt werden können

Mobilität im ländlichen Raum sicherzustellen, ist angesichts des demografischen Wandels eine wachsende Herausforderung. Wie kann die Mobilität aller Bevölkerungsgruppen auch hier nachhaltig gesichert werden? Neben die klassischen Angebotsformen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) treten immer häufiger weitere Formen des Personentransports: Bedarfsverkehr mit Anrufsammeltaxi und Rufbus, Bürgerbus oder Ridesharing (Private Mitnahme).

Das Forschungsprojekt „MoLa.opt – Mobilität auf dem Land optimieren“ hat die verschiedenen Verkehrsangebote sowie die dazugehörigen Rahmenbedingungen untersucht und Optimierungsansätze entwickelt. Die Ergebnisse des Projekts werden am 25. April 2017 an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) im Rahmen einer Abschlusskonferenz [siehe 1] vorgestellt. Vorträge zu Praxisbeispielen runden die Tagung ab.

Standardisierung der ÖV-Angebote im ländlichen Raum sinnvoll

Das hochschulübergreifende Forscherteam kommt zu dem Ergebnis, dass eine Standardisierung der verschiedenen Nahverkehrsangebote im ländlichen Raum unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten die Qualität steigern könnte; zudem könnten die Angebote so besser dauerhaft und verlässlich angeboten werden. Verlässliche Förder- und Finanzierungsinstrumente für Planung, Infrastruktur und Betrieb könnten das Potenzial von alternativen Angeboten heben. Auch sollte die Bürgerschaft ebenso wie die Kommunen der betroffenen Regionen beim Ausbau des Nahverkehrs eingebunden werden, um den Erfolg der Nutzung der unterschiedlichen Transportmittel zu erhöhen.

Aufgrund des engen gesetzlichen Rahmens sind Angebote neben dem klassischen Linienverkehr des ÖPNV gegenwärtig nur in Ausnahmefällen gestattet; eine Änderung der betreffenden Gesetze würde den Ausbau dieser Angebote ermöglichen. Zudem müssten die Kompetenzen der örtlichen Akteure gestärkt werden, z. B. durch ein landesweites Kompetenzzentrum zur Weiterbildung der beteiligten Akteure vor Ort. Ein übergreifendes, praxistaugliches Planungsverfahren zur Optimierung der einzelnen Angebote wurde im Verlauf des Projektes „MoLa.opt“ erarbeitet und wird im Rahmen der Tagung erstmals vorgestellt.

ÖPNV wird deutlich seltener genutzt als in der Stadt

„Die Mobilitätskenngrößen sind zwischen Stadt und Land zunächst nicht sehr unterschiedlich: Sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen sind etwa 90 % der Menschen mobil und legen durchschnittlich 3,4 Wege pro Tag zurück“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Josef Becker,  Professor für Schienenverkehrswesen und öffentlichen Verkehr an der Frankfurt UAS, der die Projektleitung für MoLa.opt inne hat. „Unterschiede ergeben sich aber, wenn man betrachtet, welche Verkehrsmittel genutzt werden. Auf dem Land werden gut zwei Drittel der Wege mit dem PKW zurückgelegt; der ÖPNV wird deutlich seltener genutzt als in der Stadt. Unser Ziel war es nun, auch in ländlichen Regionen Mobilitätsoptionen außerhalb der PKW-Nutzung zu entwickeln, welche die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen befriedigen können.“

Zwar zeige sich auf dem Land ein auf die Anforderungen der Schülerinnen und Schüler zugeschnittenes Angebot des ÖPNV. Die Erreichbarkeit von Läden des täglichen Bedarfs [siehe 2] und des Arbeitsplatzes sei aber durch ihn schlecht abgedeckt.

Die Mobilitätsangebote auf dem Land wurden in den letzten Jahren zunehmend differenzierter. Zusätzlich zum klassischen Linienverkehr der ÖPNV-Unternehmen entwickelten sich alternative Möglichkeiten des Personentransports: Anrufsammeltaxis oder Rufbusse ermöglichen die bedarfsorientierte Bedienung von Gebieten, während Ridesharing-Angebote – früher als Mitfahrzentrale bezeichnet – die (private) Mitnahme von Personen arrangieren. In manchen Regionen vermischen sich die verschiedenen Angebote und sind in die Strukturen des ÖPNV eingebunden. Die bundesweit bislang einzigen Projekte zu dieser Option, „Mobilfalt“ und „Garantiert mobil!“, sind in Hessen angesiedelt. In anderen Bundesländern werden solche Angebote privat organisiert.

