Mobilitätsmonitor

8. Mobilitätsmonitor – Mai 2019

Fahrzeiten: ÖPNV und MIV im Vergleich

Die Attraktivität des ÖPNV im Vergleich zum MIV ist in den Städten stark davon abhängig, welches Verkehrsmittel insbesondere zu Stoßzeiten schneller ist. In der vorletzten Ausgabe (Monitor 6) verglichen wir die Fahrzeiten, die Nutzerinnen und Nutzer der Geotracking-App modalyzer für einen Kilometer pro Verkehrsmittel in verschiedenen Städten benötigen. Diese Daten sind nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerungen der Städte, erlauben aber Näherungswerte für die üblichen Zeitbedarfe.⁵

In der reinen modalyzer-Auswertung hatte der MIV im Durchschnitt teilweise kürzere Zeiten, als der ÖPNV: Auch Nahverkehrsbahnen benötigen demnach länger für einen Kilometer, als Verkehrsteilnehmer im Schnitt pro MIV-km aufwenden. Dieses Verhältnis ändert sich jedoch, wenn Fahrten mit dem MIV zu Stoßzeiten in Richtung Stadtzentrum betrachtet werden. Der aktuelle Stau-Report des Datenanalysten INRIX (2019) enthält Werte für diese Nutzungssituation im Stadtvergleich.⁶

Bild 3: Durchschnittliche Fahrzeit in Minuten pro Kilometer je Verkehrssystem und Stadt [Quelle: INRIX 2019 (MIV) modalyzer⁴ (ÖPNV); Recherche: Lena Damrau, Christian Scherf; Grafik: Robin Coenen]

Bild 3 zeigt die Fahrzeit in Minuten pro Kilometer je Stadt und Verkehrsmittel. Die blauen und orangen Zeiger in den Stoppuhren zeigen die Anzahl der Minuten, die Fahrgäste für einen Kilometer per S-Bahn bzw. Stadt-/U-Bahn (Leipzig: Tram) benötigen. Die roten Zeiger geben die Anzahl der Minuten per MIV-km zur Stoßzeit ins Stadtzentrum an. In Berlin benötigt z. B. die S-Bahn für einen Kilometer im Schnitt unter zwei Minuten. Im MIV zu Stoßzeiten im Zentrum werden durchschnittlich drei Minuten benötigt. Die ÖPNV-Zeiten beziehen sich auf den Tagesdurchschnitt, sind also nicht spezifisch für die Stoßzeiten. Es liegt aber nahe, dass die Fahrzeiten insbesondere von S- und U-Bahnen zu Stoßzeiten durch eine dichte Taktfolge in diesen Zeiten eher noch kürzer ausfallen als im Tagesdurchschnitt.

In allen Städten außer Stuttgart und Leipzig liegt die durchschnittliche Fahrzeit per S-Bahn pro Kilometer unter jener mit dem MIV zu Stoßzeiten im Zentrum. Stadt- und U-Bahnen benötigen in sechs der sieben Städte etwas länger als MIV und S-Bahn, was u. a. an den häufigeren Zwischenhalten liegen dürfte. In Hamburg beträgt die Fahrzeit pro MIV-Km länger als mit den hier betrachteten Bahnen. Die Verzögerungen des ÖPNV gegenüber dem MIV fallen insgesamt geringer aus, als im vorletzten Monitor, für den die Durchschnitte aller MIV-Mittel über die Gesamtzeit bis zur Stadtgrenze verglichen wurden. Unterschiede zeigt auch der Paarvergleich zwischen Städte mit ähnlicher Einwohnerzahl (in Bild 3 jeweils nebeneinander): Während die Geschwindigkeiten der S-Bahnen jeweils ähnlich groß sind, variieren die Geschwindigkeiten von Stadt- und U-Bahnen zwischen den Städten ähnlicher Größe deutlich stärker. Im Vergleich zwischen Frankfurt und Stuttgart besteht auch im MIV eine deutliche Differenz von über einer Minute.

