[KU] – Lastenfahrräder könnten in Innenstädten eine deutlich größere Rolle bei der Zustellung von Paketpost spielen als bislang. Dies zeigt eine neue Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) am Beispiel von München und Regensburg, wo rund ein Siebtel der CO2-Emmissionen, die durch die Auslieferungen verursacht werden, eingespart werden könnte. Das Forschungsteam hat ein Planungstool entwickelt, mit dem Unternehmen und Kommunen das Potenzial der Lastenräder für einzelne Stadtgebiete ermitteln können.
Bereits vor der Pandemie hat der Online-Handel einen Boom erlebt. Ein Mausklick genügt und wenig später steht ein Lieferwagen vor der Tür. Doch die Lieferung nach Hause hat auch ihren Preis für Mensch und Umwelt: Ein erheblicher Teil des Autoverkehrs in Städten wird durch die Zustellung von Paketpost verursacht. Eine Alternative zu Lieferwagen bieten Lastenfahrräder. Ladeboxen, die größer sind als bei den privat genutzten Modellen, fassen rund 50 Pakete. Doch bislang werden die E-Räder von Logistikunternehmen nur vereinzelt eingesetzt.
Mobilitäts- und Wirtschaftswissenschaftler der TUM und der KU haben nun am Beispiel von München und Regensburg das Potenzial der Lastenräder untersucht und ein Planungstool entwickelt. „Wir zeigen mit unserer Studie, welche zusätzliche Infrastruktur notwendig ist, damit die Fahrräder effizient eingesetzt werden können: sogenannte Mikro-Depots, die es strategisch geschickt in den Städten zu platzieren gilt“, erklärt Studienleiter Pirmin Fontaine, Juniorprofessor für Operations Management an der KU. Dabei werden Waren mit Lastwagen zu diesen Containern gebracht und von dort mit Lastenrädern zu den Kundinnen und Kunden geliefert. Die Depots können zu Zeiten mit geringem Verkehrsaufkommen beliefert werden.
Nicht in allen Gebieten einer Stadt lohnt sich diese Form der Logistik. „Lastenräder können dort ihre Vorteile ausspielen, wo es eine dichte Bebauung gibt, wo die Wege von Empfänger zu Empfänger kurz sind und wo Lieferwagen nur beschränkte Parkmöglichkeiten haben“, sagt Stefan Minner, Professor für Logistik und Supply Chain Management an der TUM. Das Forschungsteam hat auf der Basis eines mathematischen Optimierungsmodells ein Tool entwickelt, mit dem solche Gebiete ermittelt werden können.
Eine Auswertung verschiedener Szenarien ergab: In München besteht das Potenzial, rund 28 Prozent des Paketaufkommens mit Lastenrädern auszuliefern, in Regensburg etwa 37 Prozent. Die bislang von Lieferwagen zurückgelegten Kilometer könnten so in München um 16 Prozent reduziert werden, in Regensburg um 18 Prozent. Damit würden die CO2-Emissionen, die durch die Zustellung verursacht werden, im ersten Fall um 14 Prozent, im zweiten Fall um 17 Prozent verringert werden.
Für KEP-Dienstleister nur wenig Kostenersparnis
Die Modellrechnungen zeigen auch, dass der Einsatz der Lastenräder für die Firmen lediglich eine geringe Kostenersparnis bedeuten würde. Zwar verursachen Lieferwagen höhere Grundkosten, aber die Gesamtzahl der Touren wäre aufgrund der geringeren Ladung von Lastenfahrrädern zwangsläufig höher.
Weiteres Einsparpotenzial gäbe es, wenn mehrere Logistikunternehmen zusammenarbeiten würden, um überlappende Touren zu vermeiden. Das Forschungsteam hat errechnet, dass sich bei zwei Partnern die gefahrenen Kilometer bei der Paketauslieferung um bis zu 29 Prozent reduzieren könnten, bei drei Partnern um bis zu 42 Prozent. „Bei einer solchen Konsolidierung der Logistik, also einer Kooperation mehrerer Dienstleister, können auch größere Kostenvorteile entstehen“, erläutert Juniorprofessor Pirmin Fontaine.
Damit Unternehmen Lastenräder effizient in die Logistik integrieren können, hat das Forschungsteam das Planungstool und einen Leitfaden frei zur Verfügung gestellt. Beides kann auch Kommunen helfen. „Der Einsatz von Lastenfahrrädern in Innenstädten hat ein Henne-Ei-Problem“, sagt Rolf Moeckel, Professor für Modellierung räumlicher Mobilität an der TUM. „Wenn Dienstleister keine geeignete Infrastruktur vorfinden, bleibt es für sie unattraktiv, ihre Logistik entsprechend umzustellen.“ Deshalb sei angesichts knapper Flächen besonders für die Platzierung von Mikro-Depots politische Unterstützung nötig.
Das Projekt „RadLast“ wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans gefördert.