Technologie: Wissenschaft

Von Rollstuhl bis Trolley: Mitdenkende Räder sorgen für Schub

mitdenkende Räder
Prof. Dr. Matthias Nienhaus. Foto: Oliver Dietze

Räder, die ohne zusätzliche Sensoren selbst wissen, wann sie für wieviel Anschub sorgen müssen, und dabei im Team gefühlvoll zusammenarbeiten: Diese neue Technik zeigen Professor Matthias Nienhaus und sein Team von der Universität des Saarlandes auf der Hannover Messe 2018.

Die Technik lässt sich überall einsetzen, wo Unterstützung gefragt ist: beim Ziehen, Schieben oder Fahren, von Rollator und Rollstuhl über die Sack- oder Schubkarre bis zum Einkaufswagen. Allein anhand von Daten, die beim Drehen der Motoren in den Rädern anfallen, lassen diese sich gezielt ansteuern – weitere Sensoren braucht das Verfahren nicht.

Wer etwa eine Waschmaschine auf der Sackkarre transportieren will, wünscht sich oft eine unsichtbare Kraft, die ohne viel Aufhebens mit anpackt und die Schieberei und Zieherei federleicht macht. Genau dies können Räder mit der neuen Saarbrücker Antriebstechnik: Sie merken, wenn die Sackkarre links oder rechts mehr belastet wird und sie nehmen wahr, wie ihre eigene Position sich ändert.

Hierfür brauchen sie keine zusätzlichen Sensoren. Allein anhand von Daten, die in kleinen Elektromotoren im Inneren der Räder anfallen, während diese sich drehen, weiß das System, wie die Räder stehen und mit welcher Kraft die Antriebe laufen. Was bei der Sackkarre funktioniert, klappt bei allem, was Räder so bewegen. „Auf der Hannover Messe suchen wir Partner, die mit uns die Räder für verschiedene Anwendungen weiterentwickeln“, sagt Professor Matthias Nienhaus vom Lehrstuhl für Antriebstechnik der Universität des Saarlandes.

Der Antriebstechniker von der Universität des Saarlandes spezialisierte sich in seiner Forschung auf intelligente Motoren, die ohne weitere Sensoren selbst Messdaten liefern: „Wir machen den Motor selbst zum Sensor und entwickeln damit eine neue Sensorkategorie. Es ist ein kostengünstiges und zugleich leistungsfähiges Verfahren“, erläutert Nienhaus. „Wir erforschen in mehreren Projekten, wie wir aus den Elektromotoren möglichst viele Daten gewinnen, die wir dann nutzen, um die Antriebe effizient anzusteuern. Oder auch, um zu überwachen, ob der Motor ohne Störung oder Verschleiß einwandfrei funktioniert.“

So lesen die Forscher etwa ab, wie das elektromagnetische Feld an bestimmten Punkten im Inneren des Motors verteilt ist, und wie dieses Feld sich während des Betriebs verändert. Sie haben hierzu neuartige Verfahren entwickelt und zum Patent angemeldet, die die Daten aus dem Motor noch aussagekräftiger machen und Störeffekte wie Rauschen herausrechnen.

Auf der Messe demonstrieren die Ingenieure ihr Verfahren unter anderem an einer Installation mit mehreren Rädern. „In Rädern eingesetzt, ermöglicht die neue Technik, beliebig viele Räder gezielt einzeln anzusteuern und damit auch beliebig viele Räder zusammenarbeiten zu lassen“, so Nienhaus. Dies läuft automatisch über einen winzigen Microcontroller, dessen Elektronik mit den Daten aus den einzelnen Elektromotoren der Räder berechnet, ob und welche der Motoren sich wann und mit welcher Leistung einschalten sollten.

Die Antriebstechniker haben hierfür erforscht, welcher Motorzustand mit welchen Messwerten zusammenhängt, welcher Messwert sich beim Drehen des Rades wie verändert. Je mehr Daten sie über den Rad-Motor kennen, desto effizienter können sie ihn ansteuern. Sie identifizieren aus der Datenmasse die Signalmuster, die aussagekräftig sind, oder bei bestimmten Veränderungen auftreten. Für die verschiedenen Zustände des Motors entwickeln sie mathematische Modelle. Verändern sich die Signale, kann die Steuerung des Systems dies zuordnen und dann blitzschnell mit entsprechend programmierten Befehlen reagieren. Verbunden über ein Datenbussystem arbeiten mehrere Räder mit den so sensibilisierten Motoren im Verbund.