Bürgerbus oder Ridesharing: Gesetzeslage der Notwendigkeit anpassen

„Diese komplexe Gemengelage wird durch unterschiedliche Vorschriften und Gesetze zusätzlich verkompliziert; die Einordnung der neuen Angebote unter das Personenbeförderungsgesetz ist nicht eindeutig und wird gegenwärtig von den Ordnungsbehörden im Einzelfall entschieden“, so Prof. Dr.-Ing. Volker Blees,  Professor für Verkehrswesen an der Hochschule RheinMain. Der Rechtsrahmen stelle für lokale Formen außerhalb des ÖPNV zu hohe Hürden da: „Hier bedarf es neuer Regelungen, die auch alternative Angebote in adäquater Form auffangen und eine zielführende Ausgestaltung ermöglichen“, fordert Blees.

Neue Angebotsformen seien aber kein Allheilmittel: „Die flexiblen Mobilitätsangebote werden in ihrer Wirtschaftlichkeit vielfach überschätzt. Durch hohe Kosten für den Betrieb der Fahrzeuge, für die Verteilung sowie für das Personal kann die Wirtschaftlichkeit dieser Angebote stark belastet sein“, erläutert Becker.  „Wir haben bei unserer Untersuchung großen Handlungsbedarf auf Landesebene entdeckt. Ohne eine Anschubfinanzierung durch das Land – zum Beispiel für Bürgerbusse – und darüber hinausgehende Fördermodelle sind viele alternative Mobilitätsangebote auf dem Land nicht wirtschaftlich. Wirtschaftlichkeit und Finanzierung sind aber oft die entscheidenden Faktoren bei der Wiedereinstellung flexibler, alternativer Angebote.“

„MoLa.opt“ ist ein Kooperationsprojekt der Frankfurt UAS und der Hochschule RheinMain mit der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV). Unter Einbindung und Befragung verschiedener Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertretern von Verkehrsunternehmen und anderen Anbietern von Verkehrsdienstleistungen wurden sowohl generelle Ansätze zur Mobilitätsversorgung in ländlichen Regionen als auch spezifische Fallbeispiele untersucht, die die konkreten Bedingungen vor Ort sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen analysierten. Mehrere Expertenworkshops dienten dazu, die Ergebnisse des Projekts aus praktischer Perspektive zu reflektieren. Gefördert wurde das Projekt von Mai 2016 bis April 2017 im Rahmen des Programms „Forschung für die Praxis“ des Landes Hessen.


[1]

Abschlusskonferenz Forschungsprojekt „MoLa.opt – Mobilität auf dem Land optimieren“

Termin: 25.04.2017, 9.30-16.00 Uhr
Ort: Frankfurt University of Applied Sciences, Nibelungenplatz 1, Gebäude 4, 1. Stock, Raum 111/112

Programm
  • 9.30 Uhr: Anmeldung
  • 10.00-10.15 Uhr: Begrüßung durch Dr. Bert Albers,  Kanzler der Frankfurt UAS
  • 10.15-10.30 Uhr: „Wo liegen die praktischen Probleme und Herausforderungen im ländlichen Raum?“, Dipl.-Ing. Thomas Busch,  Leiter des Geschäftsbereich Verkehr- und Mobilitätsplanung Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH, Hofheim
Ergebnisse des Projektes „MoLa.opt“
  • 10.30-11.00 Uhr: Welche Erkenntnisse wurden bei der Analyse gewonnen?, Prof. Dr.-Ing. Josef Becker  und Dominic Hofmann  M.Sc, Frankfurt UAS
  • 11.30-12.00 Uhr: Welche Lösungsansätze liefert MoLa.opt?, Prof. Dr.-Ing. Volker Blees  und Sabrina Walther,  Hochschule RheinMain, Wiesbaden
Beispiele aus der Praxis
  • 12.00-12.30 Uhr: „Wo helfen uns die Bürger selbst?“, Franz Heckens,  Pro Bürgerbus NRW e.V., Kevelaer
  • 12.30-13.00 Uhr: „Wie kann Mobilität insgesamt garantiert werden?, Peter Krämer,  Odenwald-Regional-Gesellschaft mbH, Michelstadt
  • 14.00-14.30 Uhr: „Wie können Erreichbarkeit und Daseinsvorsorge gesichert werden?“, Dr.-Ing. Timo Barwisch,  plan:mobil, Kassel
  • 14.30-15:00 Uhr: „Wie können neue Mobilitätsangebote eingesetzt werden?“, Dipl.-Kfm. Michael Schramek, EcoLibro GmbH, Troisdorf
  • 15.00-15:55 Uhr: Forum: Austausch und Vertiefung mit den Referenten an fünf „Marktständen“
  • 15.55-16.00 Uhr: Verabschiedung, Prof. Dr.-Ing. Josef Becker,  Frankfurt UAS

Das Programm hier zum DOWNLOAD  – Anmeldung HIER


[2]  Vgl. Bericht zum Projekt „Lokaso.Siegen“ in: transforming-cities.de