Bild 4: Anteil der PKW-Parkflächen an den Verkehrsflächen sowie Standflächen für PKW und öffentliche Straßenverkehrsmittel in Quadratkilometer [Quelle: Fahrzeugzahlen nach Angaben der Anbieter und Städte, Standardparkflächen nach Dunker 2005, S. 567 f.; Recherche: Christian Scherf, Grafik: Robin Coenen]

Flächenbedarf: PKW versus ÖSPV inkl. Sharing

Bisher gibt es kaum verlässliche Daten dazu, wie viel Fläche für den MIV in den Städten zur Verfügung gestellt wird. Als Näherungswert kann berechnet werden, wie viel Fläche die in einer Stadt gemeldeten PKW verbrauchten, wenn alle Autos gleichzeitig im öffentlichen Raum parken würden. Die Rechnung zeigt, dass die geparkten PKW in Summe ein Vielfaches mehr Platz verbrauchen, als die Summe aller öffentlich nutzbaren Straßenfahrzeuge, inkl. Fahrzeuge im Sharing.⁷ Für Bild 4 wurde pro Stadt die Zahl der PKW sowie die Zahl der öffentlich nutzbaren Fahrzeuge mit der Fläche eines zum jeweiligen Fahrzeug geeigneten Standardparkplatzes bzw. Standplatzes multipliziert. Das Balkendiagramm zeigt in Orange, wie groß die Fläche ist, die alle geparkten PKW (außer Taxi-, Funkmietwagen und Sharing-PKW) pro Stadt rechnerisch verbrauchen. Dabei wurde nicht nach privaten und geschäftlichen PKW unterschieden. Kaum zu erkennen sind die Flächen in Lila, die öffentlich nutzbare Straßenfahrzeuge, d. h. Busse, Stadt- und Straßenbahnen⁸ sowie Taxis, Funkmietwagen und Sharing-Fahrzeuge rechnerisch verbrauchen. Die Kreisdiagramme zeigen die prozentualen Anteile der PKW-Parkflächen (ohne Taxis, Funkmietwagen und Sharing-PKW) an der gesamten Verkehrsfläche der jeweiligen Stadt.

Für Berlin beträgt die Fläche der PKW z. B. rund 17 km², was etwa 214mal der Fläche des Berliner Alexanderplatzes entspricht und knapp 13 % der Verkehrsfläche Berlins ausmacht. Öffentliche Straßenfahrzeuge benötigen zusammen etwas über 0,3 km² und damit nur etwa das Vierfache des Alexanderplatzes. Private und geschäftliche PKW nehmen somit pro Stadt erhebliche Flächenanteile ein. Die Anteile betragen zwischen ca. 9 % (Frankfurt und Leipzig) und fast 19 % (München) an der gesamten städtischen Verkehrsfläche. Dabei ist zu beachten, dass hier nur die rechnerisch benötigte Mindestfläche für alle Fahrzeuge zugrunde liegt. In der Realität dürfte für jeden PKW deutlich mehr als nur ein Parkplatz zur Verfügung stehen, wodurch die tatsächlich für das Parken reservierten Flächen in allen Städten wahrscheinlich deutlich höher liegen.

Kontakt zur Berechnung: christian.scherf@m-five.de


4 – Die Geschwindigkeit in den Bildern 3 und 6 wurde z. T. mit der Tracking-App modalyzer zwischen Mai 2015 und April 2018 per GPS aufgezeichnet (modalyzer.com). Insgesamt wurden 90.000 km erfasst, zurückgelegt von 570 Personen. Die Auswertungen beruhen auf im Projekt multimo zwischen dem 01.05. und dem 31.05.2015 und im Projekt Mobilitätsmonitor erhobenen Trackingdaten. Multimo wurde vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH und der InnoZ GmbH durchgeführt. Auftraggeber waren: BVG, VBB, VBN, DVB, GVH, KVB, VRS, LVB, SSB, MVV, HVV, RMV, VRR und der VDV – Verband Deutscher Verkehrsunternehmen.

5 – Beim Vergleich zwischen ÖPNV- und MIV-Zeiten ist zu beachten, dass modalyzer mit deutlich kleineren Fahlzahlen als INRIX arbeitet: Während INRIX die Daten von vielen Tausend Fahrzeugen auswertet, liegt die Zahl der modalyzer-Nutzer im zwei- bis dreistelligen Bereich pro Stadt. Da die durchschnittliche Bahn-Geschwindigkeit aber mehr von Technik und Betriebsplanung als vom Einzelnutzer abhängt, erachten wir den Vergleich für vertretbar.

6 – INRIX untersucht regelmäßig Geodaten von Positionsgeräten aus motorisierten Straßenfahrzeugen, was u. a. Aufschluss über Stauphänomene gibt.

7 – Die Sharing-Fahrzeuge umfassen Bike-, Car- und Scootersharing sowie Rideselling.

8 – Stadt- und Straßenbahnen wurden in die Flächenberechnung einbezogen, wenn zumindest teilweise kein separater Gleiskörper besteht, d. h. öffentlicher Straßenraum mit PKW geteilt wird. Unabhängig vom Anteil dieser Art des Streckenverlaufs am Gesamtnetz wurden alle Straßen- bzw. Stadtbahnwagen der jeweiligen Stadt einbezogen.